Edward Bulwer-Lytton
Die letzten Tage von Pompeji
Edward Bulwer-Lytton

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Drittes Kapitel.

Die Verwandtschaft des Glaukus – Beschreibung der Häuser von Pompeji – Ein klassisches Fest.

Der Himmel hatte Glaukus mit allen seinen Wohlthaten überschüttet, eine einzige ausgenommen; er hatte ihn mit Schönheit, Gesundheit, Vermögen, Talent, vornehmer Geburt, einem feurigen Herzen und einem poetischen Geiste begabt; aber er verweigerte ihm das Erbe der Freiheit. Glaukus war zu Athen geboren, der Unterthanin Roms. Frühe in den Besitz eines beträchtlichen Vermögens gelangt, hatte er sich dem bei jungen Leuten so natürlichen Geschmacke für's Reisen überlassen und im Schooße pomphafter Feste am kaiserlichen Hofe in langen Zügen aus dem berauschenden Becher des Vergnügens geschlürft. Glaukus war ein Alcibiades ohne Ehrgeiz; er war, was ein Mann, der Einbildungskraft, Vermögen, Jugend und Talente besitzt, wenn man ihm die Begeisterung für den Ruhm entzieht, leicht wird. Sein Haus zu Rom war das Tagesgespräch der Lüstlinge, aber auch der Freunde der schönen Künste; die Bildhauer Griechenlands fanden ein Vergnügen daran, die Portiken und die Exedra eines Atheners auszuschmücken. Seine Wohnung zu Pompeji – ach! ihre Farben sind jetzt erbleicht und ihre Mauern ihrer Gemälde beraubt; ihre Hauptschönheit, die vollendete Ausführung und Anmuth ist entschwunden – und doch, als sie wieder an's Tageslicht gefördert wurde, welche Lobreden, welche Ausrufe der Verwunderung erweckten da ihre niedlichen Dekorationen, ihre Gemälde, ihre Mosaikarbeiten! Glaukus hatte, als ein leidenschaftlicher Verehrer der Poesie und des Drama's, die ihn an den Geist und Heldenmuth seiner Vaterstadt erinnerten, seine herrliche Wohnung mit Darstellungen aus Äschylus und Homer geschmückt; und Alterthumsforscher, die aus dem Geschmacke auf das Gewerbe schließen, haben den Kunstfreund in einen Künstler verwandelt; und obgleich seitdem ihr Irrthum anerkannt ist, nennen sie dennoch die ausgegrabene Wohnung des Atheners Glaukus fortwährend das Haus des dramatischen Dichters.

Ehe wir dieses Haus beschreiben, wollen wir dem Leser einen allgemeinen Begriff von der Art der Eintheilung der Häuser in Pompeji geben, die, wie er finden wird, im Wesentlichen den Schilderungen des Vitruvius gleichen; im Einzelnen aber alle jene Verschiedenheiten der Laune und des Geschmacks entfalten, die dem Menschen angeboren sind und die Alterthumsforscher zu allen Zeiten in Verwirrung gebracht haben. Wir wollen versuchen, unsere Beschreibung so deutlich und so wenig pedantisch als möglich zu geben.

Man tritt gewöhnlich durch einen kleinen Gang, das sogenannte Vestibulum, in eine Halle, bisweilen mit, noch öfters aber ohne Säulen. Auf drei Seiten dieser Halle sind Thüren angebracht, die zu den verschiedenen Schlafzimmern führen, unter denen sich auch das des Pförtners befindet, und von welchen die besten gewöhnlich zu Wohnungen fremder Gäste bestimmt sind. Am äußersten Ende der Halle, und zwar zu beiden Seiten, rechts und links, wenn das Haus groß ist, befinden sich zwei kleine Zimmer oder vielmehr Vertiefungen, die gewöhnlich für die Frauen des Hauses bestimmt sind; mitten auf dem gewürfelten Fußboden der Halle zeigt sich unabänderlich ein viereckiger, nicht tiefer Behälter zum Sammeln des Regenwassers, das durch eine Oeffnung in dem Dache hereinfiel, welche nach Belieben durch ein Schirmdach geschlossen werden konnte. In der Nähe dieses Impluviums, das in den Augen der Alten besonders heilig war, stellte man (in Pompeji, jedoch nicht so häufig als in Rom) die Bilder der Hausgötter auf; jener gastfreundliche Herd, von dem die römischen Dichter häufig sprechen, und der besonders den Laren geweiht war, bestand in Pompeji fast durchgehends in einer beweglichen Kohlenpfanne. In einem, und oft in dem am meisten in die Augen fallenden Winkel war eine große, hölzerne Kiste bemerklich, die bronzene oder eiserne Bänder schmückten und stärker machten, und die durch starke Haken an ein steinernes Piedestal so sehr befestigt war, daß sie allen Anstrengungen eines Räubers, sie von der Stelle zu rücken, Trotz bieten konnte. Diese Kiste hielt man für die Kasse des Hausherrn; da man indessen in keiner der zu Pompeji aufgefundenen Kisten Geld fand, so ist es wahrscheinlich, daß sie häufiger zum Zierrathe als zum Gebrauche dienten.

