Johann Gabriel Seidl
Bifolien
Johann Gabriel Seidl

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V.

Der Skalde.

                »Muß ich's denn immer hören, wohin mein Fuß auch eilt,
Wie sich ins Lob der Dänen der Skalde mit mir teilt?
Wo meinen Namen sie nennen, dort nennen sie seinen auch,
Sie jubeln ihm entgegen, wie's gegen uns der Brauch.

Ich leite von den AsenGöttergeschlecht der nordischen Mythologie, dem Odin, Thor, Baldur u. a. Götter angehörten. mein unentweiht Geblüt;
Was ist der Skald'? Ein Dichter, hat nichts als sein Gemüt! –
Ich strecke den goldnen Zepter hinaus bis in die Flut;
Sein Reich ist seine Laute, – was er ersingt, sein Gut.

Ich mag's nicht länger dulden, daß man ihn mir gesellt,
Ein toller Mißbrauch ist es der kindgewordnen Welt!
Entweder soll er schweigen, – wo nicht, so lehr er's mich;
Ich will's den Leuten zeigen, kann er's, so kann's auch – ich!«

Der König Frotho ruft es, der Skalde naht dem Thron,
So stolz und so bescheiden, ein echter Liedersohn.
Zum Lied die Laute stimmend, wie Sängerbrauch es ist,
Begrüßt er seinen König, der lang' und ernst ihn mißt.

»Du also bist der Meister, den ich beneiden muß,
Der alles mit mir teilet, der Dänen Gunst und Gruß?
Ich aber sag' dir, Skalde, stell du dein Singen ein,
Was mir allein gebühret, das fordr' ich auch allein!« –

»Herr,« spricht der Skalde ruhig, »ich beuge mich vor dir;
Doch, wann ich lebe, zu schweigen, das, Herr, steht nicht bei mir!
Du kannst mit dem Pfeil wohl schießen den Vogel aus hoher Luft,
Doch, wann er lebt, nicht hindern sein Lied, wenn der Lenz ihm ruft.

Und wenn der Vogel blutend zu deinen Füßen sinkt,
Du kannst es auch nicht wehren, daß manche Trän' ihm blinkt;
Kannst nicht sein Lied verbannen aus jedes Menschen Ohr:
Man schätzt das Schöne noch höher, sobald man es verlor!« –

Nachdenkend hört es Frotho. – »Es mag so,« spricht er, »sein;
Will dir dein Singen gönnen, nur sollst du's nicht allein!
Zuvortun soll mir's keiner; der, den man rühmt, sei – ich,
Im Liede, wie im Kampfe! Drum komm und lehr es – mich!«

Fast muß der Skalde lächeln, er schickt getrost sich an;
Bald lernte Frotho fühlen, daß er's nicht lernen kann.
Und immer lauter schallen, wie Hohn, aus des Volkes Chor
Des Skalden mächtige Lieder in seine Burg empor.

»Ha, Bube,« ruft er wütend, – »Neid ist es, Neid von dir,
Du willst es mich nicht lehren, – nimm hier den Lohn dafür!« –
Er stößt ihm den Dolch ins Leben, des Skalden Auge bricht: –
Er konnte den Dichter töten, doch dichten konnt er – nicht.

 
Männerwaffen.

            Nie ohne Waffe sei der Mann!
Ich meine nicht das Schwert,
So sehr es ihn auch ehren kann,
Wenn er es selber ehrt.
Doch andre Waffen gibt es noch
Von Gott ihm umgeschnallt,
Die leihn ihm selbst im Sklavenjoch
Beherrschende Gewalt.

Solch eine Waff' – es ist sein Geist,
Der ruhig klare Sinn,
Der alles Niedre von sich weist,
Gekehrt zum Höchsten hin;
Der, wenn des Schicksals Druck ihn preßt,
Ein Fels, entgegenstarrt,
Nicht haarbreit von dem Rechten läßt,
Und treu sich selbst beharrt.

Solch eine Waff' – ist sein Gefühl
Sein volles, warmes Herz,
Verschlossen eitlem Tränenspiel,
Geöffnet wahrem Schmerz.
Das echter Freude gern sich freut,
Und echte Liebe liebt,
Und selbst für alle Herrlichkeit
Nicht einen Gram vergibt.

Solch eine Waff' – es ist sein Wort,
Das Echo seines Sinns,
Ein festes Schloß, ein sichrer Hort,
Kein Spielball des Gewinns.
Zur rechten Stund' am rechten Platz
Da hält es ehern stand,
In armer Zeit ein reicher Schatz,
Und bessrer Zukunft Pfand.

Das sind die Waffen, die der Mann
Zu führen wissen soll,
Mit diesen kämpf' er furchtlos an,
Gerechten Stolzes voll.
Die leg' er im Gefecht der Welt
Nie eingeschüchtert ab,
Die nehm' er, als ein echter Held,
Einst mit sich in das Grab!


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