Johann Gabriel Seidl
Bifolien
Johann Gabriel Seidl

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Seiner Kaiserlichen Hoheit dem Erzherzoge

Johann Baptist von Österreich.

Widmungsgedicht zur Ausgabe letzter Hand.

(Fünfte Aufl. Wien, Pfautsch und Voß, 1855.)

            Wer an die Höhn gewöhnt ist, wer von oben,
Wie du so oft, herabgeblickt ins Tal,
Der weiß, daß, während unten Wetter toben,
Der Alpe Gipfel glänzt im Sonnenstrahl.

Was durch Jahrzehnte kommen mocht' und gehen,
Ob schlimm, ob gut, ob stürmisch oder mild,
Es gleicht sich aus, von oben angesehen,
Und unverändert bleibt der Landschaft Bild.

O möchte solchem Eindruck der auch gleichen,
Den dieser Strauß »Bifolien« auf dich macht,
Den dir, als treuer Huld'gung schüchtern Zeichen,
In seinem Lenz ein Dichter dargebracht.

Es ist an ihm auch viel vorbeigegangen,
Viel, wie an allen, die mit ihm gelebt;
Doch fest an seinem Ideal zu hangen,
Erhob ihn einst, – ist's, was ihn noch erhebt!

Drum, wenn er jetzt dir seinen Strauß, vom Strahle
Des Herbstes matter gleich vergoldet, schickt,
Blick ihn so freundlich an zum fünften Male,
Wie du zum erstenmal ihn angeblickt!

 
Wien, am 24. Juni 1855.

 

Scilla bifolia.

      Zwei Blätter an einem Stiele,
Das ist der Bifolien Art;
So ist mit dem epischen Blättchen
Hier immer ein lyrisch gepaart.

»Gut! – Aber wo ist die Blüte?«
Wirft wohl ein Kenner mir ein;
Die Blüte soll die Empfindung,
Die draus euch anspricht, sein!


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