In dieser Halle (oder Atrium, um klassisch zu reden) empfing man gewöhnlich die Clienten und Besuche niederen Standes. In den Häusern der vornehmeren Einwohner wurde durchgängig ein Atriensis gehalten – ein Sklave, der mit dem Dienste in dieser Halle besonders beauftragt war und unter seinen Kameraden einen hohen und wichtigen Rang einnahm. Der Behälter im Mittelpunkte muß eine etwas gefährliche Verzierung gewesen sein; aber die Mitte der Halle war den Hin- und Hergehenden verboten, die ja an beiden Seiten noch hinreichend Raum fanden. Gerade dem Eingange gegenüber, an dem andern Ende der Halle, war ein Gemach (tablinum), dessen Fußboden gewöhnlich mit reichen Mosaikarbeiten geschmückt, und dessen Wände mit herrlichen Gemälden bedeckt waren. Hier wurden die Familienpapiere oder Urkunden über das öffentliche Amt, das der Hausherr bekleidet hatte, aufbewahrt. Auf einer der Seiten dieses Salons, wenn man ihm diesen Namen geben darf, befand sich häufig ein Speisezimmer (triclinium), und auf der andern Seite bisweilen ein Stübchen, das wir heutzutage ein Raritätenkabinet nennen würden, da es eine Menge solcher Gegenstände enthielt, die man für die seltensten und kostbarsten achtete; und immer endlich ein kleiner Gang für die Sklaven, um sich in die verschiedenen Theile des Hauses begeben zu können, ohne die oben erwähnten Gemächer betreten zu müssen. Alle diese Zimmer öffneten sich auf eine viereckige oder längliche Kolonnade, die man mit einem technischen Ausdrucke Peristyl nannte. War das Haus klein, so endete es mit diesem Säulengang, und in diesem Falle bildete sein Mittelpunkt, so klein er auch sein mochte, immer einen Garten, der mit auf Piedestalen stehenden Blumenvasen geschmückt war; unter der Kolonnade führten rechts und links Thüren zu den Schlafzimmern,Die Römer hatten Schlafzimmer nicht bloß für die Nacht, sondern auch zur Ruhe bei Tag (cubicula diurna). zu einem zweiten Triclinium oder Speisezimmer,Die Alten hatten in der Regel mindestens zwei diesem Gebrauch gewidmete Zimmer, eines für den Sommer, das andere für den Winter; oder vielleicht das eine für den täglichen, das andere für den festlichen Gebrauch. und wenn der Hausherr ein Freund der Literatur war, zu einem mit dem Titel einer Bibliothek geehrten Kabinet; ein sehr kleiner Raum nämlich reichte hin, um die Papyrusrollen aufzunehmen, welche die Alten für eine beträchtliche Büchersammlung hielten.

Die Küche befand sich gewöhnlich am Ende des Peristyls. War das Haus recht geräumig, so hörte es nicht mit dem Peristyl auf, und in diesem Falle war dessen mittlerer Raum kein Garten, sondern bald mit einem Springbrunnen, bald mit einem Fischbassin geschmückt, während an dem dem Tablinum entgegengesetzten Ende sich in der Regel ein zweites Speisezimmer befand, dessen beide Seiten an Schlafzimmer oder auch bisweilen an eine Gemäldegalerie oder PinathecaIn den großen Palästen Roms stand die Pinatheca gewöhnlich mit dem Atrium in Verbindung. stießen. Diese Gemächer sodann standen in Verbindung mit einem viereckigen oder oblongen Raume, der gemeiniglich auf drei Seiten mit einer Kolonnade geschmückt war, wie das Peristyl, das er an Länge übertraf, mit dem er aber sonst viele Ähnlichkeiten hatte. Dies war das eigentliche Viridarium oder der Garten, in dem sich häufig ein Springbrunnen, Statuen und eine große Menge schöner Blumen befanden. Am äußersten Ende stund die Gärtnerswohnung, und an den beiden Seiten waren unter der Säulenhalle, noch weitere Zimmer eingerichtet, wenn die Größe der Familie dies nöthig machte.

Das erste und zweite Stockwerk hatten zu Pompeji selten eine Wichtigkeit, da sie nur über einen kleinen Theil des Hauses hingebaut waren und nur Sklavenkammern enthielten. In den prächtigeren Gebäuden Roms hingegen war dies nicht der Fall; dort lag nämlich der Hauptspeisesaal (coenaculum) gewöhnlich im zweiten Stockwerke. Die Zimmer selbst waren gemeiniglich klein; denn so oft man in diesem herrlichen Klima zahlreiche Gäste hatte, empfing man sie in dem Peristyl (oder Porticus), in der Halle oder im Garten. Die Festsäle selbst waren, obwohl mit Fleiß ausgeschmückt und mit Sorgfalt gewählt, doch von sehr kleinem Umfange; denn die klugen Alten hielten weniger auf die Zahl, als auf die Wahl der Gäste, und speisten selten mehr als neun Personen auf einmal, so daß also große Speisesäle bei ihnen nicht so nothwendig waren, als bei uns.Wenn sie sehr große Gesellschaften bewirtheten, so wurde die Mahlzeit gewöhnlich in der Halle aufgetragen. Aber die Reihe von Zimmern, die man sofort beim Eintritte gewahrte, mußte in der That einen sehr imposanten Eindruck hervorgebracht haben. Man sah da auf einen Blick die reich betäfelte und herrlich bemalte Halle, das Tablinum, das anmuthige Peristyl, und wenn das Haus etwas geräumiger war, den gegenüberliegenden Festsaal und den Garten, der mit einem Springbrunnen oder einer Mamorstatue die Aussicht begrenzte.

Der Leser wird sich jetzt von den Häusern Pompeji's einen ziemlich richtigen Begriff machen können, die in manchen Beziehungen der griechischen, noch mehr aber der römischen Bauart glichen. Die allgemeine Einrichtung ist in sämmtlichen Häusern dieselbe, obgleich bei allein einige Verschiedenheit im Einzelnen stattfindet. In allen findet man die Halle, das Tablinum und das Peristyl, die mit einander in Verbindung stehen; in allen sind die Wände reich bemalt, und alle endlich liefern die Beweise von einem den verfeinerten Lebensgenuß liebenden Volke. Indessen ist zu zweifeln, ob der Geschmack der Einwohner von Pompeji in Bezug auf Dekorationen so ganz rein war. Sie liebten die auffallenden Farben und die seltsamsten Zeichnungen; den unteren Theil ihrer Säulen malten sie oft hochroth, und ließen den übrigen Theil unbemalt; war der Garten klein, so pflegten sie, um das Auge zu täuschen, Bäume, Vögel, Tempel u.s.w. perspektivisch an die Mauer zu malen – ein plumper Kunstgriff, den der liebenswürdige Pedantismus des Plinius mit wohlgefälligem Stolze in Anwendung brachte.

Obgleich das Haus des Glaukus zu den kleinsten gehörte, so war es doch eines der geschmücktesten und vollendetsten aller Privatgebäude in Pompeji.

Man tritt in das Haus durch ein langes und enges Vestibulum, dessen Fußboden in Mosaikarbeit die Abbildung eines Hundes darstellte, mit dem wohlbekannten »cave canem« (nimm dich vor dem Hunde in Acht). Auf jeder Seite befindet sich eine ziemlich geräumige Kammer; denn da das Haus nicht groß genug war, um die zwei gewöhnlichen Abtheilungen in Privat- und öffentliche Zimmer zu enthalten, so waren diese zwei Zimmer besonders zum Empfange von Personen bestimmt, die weder durch Rang, noch durch genaue Bekanntschaft mit dem Hausherrn berechtigt waren, in das Innere des Hauses zugelassen zu werden.

