Johann Gabriel Seidl
Bifolien
Johann Gabriel Seidl

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II.

Der Schatz von Toledo.Dieser Stoff ist in zahlreichen alten spanischen Romanzen behandelt, und aus einer solchen dürfte ihn auch Seidl geschöpft haben. Eichendorff hat eine derselben unter dem Titel »Herkules' Haus« (Gedichte, 2. Aufl., 1843) übersetzt. Die Volksmuse suchte das Nationalunglück Spaniens, den Einbruch der Mauren (Schlacht bei Xeres de la Frontera, 711 nach Chr.) zu erklären und zu begründen, indem sie dem letzten Gotenkönig Rodrigo eine Reihe derartiger Freveltaten zuschrieb.

                Innerhalb Toledos Mauern
Stand, umweht von ernsten Schauern,
Ein Palast, seit alten Tagen
Vielberühmt in Lied und Sagen.

Die gebräunten, festen Türme
Strebten auf ins Reich der Stürme;
Die gewalt'gen Marmorglieder
Reichten in die Erde nieder.

Schauerliche Pforten hingen
In den dicken Angelringen,
Rost'ge, riesenhafte Riegel
Lagen vor, wie ehrne Siegel.

Doch die Riegel zu erbrechen
Mochte niemand sich erfrechen,
Denn geheimnisvolles Grauen
Weckt' es, nur sie anzuschauen.

Auch verpflanzt von Mund zu Munde
Lief gar eine düstre Kunde:
Daß des Landes Heil und Segen
Sei an diesem Bau gelegen.

»Keiner,« – also war die Kunde, –
»Wage, was, zu böser Stunde,
Zauber dort versperrt mit Riegeln,
Gottesräubrisch zu entsiegeln.

Was es sei, woran es hange,
Daß davor dem Volke bange,
Weil's die Zeit verschleiert eben,
Soll den Schleier niemand heben!« –

Doch ein König kommt zu Throne,
Der da, stolz auf seine Krone,
Was Jahrhunderte geachtet,
Lüstern zu ergründen trachtet.

König Rodrich sieht die Türme
Ragen ins Gebiet der Stürme;
Lächelnd ob der Sage Worten,
Sprengt er die gewalt'gen Pforten.

Kalte Moderlüfte zogen
Durch die feuchten Mauerbogen,
Daß die Mannen drob erblassen,
Nicht voran sich hetzen lassen.

Selber, weil er's will ergründen,
Muß den schauerlichen Schlünden
Mit der Fackel, mit dem Degen
König Rodrich gehn entgegen.

Von den Wänden tropft's, wie Tränen,
Flattert Moos, wie graue Mähnen,
Auf dem Boden durcheinander
Huschen Schlang' und Salamander.

Treppen auf und Treppen nieder
Tappt er hastig hin und wieder,
Bis, gesprengt von Axt und Hammer,
Auf sich tut die letzte Kammer.

Gold und Steine zum Erblinden
Hofft er endlich hier zu finden,
Denn gar sonderbare Bilder
Zieren Wänd' und Marmorschilder.

Auf der Hämmer Fragen tönet
Hohle Antwort; splitternd dröhnet
Jetzt die Wand im Hintergrunde,
Rodrich jubelt ob dem Funde.

Doch auf schwarzer Tafel stehen
Goldne Lettern, klar zu sehen,
Leicht zu lesen, wohl zu fassen,
Daß die Mannen drob erblassen:

»Ein Geschlecht, wie ihr, das, raubend,
An das Heiligste nicht glaubend,
Ruhm durch Hochmut will erwerben,
Wird Hispanien verderben!« –

Rodrich lacht auch dieser Worte,
Wütend eilt er von dem Orte,
Denn er denkt mit seinem Eisen,
Daß es Lug sei, zu beweisen.

Doch am heißen Tag bei Xeres,
Unterm Schwert des Maurenheeres,
Lernten blutend er und alle,
Daß der Hochmut kommt vorm Falle.

 
Das neue Haus.

                  Meinen Fenstern gegenüber
Stand einmal ein neues Haus,
Niemand sah noch zu den Scheiben,
Niemand ging zum Tor heraus.

Einsam ragten noch die Wände;
Weder Wiege, weder Sarg
Stand noch in dem öden Innern,
Das ein hohles Echo barg.

Doch wenn ich zur Dämmerstunde
Jählings oft hinübersah,
War es mir, als stünd' am Fenster
Eine blasse Jungfrau da.

Und wenn ich in stillen Nächten
Hinblickt' auf das öde Haus,
Leuchtet' es wie rote Kerzen,
Aus den Zimmern oft heraus. –

Endlich ward's im Haus lebendig,
Leute zogen aus und ein,
Waren mir nicht sehr willkommen;
Sahn ins Zimmer mir herein.

Und ich zog vor meine Fenster
Linnendecken grün und dicht,
Und sie sahen nicht, was hüben,
Und ich sah, was drüben, nicht.

Doch in einer Dämmerstunde
Fühlt' ich einst ein süßes Graun,
Und ein Drängen und Verlangen,
Auf das neue Haus zu schaun.

Durch den Vorhang späht' ich leise,
Späht' und sah ein schönes Bild
An den Scheiben sinnend lehnen,
Geisterblaß und engelmild.

Mondenschimmer überstrahlte
Sanft der Leidenden Gesicht,
Und ich sandt' ihr viele Grüße,
Ob sie's merkte, wußt' ich nicht. –

Und so fühlt' ich einst ein Drängen
Spät in schwarzer Mitternacht,
Nach dem Fenster hinzuschauen,
Ob die Blasse wohl noch wacht.

Flackernd strahlten düstre Kerzen
Durch des Vorhangs dünnen Flor,
Zehen Sternen gleich, die rötlich
Glühn aus Nebeldunst hervor.

Schaudernd wacht' ich bis zum Morgen,
Blickte bang aufs neue Haus: –
Einen Sarg, geschmückt mit Blumen,
Trugen Jungfraun still heraus.


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