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Folget meines Liedes Stimme
      Nach dem allerstillsten Thal,
      Sicher vor des Sturmes Grimme,
      Nicht verbrannt vom Sonnenstrahl,
      Ruh' und Kühlung zwischen Hügeln,
      Matten grün und Himmel hell.
      Kommt, laßt uns den Schritt beflügeln,
      Bis wir sind im Appenzell.
Kühe weiden, Bienen saugen,
      Gras und Blumen stehn so dicht;
      Sättigt die vergnügten Augen,
      Suchet Baum und Rebe nicht!
      Wenn ihr von den Bergen kommet,
      Fehlt euch Speise nicht und Trank,
      Milch und Honig – was euch frommet –
      Harret auf der Ruhebank.
Satt und fröhlich sollt ihr werden,
      Setzt euch vor das kleine Haus;
      Hütten breiten sich, wie Herden
      Auf dem grünen Anger aus.
      Niedrig und geborgen stehen
      Sie auf friedevollen Au'n,
      Wer es siehet, muß gestehen:
      Hier ist lieblich Hütten bau'n.
Hier wohnt Hochmut nicht, noch Schande,
      Froh ist alles, alles gleich;
      Wer ist König hier im Lande,
      Macht es in der Armut reich? 
      Wenn ihr nach dem König fraget,
      Ruft das Volk euch lachend zu:
      »Hinten sitzt er, wo's mittaget,
      Herrscht schon lang in guter Ruh'!
»Dort auf dem granitnen Throne
      Tausendjährig sitzt der Greis,
      Trägt von Felsen eine Krone,
      Schnee färbt seine Scheitel weiß.
      Der beschirmet unsre Samen,
      Deckt mit seinem Leib das Land,
      Ist mit edlem Fürstennamen
Hoher Säntis rings genannt.«
Seltsam Volk, des Hütten Wälle,
      Dessen Reichtum Schaf und Rind,
      Schatz- und Vorratskammer Ställe,
      Dessen Fürsten Berge sind!
      Wer hat dir dein Los geschaffen,
      Ohne Wunsch und ohne Harm?
      Sieh, da heißt es: unsre Waffen!
      Sieh, da ruft es: unser Arm!
Und ins Wort der braunen Hirten
      Stimmt der Mund der Weiber ein;
      Die den Wandrer mild bewirten, –
      Wollen nicht vergessen sein.
      Denn es siegten mit die Frauen,
      Und wenn's auch ihr Arm nicht that,
      That's ihr Antlitz, streute Grauen
      Auf des Feindes flücht'gen Pfad.
Nun, bereitet ist die Kunde:
      Grünes Thal, so sei uns hold!
      Laß aus deinem dunkeln Grunde
      Strömen sie, wie flüssig Gold. 
      Lieblich, wie der Wiesen Blume,
      Sonder Schmuck, wie deine Flur,
      Glänze sie vom lautern Ruhme
      Deiner frommen Helden nur.
1.
Die Appenzeller tagen.
Seht! die Gipfel färben sich
      Mit der ersten Morgenhelle,
      Drunten noch in Nacht gehüllt
      Liegt des Abtes feste Zelle,
      Wo der finstre Vogt ihm hauset,
      Der den Bauern hält als Knecht;
      Doch der Herr sitzt in Sankt Gallen
      Und verschließt sein Ohr dem Recht.
Aber von den Bergen steigt
      Nieder auf den Felsenstegen
      Rüstig Sennenvolk ins Thal,
      Aus den Hütten hochgelegen;
      Und die in der Tiefe wohnen,
      Harren schon auf grünem Plan;
      So, indem der Dränger schlummert,
      Bricht der Tag der Freiheit an.
Arme Hintersassen sind's,
      Lassen ihrer doch nicht spotten.
      Wenn sie kommen, Dorf um Dorf,
      Stellen sie sich auf in Rotten.
      Ohne Namen und Geschlechter,
      Ohne Brauch und Obrigkeit,
      Doch beginnen sie zu tagen,
      Denn sie lehrt's die schlimme Zeit. 