Wenn man aus dem Vestibulum herauskommt, so tritt man in ein Atrium, das bei der ersten Auffindung mit Gemälden bereichert war, deren sich, hinsichtlich des Ausdrucks, ein Rafael nicht hätte schämen dürfen. Jetzt sieht man dieselben im Museum von Neapel, wo sie noch von Kennern bewundert werden; – sie stellen den Abschied des Achilles von der Briseis vor. Wer sollte die Kraft, Lebhaftigkeit und Schönheit in den Gesichtern und Gestalten des Achilles und der unsterblichen Sklavin die Anerkennung versagen?

Auf einer anderen Seite des Atriums führte eine kleine Treppe zu den im zweiten Stockwerke gelegenen Sklavenzimmern. Dort befanden sich auch zwei oder drei andere kleine Schlafzimmer, auf deren Wänden der Raub der Europa, die Amazonenschlacht u.s.w. dargestellt waren.

Von da aus gelangt man in das Tablinum, an dessen äußersten Enden reiche, halb zurückgezogene Draperien von tyrischem Purpur herabhingen.Das Tablinum war nach Belieben auch mit Schiebethüren versehen. Auf seinen Wänden war ein Dichter abgebildet, der seinen Freunden seine Verse vorliest, und der Fußboden zeigte eine kleine, höchst ausgesuchte Mosaikarbeit, einen Theaterdirektor darstellend, wie er seinen Schauspielern Belehrungen gibt.

Aus diesem Salon gelangte man in das Peristyl, und hier ging auch dieses Haus (was, wie schon gemeldet, bei kleineren Wohnungen in Pompeji gewöhnlich der Fall war) zu Ende. Von jeder der sieben diesen Hof schmückenden Säulen, hingen Blumengewinde. Der Mittelpunkt, der die Stelle des Gartens vertrat, war mit den seltensten Blumen angefüllt, die in weißen, auf Piedestalen ruhenden Marmorvasen aufgestellt waren. Am Ende dieses Gärtchens befand sich ein kleiner Tempel, der einer jener Kapellen glich, wie man sie in katholischen Ländern an den Landstraßen findet; er war den Penaten geheiligt und vor ihm stand ein eherner Dreifuß. Auf der linken Seite der Säulenreihe befanden sich zwei kleine Cubicula oder Schlafzimmer, und rechts lag das Triclinium, wo die Gäste eben versammelt waren.

Die Alterthumsforscher von Neapel pflegen dieses Gemach das Zimmer der Leda zu nennen, und in dem herrlichen Werke des Sir William Gell findet man einen Kupferstich nach einem zarten und anmuthigen Gemälde der Leda, wie sei ihrem Gemahle ihren Neugeborenen darbietet. Dieses prächtige Gemach öffnete sich gegen den balsamduftenden Garten. Um den Tisch von Citronenholz,Das damals geschätzteste Holz, doch nicht von dem jetzigen Citronenbaume. Einige, worunter mein gelehrter Freund, W. S. Landor, glauben mit großer Wahrscheinlichkeit, daß es Mahagoniholz gewesen sei. , der glatt, polirt und mit Arabesken in Silber ausgelegt war, standen drei Ruhebetten, die zu Pompeji gebräuchlicher waren, als der halbrunde Sitz, der seit kurzer Zeit in Rom Sitte geworden; auf diesen bronzenen Ruhebetten, die mit kostbaren Metallen beschlagen waren, lagen dicke, reich mit sorgfältiger Stickerei versehene Matratzen, die dem Drucke des Körpers elastisch nachgaben.

»Ich muß gestehen,« sagte der Aedil Pansa, »daß Dein Haus, obgleich kaum größer als das Gehäuse für eine Fibula, doch ein wahrer Edelstein in seiner Art ist. Wie herrlich ist der Abschied des Achilles von der Briseis dargestellt! Welcher Styl! welche Köpfe! welche – hm!«

»Das Lob Pansa's über einen derartigen Gegenstand ist in der That unschätzbar,« erwiderte Klodius ernst; »was für Gemälde trifft man an seinen Wänden! dort ist fürwahr die Hand des Zeuxis sichtbar.«

»Du schmeichelst mir in der That sehr, mein lieber Klodius,« versetzte der Aedil, der in ganz Pompeji für den Besitzer der schlechtesten Gemälde von der Welt galt; denn aus übertriebenem Patriotissmus wollte er nur pompejanische Maler beschäftigen. »Du schmeichelst mir! Indessen muß man gestehen, daß die Gemälde ihr Lob verdienen – Ädepol! – in den Farben, der Zeichnung nicht zu gedenken ... Und die Küche, meine Freunde – ach! Alles ist ganz nach meinem Geschmacke.«

»Was für eine Malerei ist dort?« fragte Glaukus; »ich habe Deine Küche noch nicht gesehen, obgleich ich mehr als einen Beweis von der Vortrefflichkeit Deiner Speisen habe.«

»Ein Koch, mein Athener, opfert dort die Meisterwerke seiner Kunst auf dem Altare der Vesta, während eine herrliche Muräne (nach dem Leben gemalt) in der Ferne an dem Spieße bratet. Du wirst zugeben, daß hierin viel Erfindung liegt.«

In diesem Augenblicke erschienen die Sklaven, ein Brett mit den ersten Einleitungsspeisen zum Mahle tragend. Zwischen köstlichen Folgen waren kleine Becher eines verdünnten, schwach mit Honig vermischten Weines aufgestellt. Nachdem dies auf die Tafel niedergesetzt war, reichten junge Sklaven jedem der fünf Gäste (es waren ihrer nicht mehr) das silberne Becken mit wohlriechendem Wasser und mit Purpurfransen besetzte Handtücher. Der Aedil jedoch zog prahlsüchtig sein eigenes Handtuch hervor, das zwar nicht von so feiner Leinwand, dessen Franse aber doppelt so breit war, und wischte seine Hände mit dem Gepränge eines Mannes, der fühlt, daß er Bewunderung erregt.

