Johann Gabriel Seidl
Bifolien
Johann Gabriel Seidl

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III.

Der Falschmünzer.

                      Der Scherge tritt zum Richter: »Herr, draußen steht ein Mann,
Von schwerer Schuld belastet klagt er sich selber an;
Sein Haar ist wirr, sein Antlitz verstört, sein Auge starr,
Und wär' er kein Verbrecher, ich meint': er wär' ein Narr!«

Der Richter heißt ihn kommen, der Scherge führt ihn vor. –
»Ihr Herrn,« beginnt der Fremde, »leiht mir ein gnädig Ohr!
Zu richten und zu strafen ist euer heilig Amt:
So hört denn mein Verbrechen, und richtet und – verdammt!

Die schwerste Schuld, wie heißt sie?« – Die Richter meinen: »»Mord!««
Der Fremde lacht: »Die garst'ge, nächst kleinere sofort?« –
»»Verrat!«« so meint der Richter. – Der Fremde lacht: »Und dann?« –
»»Falschmünzerei!«« so heißt es. – »Halt, Herr, nun sind wir dran!

Falschmünzerei! – da habt ihr's! Einseht, ihr klugen Herrn,
Die setzt ihr an als drittes? – Ihr hälfet mir wohl gern! –
Ich sage, sie ist ärger, als Mord, als Hochverrat!
Falschmünzer, ja das war ich, – beschönigt nicht die Tat!«

»»Falschmünzer?«« fragt der Richter, »»wo münztet ihr und wie?
Betriebt ihr's mit Genossen? Bekennt und nennet sie!«« –
Der Fremde spricht, wie höhnend: »Ihr Herrn verstellt euch nicht,
Blickt auf aus euren Büchern, blickt mir ins Angesicht!

Erkennt ihr drauf die Spuren von Frohsinn, Liebe, Mut?
Den Zug verwelkter Maien, die Kohl' erloschner Glut?
Das fing mit seinen Reizen ein unerfahrnes Kind,
Ein Kind, das gar nicht ahnte, was böse Menschen sind!

Das Mädchen gab mir Liebe, gab alles – alles mir,
Und was – merkt auf, ihr Herren, – was gab ich ihr dafür?
Ich münzte falsche Schwüre, – sie nahm sie an für bar;
Ich münzte falsche Tränen, – sie nahm sie an für wahr.

Ich münzte Treu' und Tugend – sie nahm sie an für Gold,
Und unecht, falsch, erlogen, war, was ich ihr gezollt.
Sie schien sich reich, sie prahlte mit dem, was ich ihr gab,
Doch als sie sich enttäuschte, da sank sie in das Grab.

Ein Mord, ihr Herrn, was ist er? – Das Eisen tötet schnell.
Was ist Verrat? – Er schlachtet sein Opfer auf der Stell'.
Falschmünzerei ist ärger, sie hält den Glauben hin,
Vergiftet das Vertrauen, verhöhnt den graden Sinn.

Drum sprecht, ihr Herrn, mein Urteil, ich bin darauf gefaßt,
Ich kann sie nimmer tragen die bange Sündenlast;
Allnächtlich hör' ich's donnern: ›Falschmünzer, kauf dich los!
Ersetz, ersetz!‹ – Unmöglich! – die Summ' ist allzugroß!« –

Die Richter stehn erschüttert und rufen insgesamt:
»Beratet's mit dem Himmel, das ist nicht unser Amt;
Wir richten nicht die Herzen, wir richten nur die Tat:
Für falsche Seelenmünze gibt's keinen Menschenrat!«

Da lacht der Fremde grinsend, da weint er wieder drein:
»O Unglück!« – ruft er, »unwert des Henkerbeils zu sein!« –
Er geht, und, was kein Richter ihm gab in seiner Not,
Gibt ihm, nach langer Buße, zuletzt der Gram, – den Tod.

 
Weltsinn.

        Es dreht der Menschen Streben
Sich um ihr eignes Heil;
Führt nur ihr Pfad sie eben,
Sei jeder andre steil.

Sie graben sich wie ehern
Ins eigne Selbst hinein,
Sind glatt für alles Nähern,
Für alles Fühlen Stein.

Du zeigst die Hand beflissen, –
Sie lachen deiner Müh';
Du zeigst die Brust zerrissen, –
Und Dornen reichen sie.

Du weisest auf Ruinen
Zerfallner Seelenruh', –
Sie sehn mit kalten Mienen
Dem letzten Falle zu.

Du zeigst, du könntest lieben,
Und fändest nur kein Herz, –
Sie schelten übertrieben
Und kindisch deinen Schmerz.

Du zeigst, du könntest schaffen,
Nur fehl' es dir am Sporn, –
Sie stumpfen dir die Waffen
Und trüben deinen Born.

Du zeigst dich warm fürs Gute,
Doch arm an gutem Rat,
Sie rütteln dir am Mute
Durch Spott und falsche Tat.

Was kümmert sie dein Weinen,
Und was, wozu es führt?
Du darfst dir glücklich scheinen,
Wenn's nur ein Ohr berührt.

Was kümmert sie dein Fehlen,
Dein Zweifeln und dein Mühn?
Wenn nur nicht ihre Seelen,
An gleichen Ketten ziehn.

Drum suche nicht bei andern
Belehrung, Rat und Licht;
Sie lassen jeden wandern,
Wohin –? sie kümmert's nicht.

Sie gönnen ihm die Reise,
Wohin es ihm behagt,
Wenn er nur ihrem Gleise
Nicht frech sich näher wagt.

Drum still, du Herz, da drinnen,
Sonst bist du schlimm bestellt:
Es läßt sich nichts gewinnen
Im Treiben dieser Welt!

Verschweige deine Freuden,
Verschweige deine Pein,
Vertrau' in Lust und Leiden
Zumeist auf dich allein!


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