Johann Gabriel Seidl
Bifolien
Johann Gabriel Seidl

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Zweite Lese.

Wann und wo sich's zugetragen,
Könnt' ich euch nicht immer sagen!
Eins nur weiß ich vorderhand:
Wann und wo ich's so empfand.

I.

Der König und der Landmann.

        Der Landmann lehnt in der Hütt' allein,
Und blickt hinaus in den Mondenschein,
Und schaut empor zu des Königs Palast,
Er weiß nicht, welch ein Gefühl ihn faßt.

»Ach, wär' ich ein König nur eine Nacht,
Wie wollt' ich schalten mit meiner Macht,
Wie ging ich umher von Haus zu Haus,
Und teilte den Schlummernden Segen aus!

Wie strahlte dann morgens so mancher Blick
Die Sonne zum erstenmal hell zurück!
Wie staunten einander die Glücklichen an,
Und meinten: das hat ein Engel getan!« –

Der König lehnt im Palast allein,
Und blickt hinaus in den Mondenschein,
Und schaut hinab auf des Landmanns Haus,
Und seufzt in das weite Schweigen hinaus:

»Ach wär' ich ein Landmann nur eine Nacht,
Wie gern entriet ich der drückenden Macht,
Wie lehrt' ich mich selber die schwere Kunst,
Nicht irr zu gehen mit meiner Gunst!

Wie wollt' ich ins eigene Herz mir sehn,
Um wieder es offen mir selbst zu gestehn!
Was tausend Hände mir nicht vollbracht,
Das wollt' ich gewinnen in einer Nacht!« –

So schaun sie sinnend beim Sternenlauf
Der König hinunter, der Landmann hinauf;
Dann schließen beide den müden Blick,
Und träumen beide von fremdem Glück.

 
Dichterfreuden.

          Siehst du die blauen Berge dort,
(Dein Blick erreicht sie kaum)
Und hinter ihnen fort und fort
Noch fernrer Berge Saum?

Und weiter noch im Dämmerlicht
Der fernsten Riesen Spur?
Sie schaun und zählen kannst du nicht,
Dein Aug' errät sie nur.

Auch dort bin ich genannt, gekannt,
Dort hört man, was ich sprach,
Und was ich still daheim empfand,
Dort fühlt mir's mancher nach.

Man macht sich dort von mir sogar
Aus meinem Lied ein Bild;
Der gibt mir schwarz, der braunes Haar,
Der glaubt mich mild, der wild.

Der denkt sich mich als Flattersinn,
Der als ein Herz voll Harm;
Ein andrer, wie ich eben bin:
Frisch, offen, weich und warm.

Ihr glaubt vielleicht, ich sage dies
Aus Stolz und Eitelkeit?!
Ihr tut mir unrecht, nein, gewiß, –
Ich sag' es, weil's mich freut;

Weil ich dem Himmel dankbar bin,
Daß er mich so geliebt,
Und meinem liederfrohen Sinn
Ein frohes Echo gibt.

Erquickt's doch gar so wundersam,
Verstanden sich zu sehn,
Und nicht mit Jubel und mit Gram
Vergessen dazustehn.

Wer eines Freundes Busen fand,
In dem er sich beschaut,
Der preist ihn, als des Glückes Pfand,
Vor allen Menschen laut;

Und ich verschwieg' es, wenn mir oft,
Fern über Berg und Wald,
Mein Lied als Willkomm unverhofft
Von fremder Schwelle schallt?

Wenn eine Mutter, die ich nie
Auf frühern Wege traf,
Mit meines Liedes Melodie
Ihr Kindlein wiegt in Schlaf?

Wenn sich ins Lied der Sennerin
Mein schlichtes Wort verwebt,
Und heimisch über Alpen hin
Als Abendreigen schwebt?

Wenn ein errötend Bräutchen mir
Verstohlen eingesteht,
Es hab' ein meinig Liedchen ihr
Den spröden Sinn verdreht?

Und wenn mir's oft wo unbewußt
So seltsam tönt zurück,
Als wär's ein Klang aus meiner Brust,
Als wär's von mir ein Stück?

Da sollt' ich schweigen? Nimmermehr!
Laut will ich es gestehn:
Erquickt's die Brust doch gar so sehr,
Verstanden sich zu sehn!

Da schwatze mir ein Träumer vor
Von Selbstgenügsamkeit,
Und wie er nur dem eignen Ohr
Die eignen Lieder weiht;

Und wie er nichts um andre frägt,
Und um das Lob der Welt,
Und wie er nur die Saiten schlägt,
Weil ihn der Gott beseelt.

Das denk' ich, ist der rechte Klang,
Der gern erwidert klingt,
Und wie er aus dem Leben drang,
Zurück ins Leben dringt.

Und wenn's der Sänger oft verspürt,
Daß es ihm so geschehn,
So mag er's dankbar und gerührt
Der Welt wohl auch gestehn.


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