»Da hast Du eine schöne Mappa,« sagte Klodius; »die Franse ist so breit als ein Gürtel.«

»Eine Kleinigkeit, mein Klodius, nur eine Kleinigkeit! Dies soll der neueste Geschmack in Rom sein; Glaukus versteht sich jedoch auf solche Dinge besser als ich.«

»Sei uns günstig, o Bacchus!« sprach Glaukus, indem er sich ehrerbietig gegen ein herrliches Bild des Gottes neigte, das mitten auf dem Tische stand, an dessen Ecken die Lamen und die Salzfässer aufgestellt waren. Die Gäste sprachen das Gebet nach und brachten durch Besprengung des Tisches mit Wein die gebräuchliche Libation dar.

Nach Beendigung dieser Ceremonie ließen sich die Gäste auf ihre Ruhebetten nieder und das Mahl begann.

»Dies soll mein letzter Becher sein,« rief der junge Sallust, als die Sklaven die ersten zur Erweckung des Appetits aufgetragenen Gerichte entfernten und substantiellere Speisen auf den Tisch stellten, und ihm der aufwartende Sklave einen bis an den Rand gefüllten Becher überreichte, »dies soll mein letzter Becher sein, wenn ich je besseren Wein in Pompeji getrunken habe!«

»Bring die Amphora herbei,« sagte Glaukus, »und lies Jahrzahl und Namen vor.«

Der Sklave beeilte sich, der Gesellschaft zu melden: »nach dem an den Stöpsel angehefteten Zettel stammt der Wein aus Chios und sei fünfzig Jahre alt.«

»Wie köstlich ihn der Schnee gekühlt hat,« sagte Pansa, »gerade das richtige Verhältnis.«

»Er gleicht,« rief Sallust, »der Erfahrung eines Mannes, der seine Vergnügungen hinlänglich mäßigt, um sie doppelt reizend zu machen.«

»Oder vielmehr dem Nein eines Frauenzimmers,« fügte Glaukus hinzu, »er kühlt, aber nur, um desto mehr zu entflammen.«

»Wann wird unser nächstes Thiergefecht statthaben?« fragte Klodius den Pansa.

»Es ist auf den nächsten Idus des Augusts festgesetzt,« entgegnete der Aedil, »den Tag nach den Vulkanalien. Wir haben für dieses Fest einen der schönsten jungen Löwen.«

»Wer wird ihm vorgeworfen werden?« fragte Klodius. »Gegenwärtig herrscht ein großer Mangel an Verbrechern. Pansa, Du wirst diesmal jedenfalls einen Unschuldigen zum Löwen verurtheilen müssen.«

»Ich gestehe Dir, daß ich neulich darüber nachgedacht habe,« versetzte der Aedil gravitätisch. »Ein schändliches Gesetz, das uns verbietet, unsere eigenen Sklaven den wilden Thieren vorzuwerfen. Uns mit unserm Eigenthum nicht nach unserem Belieben schalten zu lassen, ist ein gegen den Besitz selbst gerichteter Angriff.«

»In den guten Zeiten der Republik war es nicht so,« seufzte Sallust.

»Diese angebliche Großmuth gegen die Sklaven beraubt überdies das Volk einer seiner größten Vergnügungen. Ach! welche Freude hat es an einem hartnäckigem Kampfe zwischen Menschen und Löwen, und wegen dieses verdammten Gesetzes wird es auf dieses unschuldige Vergnügen verzichten müssen, wenn uns die Götter nicht bald einen großen Verbrecher zusenden.«

»Was kann unpolitischer sein,« sagte Klodius mit affektirter Ernsthaftigkeit, »als dem Volk sein Hauptvergnügen zu verkümmern?«

»Dank dem Jupiter und dem Fatum, daß wir gegenwärtig keinen Nero mehr haben,« sagte Sallust.

»Der war in der That ein Tyrann, denn er ließ unser Amphitheater zehn Jahre lang schließen.«

»Ich wundere mich,« sagte Sallust, »daß es keinen Aufstand zur Folge hatte.«

»Beinahe wäre es dazu gekommen,« versetzte Pansa, der den Mund voll Wildschweinbraten hatte.

Hier wurde die Unterhaltung für eine kurze Zeit durch einen Flötentusch unterbrochen, und zwei Sklaven traten mit einer einzelnen Schüssel ein.

»Welchen Leckerbissen hast Du da für uns aufbewahrt, mein lieber Glaukus?« fragte der junge Sallust mit funkelnden Augen.

Sallust war erst vierundzwanzig Jahre alt, aber er kannte keinen größeren Lebensgenuß, als das Essen; vielleicht hatte er alle übrigen bereits erschöpft. Doch fehlte es ihm nicht an Verstand, und er hatte, so weit es ihm möglich war, ein vortreffliches Herz.

»Beim Pollux!« rief Pansa, »ich seh's ihm an; es ist ein ambracisches Zicklein! Ho!« fuhr er fort, (mit den Fingern schnippend, was das übliche Zeichen war, um die Sklaven herbeizurufen), »wir müssen dem neuen Ankömmling eine zweite Libation darbringen.«

»Ich hoffte, Euch mit brittischen Austern bewirthen zu können,« sagte Glaukus traurig, »aber die Winde, die gegen Cäsar so ungünstig waren, haben es nicht zugelassen.«

»Sind sie wirklich so köstlich?« fragte Lepidus, indem er seine Tunika, deren Gürtel bereits gelöst war, auseinanderschlug, um es sich noch bequemer zu machen.

»Ach! ich kann mich der Vermuthung nicht erwehren, daß nur die Entfernung ihren hohen Preis bestimme; sie haben den feinen Geschmack der brundysischen Austern nicht, aber in Rom glaubt man, ohne diese Austern sei kein Abendessen vollständig.«

»Dir armen Britten!« meinte Sallust. »Sie haben doch etwas Gutes an sich! Ihr Land liefert Austern.«

»Ich wünschte, sie verschafften uns einen Gladiator,« sagte der Aedil, dessen mit der Zukunft beschäftigter Geist unaufhörlich an die Bedürfnisse des Amphitheaters dachte.

