Johann Gabriel Seidl
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Johann Gabriel Seidl

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VIII.

Die sieben Jungfrauen.

              Ihr sieben Jungfraun, weh euch dort
Auf eurem Felsenneste!
Die Keuschheit ist ein schwacher Hort,
Wo Frechheit sitzt zu Feste.
Und wärt ihr rein wie Märzenschnee,
Viel Schnee ist schon zerflossen;
Denn was dort flimmt, ein Flammensee,
Sind Attilas Genossen.

Sie ziehn heran, sie ziehn herauf
Des Schwarzwalds breiten Rücken,
Ruin bezeichnet ihren Lauf,
Und Wut entstrahlt den Blicken.
Schon sahn sie rot im Sonnenschein
Das Schloß am Felse kleben,
Wo jene Jungfraun hold und rein,
Gleich sieben Heil'gen, leben.

Schon haust im öden Felsenschloß,
Wo sonst nur Psalme schallten,
Ein frecher, böser Hunnentroß
Mit zügellosem Walten.
Von Becherklang und Zechersang
Erdröhnt's mit wildem Wüten;
Die sieben Jungfraun zittern bang,
Wie zarte Frühlingsblüten.

Getrost, ihr Jungfraun! Steht ja doch
An heil'ger Waldesstelle,
Zu schirmen euch vor Frevel, noch
Die nahe Bergkapelle;
Wohl hat sie euer Vater euch
Vorahnend aufgebauet,
Auf daß ihr fest und glaubenreich
In Nöten ihr vertrauet.

Nur einem alten Diener kund,
Gehaun in engem Bogen,
Ist tief im finstren Bergesschlund
Ein Pfad zum Wald gezogen.
Die Jungfraun fliehn auf diesem Gang,
Und hören oft ein Schüttern,
Wenn ob der Heiden Lustgesang
Des Berges Rippen zittern.

Ach Gott! da braust's auf gleichem Pfad
Hinab, ein grimmer Drache,
Voran als Führer der Verrat,
Und hinterdrein die Rache.
Die Mägdlein vorn, die Hunnen drauf,
Hinaus zum Waldesporte;
Das Kirchlein nimmt die sieben auf,
Zuklappt die ehrne Pforte.

Doch schreckt die Frechen das nicht ab:
Was Gott und was Kapellen?
Wut gebe, was Verrat nicht gab,
Sie gehn, das Tor zu fällen.
Zu Hebeln wird der böse Sinn,
Zu Äxten die Begierde,
So strecken sie geschäftig hin
Der Eichen stolze Bürde.

Schon wälzt sich lang zum Wald heraus,
Gelenkt durch trunkne Zecher,
Um zu entweihn das Gotteshaus,
Ein mächt'ger Pfortenbrecher.
Schon bäumt er sich, schon fällt er vor,
Zu schänden die Kapelle.
Umsonst – da läßt nicht Spalt, noch Tor,
Sich mehr erspähn zur Stelle.

Geschlossen sind durch Gottes Macht
Die Pforten wie die Scheiben,
Das Kirchlein ward zum Felsenschacht,
Und trotzt dem eitlen Treiben.
Zur Tann' an moosumwachsnem Spring
Erblich des Kreuzes Schimmer,
Und wo noch erst das Glöcklein hing,
Nickt ödes Steingetrümmer.

Doch aus des Wunderschachtes Mund
Ertönt ein seltsam Klingen,
Recht um aus tiefem Bergesgrund
Zum Herzensgrund zu dringen;
Das sind die Jungfraun hold und rein,
Die singen aus den Steinen:
»Und müßt' es durch ein Wunder sein,
Der Herr beschützt die Seinen!«

 
Geständnis.

Heureuse la beauté, que le poète adore!
A. de Lamartine.  

                        »Ja, – Cynthia, so murmelt noch die Flut
Des Anio durch Tiburs Felsgesteine,
Noch lispelt's: Laura! in Vauclüsens HainePetrarcas Geliebte Laura war die Tochter des Audibert von Noves, und schenkte ihrem Gatten Huge de Sade 11 Kinder. Ihre Heimat war unweit von Vaucluse am Ufer der Sorgue bei Avignon, wo Petrarca seit 1337 ein Landhaus bewohnte. Sie starb 1348 an der Pest.,
Und wenn schon lange dies Jahrhundert ruht,
Wird in Ferraras stolzen Marmorhallen
Eleonoras Name noch erschallenGemeint ist die Prinzessin Eleonora, Schwester des Herzogs Alfonso von Ferrara, an dessen Hofe Torquato Tasso seit 1565 weilte (vgl. Goethes Tasso)..

Beglückt die Schönheit, die ein Dichter liebt,
Beglückt der Name, den sein Mund besungen!
Er schwebt lebendig noch auf Engelszungen,
Er bleibt ein Stern, den keine Wolke trübt;
Was man vom Dichter mag Erhabnes sagen,
Teilt ihr sich mit, für die sein Herz geschlagen!« –

So rief im Selbstgefühl ein Dichter aus. –
Ich kann die Schönheit drum nicht glücklich preisen,
Und wänd' auch ein Petrarc aus seinen Weisen
Ihr einen ewig duft'gen Liederstrauß;
Oft muß sie ihrer Zukunft goldne Strahlen
Mit einer düstren Gegenwart bezahlen!

Das Herz der Schönen haftet an der Welt;
Sie können dulden, wollen aber glänzen; –
Der arme Sänger schwärmt von Kron' und Kränzen,
Wenn keine Sonn' auch in sein Stübchen fällt.
Gehuldigt will das Weib dem Gatten wissen, –
Er singt sein Lied auch zwischen Felsenrissen.

Die Schöne will dem Dichter alles sein, –
Er aber hat der Muse sich verschrieben;
Er dichtet nicht, als müßt' er's, um zu lieben,
Oft, um zu dichten, liebt er, scheint's, allein;
Die Fraun verlangen ganz des Mannes Busen,
Sonst eifern sie, und wär's auch mit den Musen.

Wir sind ein sonderbares Volk fürwahr:
Wir wissen manchmal selbst uns nicht zu fassen,
Oft wollen wir uns störrig schelten lassen,
Oft legen wir die Seelen offen dar;
Und will man uns um unser Innres fragen,
So können wir's wohl singen, doch nicht sagen.

Gar kluge, treue Augen tun uns not,
Die leicht bemerkend leicht auch übersehen,
Die, wo ein andres blind ist, uns verstehen,
Und mild uns schonen, wo ein andres droht;
Und fast nicht kleiner, als des Dichters Streben,
Ist auch die Kunst, beglückt mit ihm zu leben.

Für glücklich halt' ich drum die Schönheit nicht,
Nur weil sie vielbeneidet lebt im Liede;
Es hieß gewiß nicht jedes Blättchen ›Friede‹
Am Lorbeerzweig, der Lauras Stirn umflicht,
Und zitternd mochte wohl an Tassos Kränzen
So manche Trän' Eleonoras glänzen!


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