Rahel Varnhagen von Ense
Rahel und Alexander von der Marwitz in ihren Briefen
Rahel Varnhagen von Ense

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90.

Rahel an Marwitz.

[Herbst 1812.]

Vor einer Stunde erhielt ich Ihren Brief mit Willisens Einlage; ich lies sogleich Varnhagen rufen, um ihn ihm mitzuteilen. Er sagt mir, Zichy wisse durchaus von der Sache nichts, als was Varnhagen Ihnen schon gesagt hat, und das von der Staatskanzelei wisse er von einem andern, der dorther kam und es aus Prag wissen will. Hier ist also durchaus nichts Neues für Willisen zu tun, noch zu erfahren. Von dem Wagen weiß Varnhagen nichts, als daß ihm Willisen vor der Abreise gesagt hat, im Wirtshause wüßten die Leute, wo er steht, und wenn er verkauft werden würde, so würden sich die Käufer an Varnhagen wenden des Preises wegen und würden ihm das Geld einhändigen. Ein solcher Käufer hat sich nicht gemeldet. Nur Herr von Warburg schien einige Lust zur Wurst zu haben, fand sie aber ungesehen viel zu teuer. Den Koffer hat Willisen selbst bei mir ausgeräumt und dann durch zwei Träger, die mir einen Zettel von ihm brachten, abholen lassen. Es freut mich, daß er wieder schreiben darf, so feste, gesunde Hand schreibt und auch Bücher, wenn auch nicht die erwünschten, hat. Da er doch jetzt mehr Freiheit hat, so glaube ich nicht, daß er sich täuscht, wenn er glaubt bald ganz frei zu sein, da er nichts getan hat und man ihm nur soupconiert. Wenn Sie meinem Rate folgen, so schreiben Sie nicht an Metternich; das könnte den jetzt nur gegen Willisen indisponieren. Mündlich könnte ich Ihnen bessere Gründe dafür entwickeln. Vergessen Sie nicht, wenn Sie diesen Brief erhalten, vergessen Sie nicht, daß Mittwoch keine Journalière geht, und er also erst Donnerstag ankommen kann. Ich werde Varnhagen bitten sich zu erkundigen, ob die Leute, wo der Wagen steht, und von welchem Orte Willisen ihm gar keine Notiz geben mochte, nicht etwa den Wagen fraudulös verkauft haben. Das ist alles, was mit und über diese Wurst anzufangen ist.

Gestern Morgen war Frau von Fouqué bei mir einen Augenblick und nicht allein; dann ging ich einen Augenblick zu ihr, sah sie auch nicht allein, fand aber ihr Wesen und ihr Gesicht sehr gut, obgleich sie noch ein wenig mitgenommen von ihrer Krankheit aussieht. Sie versprach mir Besuche und bleibt vierzehn Tage. Von Schleiermachers habe ich nichts gesehn, sie glaubt' ich noch vorgestern einen Augenblick zu sehen, begreife aber ganz ihr humeur. Sie haben doch meinen Brief vorgefunden, wo S. seiner drin liegt? Adieu. Ich will sehen, ob das Wetter zum Ausgehn ist.

R.R.

Abends. Varnhagen war bei dem Sattler; der Wagen steht noch ohne Gebot darauf da, einen kleineren Koffer hat Willisen von mir abholen lassen, ein anderer zur Wurst gehöriger steht noch bei mir, von welchem ich nicht wußte, daß er dazu gehört. Sie wird in jetziger Fahrzeit hier nicht zu verkaufen sein. Leben Sie wohl!


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