»Bei der Pallas!« rief Glaukus, als sein Lieblingssklave einen frischen Kranz um seine dunstende Stirne wand, »ich bin wohl ein großer Freund solcher wilden Schauspiele, wenn Thiere gegen Thiere kämpfen; wenn aber ein Mensch mit Fleisch und Blut, wie wir, kaltblütig in die Arena getrieben, und ihm ein Glied um das andere abgerissen wird, so ist die Theilnahme allzuschrecklich. Mir wird übel, ich kann kaum mehr athmen; es treibt mich an, mich hinabzustürzen und zu seiner Vertheidigung hin zu eilen. Die Freudenrufe des Volkes kommen mir schrecklicher vor, als das Geschrei der dem Orestes verfolgenden Furien. Es freut mich, daß wir, allem Anscheine nach bei den nächsten Festspielen dieses blutige Schauspiel nicht haben werden.«

Der Aedil zuckte die Achseln. Der junge Sallust, der für den gutmüthigsten Menschen Pompeji's galt, sah ganz erstaunt darein; der anmuthige Lepidus, der aus Furcht, seine Gesichtszüge zu entstellen, selten sprach, rief: »Beim Herkules!« Der Parasit Klodius murmelte: »Ädepol!« und der sechste Theilnehmer am Feste, der Schatten des Klodius,Eine sehr merkwürdige und interessante Abhandlung ließe sich über die Parasiten der Griechen und Römer schreiben. Bei den ersteren waren sie jedoch noch mehr verachtet, als bei den letzteren. Die Briefe des Alciphorn schildern sehr lebhaft die Beleidigungen, denen sie sich für ein Mittagsmahl unterzogen; einer beklagt sich, daß ihm Fischsauce in die Augen gegossen – daß er an den Kopf geschlagen worden sei, und mit Honig bestrichene Steine zu essen bekommen habe, während ein Freudenmädchen eine mit Blut gefüllte Blase nach ihm geworfen habe, die ihm im Gesichte zerplatzt sei. Die Art, in welcher diese Parasiten die Gastfreundschaft ihrer Wirthe vergelten, bestand wie bei den Schmarotzern heutiger Zeit in Witzworten und unterhaltenden Geschichten; bisweilen erlauben sie sich auch thätliche Scherze gegeneinander, indem sie sich an die Ohren schlugen. Die Obrigkeit in Athen scheint diese hungrigen Bouffons mit sehr strengem Auge betrachtet haben, und sie beklagen sich mit durchaus unphilosophischen Ausdrücken über Schläge und Gefängnis. In der That scheint der Parasit in Athen dem lustigen Rath im Mittelalter entsprochen zu haben, nur war er viel nichtswürdiger und vielleicht witziger – der Gefährte von Buhlerinnen, in dem sich Kuppler und Bouffon vereinigten. Dies ist ein Griechenland eigenthümlicher Charakter. Die lateinischen, komischen Dichter lassen den Parasiten sehr häufig auftreten; doch scheint er in Rom eine etwas höhere Stufe eingenommen, und eine etwas mildere Behandlung genossen zu haben, als in Athen. Auch die Schilderungen des Terenez, der bei seiner Beschreibung athenischer Sitten wahrscheinlich Alles mildert, was römischen Zuhörern zu ungewöhnlich erschienen wäre, führen uns keinen so gemeinen oder verachteten Charakter, wie den Parasiten des Alciphorn und Athenäus vor. Die stolzeren und wählerischen Römer verschmähten es oft in der That nicht, solche Bouffons in ihren Umgang zu ziehen, und mietheten (wie wir in den Briefen des Plinius lesen) Narren oder Hanswurste, um ihre Gäste zu unterhalten, und die Stelle der griechischen Parasiten zu vertreten. Wenn daher Klodius in dem Texte Parasit oder Schmarotzer genannt wird, so möge der Leser dies Wort nicht im heutigen, sondern im alten römischen Sinnen nehmen. dessen Pflicht es war, in Allem das Echo seines reichen Freundes zu sein, wenn er sein Lob nicht singen konnte, – der Schmarotzer eines Schmarotzers – murmelte wie dieser »Ädepol!«

»Ihr Italiener seid an solche Schauspiele gewöhnt; wir Griechen hingegen sind mitleidiger. Oh! Schatten des Pindar! der Reiz wahrhaft griechischer Spiele, das Ringen Mann gegen Mann – der großartige Kampf – der halb traurige Sieg – Stolz, einen würdigen Feind zu bekämpfen – Wehmuth, ihn besiegt zu sehen! ... Aber Ihr versteht mich nicht!«

»Das Zicklein ist vorzüglich,« sagte Sallust.

Der mit dem Vorschneiden beauftragte Sklave, der auf sein Talent stolz war, hatte eben sein Geschäft an dem Zicklein nach dem Takte der Musik vollendet.

»Dein Koch ist natürlich ein Sicillianer?« sagte Pansa.

»Ja, aus Syrakus.«

»Laß uns um ihn spielen,« sagte Klodius; »wir wollen zwischen den Gerichten eine Partie machen.«

»Ich bin zwar allerdings von einem derartigen Kampfe ein größerer Freund, als von den Kämpfen mit den wilden Thieren; aber doch kann ich einen Sicillianer nicht auf's Spiel setzen, Du könntest nichts so Kostbares dagegen setzen.«

»Meine Phillida – meine schöne Tänzerin.«

»Ich kaufe mir Weiber,« sagte der Grieche, indem er seinen Blumenkranz gleichgültig zurechtschob.

Die in dem Portikus aufgestellten Musikanten hatten zu spielen angefangen, als man das Zicklein zertheilte. Ihre Melodie nahm bald einen sanfteren und heiteren, zugleich aber etwas geistvollen Charakter an. Sie sangen die Ode von Horaz: »Persicos odi,« die unmöglich zu übersetzen ist, und von der sie glaubten, sie eigne sich für ein Fest, das, so üppig es uns scheinen muß, doch in der That bei dem zügellosen Luxus jener Zeit ziemlich bescheiden war. Wir wohnen hier – wohl zu beachten – dem Gastmahl eines Privatmannes, keinem fürstlichen bei – dem Gastmahle eines Privatmannes von gutem Geschmacke, und nicht dem eines Kaisers oder Senators.

»Ah! guter, alter Horaz,« sagte Sallust mit theilnehmendem Tone; »er besang die Feste und Mädchen ziemlich gut, aber nicht, wie unsere neueren Dichter.«

»Wie der unsterbliche Fulvius. z.B.,« sagte Klodius.

»Ach! der unsterbliche Fulvius z.B.,« wiederholte der Schatten.

»Und Spuräna und Gajus Mutius, der innerhalb eines Jahres drei epische Gedichte schrieb: konnten Horaz und Virgil so etwas?« warf Lepidus hin.

