Johann Gabriel Seidl
Bifolien
Johann Gabriel Seidl

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IX.

Vater und Kind.

                Der König kommt aus der Schlacht nach Haus,
Den rasselnden Panzer zieht er aus,
Schnallt ab das Schwert, gesättigt von Tod,
Stellt hin die Lanze, von Blut noch rot.

»Hab',« spricht er, »ein gut Stück Arbeit vollbracht,
Gebrochen liegt meines Feindes Macht,
Und mancher der Väter sucht sein Kind,
Und manche der Mütter weinet sich blind.« –

Sein Auge, das erst gedroht so wild,
Vergißt des Grolles und leuchtet mild:
Sein Wort, erst Donner, nun Flötenton,
Besorglich fragt es: »Wo ist mein Sohn?

Mein Sohn, mein Kind, mein Erbe, mein Glück?
Wie lang' entbehrt' ihn des Vaters Blick!« –
Der Höfling erwidert ihm nicht zu Dank:
»Dein Sohn, Herr König, ist krank, todkrank!«

»»Todkrank?«« Da stürzt er mit bangem Sinn
Ins dumpfige Zimmer zum Lager hin;
Matt strahlet die Lamp' auf des Knaben Gesicht,
Noch matter strahlet sein Lebenslicht:

»Mein Sohn, mein Kind, mein Erbe, mein Glück,
Mit welchem Land kauf' ich dich zurück?
Nein, Tod, das forderst du nicht, nein, nein!
So ungerecht kann der Tod nicht sein!«

Da liegt der König vor seinem Kind,
Er selbst ein Kind, das in Tränen zerrinnt,
Und klagt, was er tausend Eltern getan,
Da ihm es droht, als ein Unrecht an.

 
Der Händedruck.

        Einst hatt' ich manche Hand zu drücken,
In der ein Puls der Freundschaft schlug,
Die fremdes Leiden und Entzücken
In meine magisch übertrug.

Da war's noch jener Druck voll Leben,
Der, wie man glaubt, zur Seele dringt,
Und uns, zur Stunde recht gegeben,
Um ein Jahrzehent näher bringt;

Noch jener Druck, der Blick und Worte,
Der Brief und Eidschwur uns erspart,
Und bis zur stillen Grabespforte
Das Herz dem Herzen treu bewahrt.

Nun drück' ich auch wohl manche Hände,
Doch ist es jener Druck nicht mehr;
Als ob ich keine Hand mehr fände,
Die so recht treu zu drücken wär'.

Will ich die eine herzlich fassen,
So spür' ich einen Ring daran,
Der fast mich warnt, die Hand zu lassen,
Die ganz nicht mein mehr heißen kann.

Und lang' ich nach der andern lieber,
Fühlt sie so kalt und rauh sich an,
Wie eine Marmorhand, worüber
Die Zeit ihr Staubgewebe spann.

Und an der dritten fühl' ich Schwielen,
Die vierte riecht nach Sterblichkeit,
Und diese scheint im Druck zu spielen,
Und jene nimmt sich nicht die Zeit.

Ach, daß ich eine wiederfände
Mit jenes Druckes warmer Spur!
Doch was verklag' ich andre Hände?
Am Ende liegt's an meiner nur.


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