Johann Gabriel Seidl
Bifolien
Johann Gabriel Seidl

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VIII.

Der Lachschädel.

                  »Hab' euch in meinem Leben gar manchen Zoll gebracht,
Will nichts mehr von euch wissen, ihr Tränen, gute Nacht!
Habt nie mein Aug' gekühlet, gelindert nie mein Weh,
Erblinden will ich eher, als wieder weinen je.

Und lachen will ich, lachen, – wenn alles um mich weint,
Und lachen will ich, lachen, – wenn mir der Tod erscheint,
Und danken will ich's jedem, der noch ins Grab mir lacht;
Gut' Nacht, ihr falschen Tränen, – ich brauch' euch nicht, gut' Nacht!«

So sagt von allen Tränen einst Clepsanus sich los,
Und wirft, gebeugt von Schmerzen, sich in der Freude Schoß;
Als Minstrel mit der Zither durchzieht er Irlands Höhn,
Wo tolle Zecher lärmen, da ist er gern gesehn.

Er weiß so schnurrige Liedlein, daß schnell der Ernst entflieht,
Er schneidet so tolle Gesichter, daß jeder lacht, der's sieht;
Auf jedes Gauklers Brettern ist er ein willkommner Gast,
Ein Schalksblick auf die Leuten, so platzt die Bude fast.

Und Liebende, die weinten, sie lachten, wenn er erschien,
Und Grollende, die zankten, vergaßen des Grolls durch ihn,
Und trat er mitten durch Fackeln ins schwarze Leichenhaus,
Als wahrer Tränenbanner trieb er die Klag' hinaus.

Und doch schien seine Kurzweil nur tollgewordner Schmerz,
Wenn seine Lippen lachten, so war's, als weinte sein Herz. –
So grüßt' er einst mit Lachen den Tod in stiller Nacht,
Nachhallt' es in öder Kammer, als hätt' auch der Tod gelacht.

Schon lag er längst begraben, man sprach von ihm nicht mehr.
Die über ihn einst lachten, – still lagen sie um ihn her;
Da grub der Totengräber das Grab, worin er schlief,
Zurecht für einen andern, dem auch sein Stündlein rief.

Und einen Schädel zieht er aus halbvermorschtem Schrein,
Und lehnt ihn, emsig schaufelnd, beiseit' an einen Stein;
Jetzt rastet er vom Werke, blickt auf den Schädel hin,
Wie packt's ihn so gewaltig! Sitzt denn der Satan drin?

Das Grabscheit läßt er fallen, die Augen sperrt er auf,
Als lehnt' am Stein ein Wunder, so starrt er glotzend drauf;
Und lacht, die Lenden sich haltend, daß er sich biegen muß,
Und lacht schier zum Ersticken: »Das ist der Clepsanus!«

Da naht bei Posaunenschalle der düstre Leichenzug;
Sie ziehn vorbei am Steine, sie weinten lang' genug;
Kaum sehn sie nur den Schädel, so ist's um sie geschehn,
Ab leeren sie die Bahre und bleiben lachend stehn.

Da hilft kein Zerren und Sperren, wer nie gelacht, der muß,
Das Echo trägt's auf die Berge: »Das ist der Clepsanus!« –
Ein tröstlich Ding sind Tränen um einen verstorbnen Mann;
Als Clepsanus drauf verzichtet, tat er nicht wohl daran.

 
Liebesfrühling.

L'amour nait de rien et meurt de tout!

                    »Sieh! wie sie schmollen und sich härmen,
Sieh! wie sie glücklich sind durch nichts,
Wie sie sich necken, wie sie schwärmen,
Den Mücken gleich im Strahl des Lichts!

Sieh! wie sie luft'ge Schlösser bauen,
Schon halb Ruinen im Entstehn;
Wie sie der falschen Ferne trauen,
Und was vor ihnen liegt nicht sehn!

Ach! wie allmächtig, wie gebrechlich,
Bald reich, bald arm, bald Mann, bald Kind!
Wie sie sich grollen unaussprechlich,
Wie schnell versöhnt sie wieder sind!

Sie sind allein einander wichtig,
Sie denken, fühlen, sehn nur sich;
Und all ihr Treiben doch so nichtig,
Und all ihr Tun so lächerlich!« – –

O laß sie tändeln, laß sie dahlen!
Du warst ja, – oder wirst noch so.
Lenzlüfte sind das, Frühlingsstrahlen!
Wie's jeden freut, laß jeden froh.

Ist's doch nur eine kurze Wonne,
Vielleicht zerstört durch eine Nacht;
O laß sie spielen in der Sonne,
Dieweil doch Liebesfrühling lacht!

Wenn er einst kommt, der Ernst des Lebens
Mit seiner kalten ehrnen Hand,
Dann ist es ohnehin vergebens,
Und fruchtlos jeder Widerstand.

Nicht brauchst sie vorschnell du zu schrecken
Aus diesem lichten Wunderraum:
Das Leben selbst wird sie erwecken,
Und ach! dann folgt kein zweiter Traum.


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