»Diese alten Dichter haben insgesamt den Fehler begangen, lieber die Bildhauerei, statt die Malerei nachzuahmen. Einfachheit und Ruhe, dies war ihr Ideal; aber wir neueren haben Feuer, Leidenschaft, Kraft, wir schlafen nie, ahmen die Farben der Malerei, ihr Leben und ihre Handlung nach. Unsterblicher Fulvius!«

»Beiläufig gesprochen,« sagte Sallust, »habt Ihr die neue Ode Spuräna's zu Ehren unserer egyptischen Isis schon gehört? Sie ist herrlich und voll wahrhaft frommer Begeisterung.«

»Isis scheint eine Lieblingsgottheit in Pompeji zu sein,« fiel Glaukus ein.

»Ja,« entgegnete Pansa, »sie steht besonders gegenwärtig in hohem Ansehen; ihre Bildsäule hat die außerordentlichen Orakel ausgesprochen. Ich bin nicht abergläubisch, und doch muß ich gestehen, daß sie mir schon mehr als einmal in meinem öffentlichen Amte herrliche Rathschläge ertheilt hat. Auch sind ihre Priester so fromm! Keine stolzen Diener des Jupiters und der Fortuna – sie gehen baarfuß, genießen kein Fleisch und verbringen den größten Theil der Nacht in der Einsamkeit mit Gebet zu.«

»In der That ein Beispiel für unsre andere Priesterschaften. Der Jupitertempel bedarf einer großen Reform,« sagte Lepidus, der bei Andern, aber auch nur bei Andern, ein gewaltiger Reformator war.

»Der Egypter Arbaces soll den Priestern der Isis einige ganz neue Mysterien mitgetheilt haben,« bemerkte Sallust; »er rühmt sich, von Ramases abzustammen, und behauptet, seine Familie sei im Besitze der Geheimnisse des entferntesten Alterthums.«

»Unstreitig ist er im Besitze der Gabe des bösen Auges,« sagte Klodius; »so oft ich dieser Medusenstirne begegne, ohne mich durch einen Zauber dagegen geschützt zu haben, verliere ich unfehlbar ein Lieblingspferd oder werfe die canesIm Würfelspiel nannte man den niedersten Wurf cannes oder caniculæ. neunmal hintereinander.«

»Letzteres wäre in der That merkwürdig,« sagte Sallust ernsthaft.

»Wie meinst Du das?« erwiderte der Spieler erröthend.

»Ich meine, was Du mir ließest, wenn ich oft mit Dir spielte, nämlich – Nichts.«

Klodius antwortete nur durch ein verächtliches Lächeln.

»Wenn Arbaces nicht so reich wäre,« sagte Pansa mit wichtig thuender Miene, »so würde ich mein Amt ein wenig gebrauchen und untersuchen, ob das Gerede, das ihn zu einem Magier und Sterndeuter macht, Grund hat. Als Agrippa Aedil von Rom war, verbannte er alle diese gefährlichen Bürger. Aber ein reicher Mann! – Es ist die Pflicht der Aedile, die Reichen zu beschützen.«

»Was denket Ihr von jener neuen Sekte, die sogar in Pompeji einige Proselyten gemacht haben soll, – von jenen Verehrern des hebräischen Gottes – Christus?«

»Oh! dies sind bloß spekulative Träumer,« sagte Klodius, »und es befindet sich kein einziger angesehener Mann unter ihnen. Ihre Proselyten sind arme, unbedeutende und unwissende Leute!«

»Die man jedoch für ihre Gotteslästerungen kreuzigen sollte,« erwiderte Pansa hastig; »sie verläugnen die Venus und den Jupiter! Nazarener ist bloß ein anderer Name für Gottesläugner. Lasset sie nur unter meine Hände kommen!«

Der erste Gang war vorbei; die Gäste hatten sich auf ihre Ruhebetten zurückgelegt, es trat eine kurze Stille ein, während der sie auf die sanften südlichen Stimmen und auf die Töne des arkadischen Rohres hörten. Glaukus war am meisten entzückt und zur Brechung des Stillschweigens am wenigsten geneigt; aber Klodius meinte schon, daß man die kostbare Zeit verderbe.

»Bene vobis! (auf Deine Gesundheit!) mein Glaukus!« sagte er, indem er mit der ganzen Leichtigkeit eines erfahrenen Trinkers auf jeden Buchstaben in dem Namen seines Freundes einen Becher leerte. »Willst Du Dich wegen Deines gestrigen Unglücks nicht rächen? Sieh! die Würfel lächeln uns an.«

»Wie es Dir gefällig ist,« sagte Glaukus.

»Im August Würfel spielen, und ich Aedil!«Alle Hazardspiele waren durch das Gesetz verboten (»Vetita legibus alea« – Horat. Od. I, 24, 3), außer während der Saturnalien im Monat December. Die Aedilen waren beauftragt, dieses Gesetz zu handhaben, das übrigens, wie alle Gesetze gegen das Spiel zu allen Zeiten, gänzlich unwirksam war. sprach Pansa mit einer Amtsmiene; »dies ist gegen alles Gesetz.«

»Nicht in Deiner Gegenwart, würdiger Pansa,« sagte Klodius, indem er in einer langen Büchse die Würfel schüttelte; »Deine Gegenwart wird jede Übertretung verhindern. Nicht die Sache selbst, sondern nur der Mißbrauch ist schädlich.«

»Welche Weisheit!« flüsterte der Schatten.

»Gut! so will ich nach einer andern Seite sehen,« sagte der Aedil.

»Noch nicht, guter Pansa, wir wollen warten, bis das Essen zu Ende ist,« sagte Glaukus.

Klodius gab unwillig nach und verbarg seinen Ärger unter einem Gähnen.

»Er gähnt, um das Gold zu verschlingen,« sagte Lepidus leise zu Sallust, indem er eine Stelle aus der Aulularia des Plautus anführte.

»Oh, wie gut kenne ich diese Polypen, die Alles festhalten, was sie berühren,« antwortete Sallust in demselben Tone und aus demselben Stücke.

Der zweite Gang, der aus einer großen Mannigfaltigkeit von Obst, Pistazien, süßen Speisen, Torten und Backwerk bestand, das tausenderlei seltsame Formen darbot, wurde aufgetragen, und die Diener stellten auch Wein, der bis jetzt den Gästen herumgereicht worden war, in großen, gläsernen Flaschen auf, an deren jeder ein Zettel das Alter und die Beschaffenheit des Inhalts anzeigten.

