Johann Gabriel Seidl
Bifolien
Johann Gabriel Seidl

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III.

Die Statue.

          Vor der Burg des Königs schreitet auf und nieder ein Trabant,
Schwenkt die blanke Partisane drohend in der starken Hand,
Und, ein immerwacher Argus, schickt er seine Augen aus,
Daß sich nichts Verdächt'ges nahe dem geweihten Königshaus.

Und geführt von einem Kinde kommt ein Bettler alt und krank,
Läßt sich vor der hohen Pforte nieder auf die Marmorbank,
Tut sich gütlich an den Strahlen, die so mild durchglüht den Stein,
Denkt nicht an das Haus des Königs, denkt nur an den Sonnenschein;

An die lauen Lenzeslüfte, die so lind und labend wehn,
An die saftig grünen Bäume, die so augerquickend stehn; –
Wie der Argus den erschauet, streckt er seine Lanze vor,
Gleich als wollt' ein Ungeheuer lagern sich vorm Königstor.

»Schmutz'ger Bettler,« schreit er grimmig, »willst du gehn? Ich rat' es dir!
Glaubst du, diese Marmorbänke stehn für deinesgleichen hier? –
Ritte plötzlich jetzt der König so vorbei im stolzen Trab,
Eine schöne Statue wahrlich gäbst du an der Pfort' ihm ab!« –

»»Laß die Statue hier nur bleiben,«« spricht gar mild ein hoher Mann,
Der, vom Argus übersehen, zu den beiden ritt heran. –
»Ha, mein König!« – »»Ja, dein König, – König dieses Mannes auch,
Mit ihm teilend Bank und Bäume, Sonnenschein und Frühlingshauch.

Bleibt nur sitzen, guter Alter, solche Statuen da, wie Ihr,
Sind dem Hausherrn eine Lehre, wenn dem Haus gleich keine Zier;
Gäb' es Gott, daß einst ich jedem, der hier dürftig zugekehrt,
Mehr und baß gewähren könnte, als ihm Sonn' und Luft gewährt!«« –

 
Der fremde Hund.

          An jedem Morgen scharrt' und winselt'
Ein fremder Hund vor meiner Tür;
Mich sucht' er, seinen Herrn verlassend,
Nicht wußt' ich, was ihn lockt zu mir;
Er schmiegte traut sich mir zu Füßen,
Und blickte klug mich an dabei,
Und leckte dankbar mir die Hände, –
Treuloser Hund, wie bist du treu!

Oft jagt' ich ihn von meinem Tische,
Der wenig trägt für solchen Gast;
Oft schreckt' ich ihn mit barschem Rufe,
Wenn er mir naht' in froher Hast;
Oft ließ ich es ihn fühlbar merken,
Daß ich sein wahrer Herr nicht sei,
Er tat, als wollt' er mir's nicht glauben, –
Treuloser Hund, wie bist du treu!

Oft schlug ich ihm in kalten Nächten
Das Haustor vor der Nase zu;
Er knurrte traurig auf der Schwelle,
Dann legt' er sich im Schnee zur Ruh'.
Hat doch beim Bette seines Herren
Zu Haus am Ofen weiche Streu,
Und blieb im Schnee vor meinem Tore, –
Treuloser Hund, wie bist du treu!

»Abscheulich Tier!« so dacht' ich manchmal,
Und hatt' es in der Tat doch gern,
Und hatt' es täglich um so lieber,
Je ungetreuer es dem Herrn;
Und wagte – schalt es jemand drüber, –
Es zu verteid'gen ohne Scheu,
Und rief, wenn's wedelnd mich umhüpfte:
»Treuloser Hund, wie bist du treu!« –

Doch einmal kam der Hund nicht wieder,
Blieb heute, blieb mir morgen fern,
Und übermorgen sah ich folgsam
Ihn wandeln hinter seinem Herrn.
Er lief, als ob er's nicht mehr kennte,
An meinem Hause rasch vorbei,
Auf seinen Herrn den Blick gerichtet,
Ihm erst so treulos, jetzt so treu.

So sah ich Tag für Tag ihn immer.
Einst lockt' ich ihn mit leisem Ton;
Er schien mich nie gekannt zu haben,
Wies mir die Zähn' und lief davon.
»Du braver Hund!« so mußt' ich sagen,
Und dennoch tat mir's weh dabei:
Ich pries ihn treu, solang' er treulos,
Und schalt ihn treulos, seit er treu.


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