Rahel Varnhagen von Ense
Rahel und Alexander von der Marwitz in ihren Briefen
Rahel Varnhagen von Ense

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12.

Rahel an Marwitz.

Donnerstag Mittag um drei, d. 9t. Mai 1811.

Heute, jetzt, mein teurer Freund, grüße ich Sie nur, obgleich ich Ihnen viel zu schreiben habe und hätte und seit den ganzen zwei Tagen in Gedanken geschrieben habe. Alles richt' ich an Sie. Gestern Morgen war Nanny lange bei mir, nachher Madam Schleiermacher, Nachmittag Harscher, mit dem ich in Bellevue war. Er blieb auch den Abend bei mir, erweichte sich nach seiner Art. Die Art besteht aber doch darin nichts zu fühlen, was vor ihm ist, mich auch nicht. Doch, sagte er, ich täte ihm wohl. Jetzt leb' ich fast nicht vor Erschöpfung – Nerven-Irritation. Sehn Sie meine Handschrift! Alle Tage werde ich schwächer, jedoch komme ich oft in göttliche Zustände. Ich werde es versuchen sie deutlich zu machen. Sehr komisch mußt' ich's finden, als mir Harscher sagte, Sie kennen Wolffs. Und nun ich mit meinem großen Brief. Es tut mir nicht leid, Ich besuchte Madam W[olff] heute Morgen und Frau von Grotthuß, habe eine Menge Sachen besorgt und Madam Bethmann bei mir gesehn. Nun muß ich essen und ruhn, Wolff in einem Lustspiele sehn. Künftig der Bericht von diesem Spiel und dem Grotthuß'schen Abend. Der Mann gefällt mir, und morgen, wo ich mit ihm bei Madam Bethmann bin, will ich ihm sehr die Cour machen. Auch die Frau habe ich schon sehr getröstet, die von Berlin decontenanziert ist. »Mir wird wieder wohl, seit Sie hier sind«, sagte sie mir diesen Morgen und wollte mich nicht weglassen. Ich bin wieder wie die Jungfrau! Ich, die all dies Herrliche vollbracht, wie ist mir? Sehr wunderbar, Marwitz. Mühsam, geplagt, nicht aber schlecht. Und wie schätze ich, wie empfinde ich, was ich habe, und was ich lieben kann. Sie schreiben mir. Adieu. Gott, wie ist das Grün, wie zauberartig, verzaubert oft die Stadt. Wären Sie nur bis heute hiergeblieben, das mit Ihnen zu sehn! Von Schleiermachers und allem künftig. Adieu. Madam Schleiermacher frug mit großer Liebe nach Ihnen, auch Nanny weiß Sie mehr zu lieben, als ich dachte. Gleich liierte ich mich mit ihr, sie war ganz klug. Sie wollen mir Bettina bitten, denken Sie!

Nanny Schleiermacher, die Halbschwester Friedrich Schleiermachers. – Henriette, dessen Frau, geb. von Mühlenfels, verw. gewesene von Willich: über ihre Beziehungen zu Marwitz siehe Brief 23. – Bettina Arnim verkehrte nicht oft bei Schleiermachers.


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