Johann Gabriel Seidl
Bifolien
Johann Gabriel Seidl

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XI.

Der finstere Tänzer.

          »Mein liebes, dreimal liebes Kind,
Und ist es auch dein Ernst,
Daß du wie heute stets gesinnt
Dich nie von mir entfernst?
Daß du's mit mir im Leben wagst,
Und jedem schönren Glück entsagst? –

Denn was ich zähl', ist dieses Herz,
Kein Gut und Gold, wie du; –
Und was ich habe, Kind, – ist Schmerz,
Und was ich brauche – Ruh'!
Doch was ich lieb' und such' allein,
Bist du, mein Kind, und wirst es sein!

Mich ruft das Leben fort von dir;
Mir fällt es schwer zu gehn!
Uns wiedersehen werden wir,
Doch wie uns wiedersehn?
Als mein und dein, wie vor und eh'?
Ach, oder fremd zu Leid und Weh?« –

»»Wie nun und eh', wie mein und dein,
Wie Bräutigam und Braut,
Des mag der Herr mein Zeuge sein,
Der in die Herzen schaut!
Wie nun und eh', wie mein und dein,
Sonst soll mein Leib – des Teufels sein!««

Getröstet eilt der Arme fort:
Sie gab ja ihren Eid,
Hat sich mit dreimal heil'gem Wort
Ja schrecklich ihm geweiht;
Und was ihn oft auch engt und preßt,
Sein Glaub' auf sie ist felsenfest.

Und eh' ein kurzes Jahr verstrich,
(Ein langes Jahr für ihn),
Eilt er zurück; wie freut er sich,
Wie wird die Braut erglühn,
Wie wird sie ruhn so liebewarm
In seinem langentbehrten Arm!

Von süßer Bangigkeit bedrückt,
Eilt, fliegt er heimatwärts,
Der Liebe Seligkeit entzückt
Im Vorgefühl sein Herz.
Des Eheglücks, der Vaterlust
Frohlockt in Ahnung seine Brust.

Er ist zu Haus, er eilt durchs Tor,
Die Sterne scheinen mild,
Durch helle Scheiben klingt ein Chor,
Im Reigen wirbelt's wild.
Er fragt, – muß hören, was er schaut:
Es ist das Brautfest seiner Braut!

Es ist das Brautfest seiner Braut,
Die sich ihm zugeweiht
Bei dem, der in die Herzen schaut,
Und dennoch brach den Eid;
Die angelobt, sein Weib allein,
Wo nicht, – des Teufels Weib zu sein!

»Topp!« ruft er durch die Tür hinein,
»Topp, treues, schmuckes Weib!
So soll denn, kann er mein nicht sein,
Des Teufels sein dein Leib!« –
Er ruft's, entwankt verstört und bleich,
Und stürzt sich in den nächsten Teich.

Die Gäste staunen, lachen, schmähn
Und schwelgen ohne Scham,
Da läßt ein fremder Gast sich sehn,
Der eben, scheint es, kam,
Ein dürrer, finstrer Niemandsfreund,
Der nichts bejaht und nichts verneint.

Bei einem Becher sitzt er stumm
Abseit wie große Herrn,
Sieht manchmal nach dem Bräutchen um,
Als säh' er's eben gern,
Reibt sich die Händ' und blinzt empor,
Als hätt' er etwas lust'ges vor.

Und zwölf erdröhnt's vom nahen Turm,
Zum Kehraus wird gespielt,
Die Fideln kreischen wie im Sturm,
Der Takt ist rasch und wild.
»Hallo! Mein Takt!« so kichert laut
Der finstre Gast und nimmt die Braut.

Bei Donnerklang und Sturmgesumm
Zerrt er sie rück und vor,
Und dreht sich um und wieder um,
Und schreit ihr in das Ohr:
»Ich bin noch frisch, mein mattes Weib,
Und mir verschriebst du ja den Leib!«

Die Braut wird rot, die Braut wird blaß,
Die Lippen netzt ihr Blut,
Er aber tanzt ohn' Unterlaß
Mit immer neuer Wut;
Die Gäste fliehn entsetzt hinaus,
Schon tanzt das Paar allein im Haus.

Es tanzt hinaus, es tanzt hinab,
Die Dielen morschen ein.
Der Lüster fällt vom Sims herab,
Und wird zum Totenschrein;
Drin sargt der Gast das Bräutchen auf,
Und wirft die Deck' als Leichstein drauf.

 
Auf dem Balle.

          Wenn alles in buntem Wirbel sich dreht,
Die Herzen heftiger schlagen,
Und Saitengetön durch die Säle weht,
Dann faßt mich ein eignes Behagen.

In einen Winkel drück ich mich dann,
Und lasse die Augen gewähren;
Manch huldiges Fräulein blickt mich an,
Und meint wohl, ich müss' – entbehren.

»Er ist ein Sonderling!« flüstert's hier,
Dort heißt es: »Er läßt sich bitten!« –
Ein dritter spöttelt, es habe mir
Mein Weibchen das Tanzen bestritten. –

Ein vierter bemerkt: der feine Ton
Sei nicht meine stärkste Seite. –
Ich aber belächle mir Huld und Hohn,
Und mustere still meine Leute.

Sie flattern hinab, sie stiegen herzu,
Sie flüstern, bekritteln, bestaunen;
Ich aber erwäg' in genießender Ruh'
Des Lebens wechselnde Launen.

Was mancher auf Gräbern noch nie geahnt,
Ahn ich auf dem Boden des Tanzes;
Oft gleißt in des Schicksals drohender Hand
Die Blüte des festlichen Kranzes.

Sie glauben alle sich wahrhaft zu freun;
Die Glücklichen, daß sie es glauben! –
Es haben die Stunden, die Rosen uns streun,
Ja Schwestern, die Rosen uns rauben!

Drum halt' es hienieden jeder für sich,
Wer wollt' einander beschränken?
»Die anderen, denk' ich, tanzen für dich: –
Du magst für die anderen denken!«


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