Rahel Varnhagen von Ense
Rahel und Alexander von der Marwitz in ihren Briefen
Rahel Varnhagen von Ense

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87.

Rahel an Marwitz.

[Juli 1812.]

Ich schreibe Ihnen nur, weil mir eingefallen ist, Sie können denken, ich sei krank nach meinem letzten Brief. ... Ich weiß, daß Sie das Fieber haben; was soll ich dazu sagen und dazu tun, als es auch in's Herz hinein legen und schweigen. Hätte ich im mindesten die Mittel dazu gehabt, so wäre ich schon bei Ihnen gewesen, hätte schon mit meinen Augen gesehen, was Sie machen, wie Sie aussehen, was Sie brauchen etwa! Aber so bin ich grade hinter meinen Rennstein gebannt und kann nicht um einen Spaziergang vorwärts oder rückwärts, ohne meine ganze Lage zu zerreißen und aufzugeben, und wie gern eigentlich, die ewig verhaßte! So geht der Sommer und jeder Mondschein hin, Rosen und alles, ohne daß wir nur einmal gescheit draußen waren. O, eitle Toren, die immer eine Zukunft bereiten, die wir nie als Gegenwart zu genießen verstehn den edlen Mut haben; und so geschieht uns nur Recht. Sie sehen mein vergälltes Herz, erleuchtet von einem Geiste, der ganz angesättigt von bösen Einsichten wie von argen Dünsten und Materien es so grünbraun erscheint. So sollte man keinem Fiebernden schreiben. – Als Mutine vorgestern weg war, kam Madam Schleiermacher zu mir, die sehr einfach, sehr wahrhaft, sehr gütig gegen mich war und sehr hübsch, auch recht gesprächig und lebendiger als meist. Ich war sehr wahr gegen sie, über alle Schedens, Harscher und dgl. Ich zeigte und sagte ihr mein Blasiertsein über schlechte Behandlung, und wie ich zu zerstreut wäre mich darin noch zu fügen, und überdrüssig mich Jahrtausenden der Dummheit zu legitimieren, als das was sie ewig nicht sein wird und ist und dennoch zu fordern meint und sich erdreistet. Sie ist ganz klar über Harscher, erwägt sein Bestes und kennt ganz seine Eitelkeit, die in seinem besten Blute sich mischt und als feiger, dreister Dieb mit durch die feinsten Adern bis ans edelste Herz läuft. Wir haben uns Promenaden verabredet, die Hasenheide, Kommandant Bouché, Schöneberg; es platzregnet aber täglich. Adieu. Könnten Sie mir ein Wort von sich zukommen lassen? Herr von Gerlach oder Herr Salemon können es ja schreiben. Ich bitte.

R. R.

Gestern Morgen um sieben steht ein junger Mensch vor meinem Bette; es war die Capitainin, sie ritten gestern morgen ab. Adieu!


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