»Koste diesen Lesbier, mein Pansa,« sagte Sallust, »er ist vorzüglich.«

»Er ist nicht sehr alt,« erwiderte Glaukus, »aber er ist, wie wir, durch das Feuer früh gezeitigt worden – der Wein durch die Flammen des Vulkans – wir durch die seiner Frau, zu deren Ehren ich diesen Becher leere.«

»Er ist sehr fein,« sagte Pansa, »doch hat er vielleicht ein wenig zu viel Harzgeschmack.«

»Welch herrlicher Becher,« rief Klodius, indem er ein Trinkgefäß von durchsichtigem Krystall zeigte, dessen Handgriff mit Edelsteinen besetzt und schlangenförmig war, wie man es damals in Pompeji sehr häufig sah.

»Dieser Ring,« sagte Glaukus, indem er einen kostbaren Juwel von dem ersten Gelenke seines Fingers zog und an den Griff hing, »verleiht ihm ein reicheres Ansehen und macht ihn Deiner Annahme, mein Klodius, weniger unwerth. Mögen die Götter Dir Gesundheit verleihen und Dir gestatten, ihn oft bis zum Rande zu krönen!«

»Du bist allzu freigebig, Glaukus,« sagte der Spieler, den Becher seinem Sklaven einhändigend, »aber Deine Liebe verdoppelt den Werth.«

»Diesen Becher den Grazien!« rief Pansa, und leerte seinen Becher dreimal. Die Gäste kamen seinem Beispiele nach.

»Wir haben noch keinen Festkönig ernannt,« rief Sallust, indem er den Würfelbecher schüttelte.

»Nein,« sagte Glaukus, »keinen kalten und abgenutzten Direktor für uns, keinen Diktator des Bankets, keinen rex convivii. Haben die Römer nicht geschworen, nie einem König zu gehorchen? Sollten wir weniger frei sein, als Eure Vorfahren? Ha, Musikanten! die Hymne, die ich vorige Nacht gedichtet habe!«

Die Musiker stimmten nun, nachdem Glaukus das Lied, das er meinte, noch näher bezeichnet hatte, ihre Instrumente zu einer wilden jonischen Tonart, während die jüngsten Stimmen unter der Bande in griechischen Worten und griechischem Rhythmus folgendes Lied absangen:

Der Abendgesang der Horen.

1.

Durch des Sommertags glühende Pracht
Sind wir geschritten lang,
Nun, vor den schwarzen Pforten der Nacht
Grüßet uns mit Gesang!
Gesang, Gesang,
Mit hellem, frohen Gesang!
Wie durch das Zwielicht behext
Die cretische Braut durch die Epheuranken,
Nachdem sie zuvor mit dem Weingott gescherzt,
Hinausgoß ihre freien Gedanken.
Durch der Gewölbe graues Gefieder
Aeugelten heimlich die Sterne nieder,
Und ringsumher
Kosten im Meer
In Liebe rauschend die Wogen.
Es ruht ihr des Luchses Haupt im Schooß,
Als sie sich hin auf den Thymian goß;
Und heimlich sich freuend der seligen Nächte,
Lauschten die Faunen im grünen Geflechte
Des grünenden Laubwerks vom Weinstock umzogen,
Die Faunen, die spähenden Faunen,
Die schlauen, die lachenden Faunen,
Die Faunen lauschen verwegen.

2.

Wie hat des Tages Pein
Uns auf der Flucht ermattet!
Schwer wird die Reise sein,
Wenn uns die Nacht umschattet.
Badet, o badet die müden Schwingen
Tief in den Fluten, welche euch springen
Dort aus dem Borne des Lichts: – dort aus dem Borne des Lichts,
Der aus dem Kelche uns lacht,
Ruht erst die Sonne in Nacht,
Wo aus dem Becher der Tag uns erstehet,
Die Traube, sie ist die Quelle des Lichtes,
Der Spiegel des glühenden Sonnengesichtes,
In den es voll Lust wie der Thesbier schaut,
Bis seine Seele drinn untergehet.

3.

Ein Kelch sei dem Zeus gebracht, ein zweiter des Eros Macht,
Ein dritter dem Sohne der Maja;
Drei sollen versöhnen das Kleeblaat der Schönen
Den Chorus der holden Aglaja.
Doch weil euch die lachenden Kränze der Freuden,
Der Bund der lachenden Stunden noch flieht,
So lasset euch nicht durch Gesetze mehr leiten,
Und fraget nicht ängstlich nach Maaß und Gewicht.
Wer uns das Meiste bringt, ehrt uns am meisten,
Wer nicht berechnet mehr, was er zu leisten,
Kennt am Besten des Trinkers Pflicht.
Fasset die Schwingen, wir fliegen so schnell,
Tauchet uns tief in den sprudelnden Quell!
Fliehn wir dann triefend hinaus in den Raum,
Schütteln wir hin auf die Kränze den Schaum.
Wir glühen, wir glühen;
Und wie einst im Osten die jubelnde Rotte
Der Mädchen in ihre krystallene Grotte
Die Schönheit trug des mystischen Hylas,
So ziehen, so ziehen
Den Gott wir, den jungen, im lachenden Chore
In heißer Umschlingung durch unsere Thore;
Wir ziehen ihn vorwärts mit lautem Gesang
Die dunkelnden Ströme der Nacht entlang –
Hoho – hoho, wir haben dich, Psilas!

Die Gäste zollten rauschenden Beifall. Wenn der Dichter zugleich der Wirth ist, so sind seine Verse unstreitig immer bezaubernd.

»Ganz griechisch,« bemerkte Lepidus; »in der römischen Dichtkunst kann man die Wildheit, Stärke und Kraft dieser Sprache unmöglich nachahmen.«

»Man muß gestehen,« fiel Klodius mit einer Ironie ein, die er indessen zu verbergen suchte, »daß dieses Lied gegen die alterthümliche und schmucklose Einfachheit der Ode des Horaz sehr absticht, die wir vorhin hörten. Die Melodie ist ganz jonisch; dieses Wort erinnert mich daran, eine Gesundheit auszubringen. Meine Freunde, auf das Wohl der schönen Ione!«

»Ione! ... Der Name ist griechisch,« sagte Glaukus mit sanfter Stimme; »ich stimme mit Vergnügen ein. Aber wer ist Ione?«

»Ach! Du bist erst kürzlich wieder in Pompeji angekommen, sonst verdientest Du den Ostrazismus für Deine Unwissenheit,« antwortete Lepidus geziert; »Ione nicht kennen, heißt den ersten Reiz in unserer Stadt nicht kennen.«

»Sie ist die seltenste Schönheit,« sagte Pansa, »und welche Stimme!«

»Sie kann sich gewiß nur von Nachtigallenzungen nähren,« entgegnete Klodius.

