Johann Gabriel Seidl
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Johann Gabriel Seidl

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V.

Ännchen von Tharau.

                Zur Pastors-Tochter, Ännchen von Tharau, ins Gemach
Trat einst zur Morgenstunde der Dichter Simon Dach.Simon Dach (geb. 1605, † 1659), Professor der Dichtkunst an der Universität Königsberg, ist der Verfasser des bekannten, noch heute volkstümlichen Liedes »Anke von Tharau« (Ännchen von Tharau). Er schrieb es im Namen seines Freundes, des Pfarrers Portatius anläßlich von dessen Hochzeit mit Anna Neander.
Sie stand am Gartenpförtchen vor einem Marmortisch,
Und auf dem Tisch ein Körbchen mit Blumen bunt und frisch.

Sie hatt' ein seiden Mieder voll buntem Zierat an,
Ein blauer Saphir glänzte bedeutsam vorne dran;
Doch ihren dunklen Locken, der Zeit zuvor geschmückt,
War gar ein herzig Kränzlein von Astern aufgedrückt.

Ein Perlenarmband küßte das weiße Handgelenk:
So stand sie lächelnd, einzig nur ihres Schmucks gedenk.
Und hinten durch das Gitter kam leise Simon Dach,
Schlich hin, besah sie schweigend und seufzte tief und sprach:

»Mein Ännchen, lächelnd stehst du, dein Reiz ist deine Welt,
Du dünkst dich wie die Blumen, so du als Zier bestellt;
Du freust dich, daß die Wangen dir wie die Rosen blühn,
Daß deine lieben Augen wie helle Sterne glühn.

Du bist mit deinen Locken vorausgeeilt der Zeit,
Und daß man drum dich ansieht, das ist es, was dich freut.
Ein Saphir schmückt dein Mieder, den dir ein andrer gab,
Das ist's nun, was ich freilich dir nicht zu geben hab'.

An deinem Händchen schimmert ein buntes Perlenband,
Das dir mein Nebenbuhler, um mich zu höhnen, wand.
O Ännchen, einst mein Schätzchen, mein Schäfchen und mein Huhn,
Tu, was dein Herz gelüstet, – doch glaubst du recht zu tun?

Der mir dein Herz entwendet, ist reich – und das ist viel,
Er gibt dir Perl' und Saphir und Gold und Modespiel;
Doch Perl' und Stein erblindet, und Gold ist ungetreu,
Und mit den Reizen ist auch das Modespiel vorbei.

Ich bin ein armer Dichter, heiß' aber Simon Dach,
Und wohl durch hundert Jahre klingt noch mein Name nach;
Und Ännchen heißt das Mädchen, so sich der Dach ersehn,
Und mit ihm wird sein Ännchen durch hundert Jahre gehn.

Laß uns mitsammen wandern durch Deutschlands Süd und Nord,
Wohin wir immer kommen, – ich adle dir den Ort.
Das Leid durchs Lied gemildert ist nur VerknotigungBetrübnis und Pein
Soll unserer Liebe Verknotigung sein.
                                          (Simon Dach.)
,
Und Lieb' und Leben machen uns noch als Greise jung.

Und wenn ich, Ännchen, sterbe, sei mir nicht nachgeklagt,
Daß man die Witib wegwirft wie eine Bettelmagd;
Dann sollst du erst erfahren, was doch dein Simon galt;
Denn erst im Tode wird ja uns Dichtern abgezahlt.

Dann setzt man uns die Steine, die man als Brot uns gab,
Mit reuigem Bekenntnis als Denkmal auf das Grab;
Dann gilt dir jedes Briefchen, das ich dir schrieb, für Gold,
Und die den Mann beneidet, sind dann dem Weibchen hold.

Dann fragen dich die Mädchen, wie denn ein Dichter liebt,
Und ob er denn auch wirklich, was er besang, geübt?
Und wo du gehst, da flüstert's in frommer Scheu dir nach:
Das Ännchen ist's von Tharau, das Weib des Simon Dach!«

So spricht zu seinem Ännchen der Dichter tief erregt,
Und wähnt, dieweil sie weinet, auch ihre Brust bewegt;
Doch kaum, daß er gegangen, lacht sie mit eitlem Sinn,
Und gibt sich treuvergessen dem reichen Freier hin.

Doch Simon Dach verbleibt ihr getreu bis in den Tod,
In Lieder nur ergießt er des Herzens herbe Not;
Und daß noch jetzt des Ännchens von Tharau wird gedacht,
Hat nicht das Gold des Reichen, – hat Simons Lied gemacht.

 
Dichterlos.

        In Gesellschaft war ich neulich,
Und in feiner noch dazu,
Man empfing mich höchst erfreulich,
Lobt' und pries mich ohne Ruh'.

»Über Ihre schönen Verse!
Ach, Ihr jüngstes Klinggedicht!
Traun! um eine volle Börse
Glückte solch ein Stück mir nicht.

Sie sind wahrlich zu beneiden,
Gott hat Sie doch recht geliebt,
Daß er ihnen Leid und Freuden
Also zu verschönern gibt!

Kein Begebnis geht vorüber,
Das Ihr Geist nicht groß erfaßt; –
Und die goldnen Berge drüber,
Sagt man gleich, daß Ihr sie haßt!«

Also klang es mir entgegen;
Und gewähren ließ ich sie,
Zürnend dem verkehrten Segen,
Den die neid'sche Kunst mir lieh.

Mit bescheiden ernsten Mienen
Dankt' ich, sprach ich, beugt' ich aus;
Doch sie glaubten mir zu dienen,
Wänden sie mir Strauß um Strauß:

»Ach! und in den Minneliedern,
Die Sie kargend hingestreut,
Welch natürliches Zergliedern
Der verliebten Seligkeit!

Traun! wer Sie nicht kennt, der meinte,
Daß Sie wirklich Flammen sprühn,
Daß Ihr Auge wirklich weinte,
Ihre Pulse wirklich glühn!

Daß dies Mädchen, das wir lieben,
Weil Sie's lieben, leb' und sei,
Daß Sie wirklich ihm verschrieben,
Daß Sie wirklich nimmer frei.

Ei! wie doch die Dichter lügen,
Glauben machen, was nicht ist,
Und uns mit der Wahrheit Zügen
Lockend schmücken ihre List!« –

Also mußt' ich sie vernehmen,
Und nicht länger hielt ich's aus;
War es Unmut, war es Grämen,
Doch es trieb mich aus dem Haus.

Trieb mich fort, hinaus ins Freie,
Wo mich Gott nur hört und ich. –
Tor! so rief ich, das die Weihe?
Und noch immer täusch' ich mich?

Was ich so, so warm gesungen,
Wenn so warm nicht, doch so wahr,
Schilt man Modehuldigungen,
Die die Eitelkeit gebar?! –

Liedern, Tropfen meines Blutes,
Teilen meiner Wesenheit,
Pfändern meines Jugendmutes,
Zeugen meiner Seligkeit;

Liedern, die ich für die eine,
Die mein Herz allein bekennt,
Rückzulegen dacht' als Steine
Für ihr einstig Monument;

Die ich, wenn ich eher sterbe,
Als ich in ihr aufgelebt,
Aufzusammeln dacht' als Erbe,
Das man nicht mit mir begräbt;

Diesen Liedern, armer Sänger,
Hält die Welt ein solch Gericht?! –
Haltet ein, ihr Herrn, nicht länger!
Nennt sie schlecht, – nur Lüge nicht!


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