»Nachtigallenzungen! Welch herrlicher Gedanke,« seufzte der Schatten.

»Gib mir Aufschluß, ich beschwöre Dich!« versetzte Glaukus.

»Wisse denn,« begann Lepidus ...

»Laß mich reden,« fiel ihm Klodius ins Wort; »Du dehnst Deine Worte, als ob Du Schildkröten sprächest.«

»Und Du sprichst Steine,« sprach das Süßherrchen ganz leise, indem er mit verächtlicher Miene auf sein Ruhebett zurücksank.

»Wisse also, mein Glaukus,« sagte Klodius, »daß Ione eine erst kürzlich in Pompeji angekommene Fremde ist. Sie singt wie Sappho, und ihre Gesänge sind eigene Dichtung; Tibia, Cythara und Lyra spielt sie so schön, daß es schwer zu sagen ist, auf welchem von diesen Instrumenten sie die Musen am meisten übertreffe. Ihre Schönheit ist überaus blendend, ihr Haus vollkommen gut eingerichtet. Solcher Geschmack! solche Juwelen! solche Bronzen! Sie ist reich und ebenso freigebig als reich.«

»Ihre Liebhaber,« meinte Glaukus, »sind ohne Zweifel dafür besorgt, daß sie nicht Hungers stirbt; leicht gewonnenes Geld wird eben so leicht wieder ausgegeben.«

»Ihre Liebhaber – Ach, das ist gerade das Räthsel. Ione hat nur einen Fehler ... sie ist keusch; ganz Pompeji liegt zu ihren Füßen und sie hat keinen Geliebten. Sie will nicht einmal heirathen.«

»Keinen Geliebten!« wiederholte Glaukus.

»Nein; sie hat die Seele der Vesta, mit dem Gürtel der Venus.«

»Welche gewählte Ausdrücke,« sagte der Schatten.

»Ein Wunder!« rief Glaukus. »Könnten wir sie nicht sehen?«

»Ich will Dich diesen Abend dort einführen,« versetzte Klodius. »Indessen ...« fügte er hinzu, noch einmal die Würfel schüttelnd ...

»Ich stehe zu Deinen Diensten,« sagte der gefällige Glaukus, »Pansa! wende Dein Gesicht ab.«

Lepidus und Sallust spielten Gerade und Ungerade, und der Schatten sah dem Spiele zu, während Glaukus und Klodius sich allmählig in die Wechselfälle des Würfelspiels vertieften.

»Beim Jupiter!« rief Glaukus, »da werfe ich die Caniculae schon zum zweitenmale.«

»Sei mir jetzt günstig, Venus!« sprach Klodius, indem er den Würfelbecher lange schüttelte ..., »o alma Venus – es ist Venus selbst,« setzte er hinzu, indem er den höchsten Wurf that, den man nach jener Göttin benannte, die allerdings gewöhnlich denjenigen, der Geld gewinnt, begünstigt.

»Venus ist undankbar gegen mich,« sagte Glaukus scherzend, »und doch habe ich stets auf ihrem Altare geopfert.«

»Wer mit Klodius spielt,« sagte Lepidus ganz leise, »wird, wie der Kurkulio des Plautus, im Spiele bald sein Pollium einsetzen müssen.«

»Armer Glaukus! Er ist so blind als Fortuna selbst,« erwiderte Sallust in demselben Tone.

»Ich spiele nicht weiter,« sagte Glaukus, »ich habe dreißig Sestertien verloren.«

»Ich bedaure ...« sagte Klodius.

»Liebenswürdiger Mann!« murmelte der Schatten.

»Nicht doch,« versetzte Glaukus, »das Vergnügen über Deinen Gewinn wiegt den Kummer über meinen Verlust auf.«

Die Unterhaltung wurde nun allgemein und lebhaft; der Wein machte freier die Runde und Ione wurde wiederholt Gegenstand der Lobsprüche.

»Statt hier länger als die Sterne zu wachen, wollen wir diejenige besuchen, vor deren Schönheit die Sterne erbleichen,« bemerkte Lepidus.

Klodius, der keine Aussicht hatte, das Spiel wieder in Gang zu bringen, unterstützte diesen Vorschlag, und obgleich Glaukus aus Höflichkeit in seine Gäste drang, noch nicht vom Tische aufzustehen, so konnte er sich doch nicht enthalten, sie merken zu lassen, daß seine Neugierde durch die Lobpreisungen Ione's rege geworden sei. Sie beschlossen daher Alle, mit Ausnahme Pansa's und des Schattens, sich zu der schönen Griechin zu begeben. Sie brachten darum die Gesundheit des Glaukus und des Titus aus, vollzogen ihre letzten Libationen, legten ihre Sandalen wieder an, stiegen die Treppe hinab und schritten, ohne gebissen zu werden, über den wilden, auf der Schwelle abgebildeten Hund, und traten nun beim Scheine des eben aufgehenden Mondes in die noch mit Menschen angefüllten, lebhaften Straßen von Pompeji.

Sie durchwanderten das Quartier der Goldschmiede, dessen glänzende Lichter die in den Gewölben ausgelegten Edelsteine auffingen und zurückwarfen, und gelangten endlich vor Ione's Thor. Das Vestibulum war von langen Lampenreihen erleuchtet; gestickte, purpurne Vorhänge hingen an beiden Eingängen des Tablinums herab, in welchem Wände und Mosaikboden von den reichsten Farben der Kunst strahlten; unter dem Porticus, der das balsamisch duftende Viridarium umgab, fanden sie ihre bereits von einer Menge von Verehrern und applaudirenden Gästen umringt.

»Habt Ihr nicht gesagt, sie sei eine Athenerin?« fragte Glaukus ganz leise, ehe er in das Peristyl trat.

»Nein, sie ist von Neapolis.«

»Von Neapolis!« wiederholte Glaukus, und in diesem Augenblick trennte sich die Gruppe, die Ionen umgab, und er sah plötzlich jene nymphenartige Schönheit wieder, die seit Monaten auf die Wogen seiner Erinnerungen hingeleuchtet hatte.


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