Eines Haupt sieht man im Kreis
      Über andre Häupter ragen,
      Der die grau'sten Locken hat,
      Der viel weiß aus alten Tagen,
      Der die Freiheit jung gesehen
      Drüben ob und nid dem Wald: –
      »Ihr sollt die Gemeinde führen,«
      Ruft das Volk, »Herr An der Hald'!«
Und es nimmt der Greis das Wort:
      »Wer zu klagen hat, der klage!
      Wem der Herr ein Leid gethan,
      Wen ein Vogt gekränkt, er sage!
      Was wir schuldig sind zu leisten,
      Geben wir dem Abte gern,
      Unrecht mögen wir nicht dulden,
      Nicht vom Diener, noch vom Herrn!«
Hundert Stimmen wurden laut,
      Murrten, wie des Flusses Wellen,
      Daß der Vogt im Schlafe dacht':
      Ist die SitterDas Hauptflüßchen Appenzells denn im Schwellen?
      Doch er schlummert fort im Schlosse,
      Und zur Stille mahnt der Greis;
      Der nur soll zum Volke reden,
      Der gewisse Kunde weiß.
Alsbald hebet einer an:
      Wie dort Abt und Probst es treiben,
      Gehn auf Fisch- und Vogelfang,
      Mögen nicht im Kloster bleiben. 
      Und ein andrer hats gesehen:
      Bei den ehrenwerten Frau'n
      Läßt der Abt im heil'gen Münster
      Seiner Kammer Metze schau'n.
Anderhalde sprach, der Greis:
      »Möget ihr ihn drüben richten?
      Solches sündigt er dem Herrn,
      Mahn' ihn der an seine Pflichten!
      Kümmert's uns, wenn hinterm Berge
      Einer lebt im wilden Braus?
      Bleibe rein nur unsre Kammer,
      Heilig unser Gotteshaus.
»Darum bringet andres vor:
      Wem ward Gut und Blut beleidigt?
      Wer bedarf's, daß gegen Schmach
      Ihn der Brüder Arm verteidigt?«
      Und zween Männer traten klagend
      Vor das Volk, in bittrem Leid;
      Blut'ge Wunden trug der eine,
      Und der andr' ein Trauerkleid.
»Meint ihr,« schrie der erste laut,
      »Daß ich trage Schwertes Wunde?
      Vor dem Helfenberger Schloß
      Hetzt' auf mich der Propst die Hunde!
      Jagen fand er mich im Walde,
      Rief erbost: »»Die Birsch ist mein,
      Und der Bauer soll mir frohnen,
      Soll nicht selber Jäger sein.««
»Und der Edelleute Troß,
      Die ihn trotziglich umringen,
      Pfeifen seinen Doggen bald,
      Daß sie mich zu Boden zwingen. 
      In der Nacht bin ich geflohen,
      Wie ein scheues Wild gejagt;
      Macht er uns zum Tier des Waldes?
      Das sei Gott und euch geklagt!«
Der im Trauerkleide sprach:
      »Rettet mir des Hauses Ehre!
      Wer da lebt, der wehret sich,
      Tote nur sind ohne Wehre.
      Nicht mehr sicher in der Erde
      Sind sie vor der Vögte Wut;
      Meines Vaters Leiche rufet
      Laut, wie dieses Mannes Blut.
»Als im kühlen Boden wir
      Gestern ihn mit Leid begraben:
      Kömmt der Vogt von Schwendi her,
      Will des Alten Leibrock haben.
      Ihm gebühret, spricht er trotzig,
      Jedes Toten bestes Kleid. –
      »»Herr! wir haben ihn im Sarge
      Mit geschmückt, es ist uns leid!««
»Und der Grimme geht ans Grab,
      In dem Herzen hegt er Arges,
      Läßt den Boden wühlen auf,
      Zerrt am Deckel seines Sarges,
      Öffnet, zwingt den starren Vater
      Noch einmal ans Tageslicht,
      Zieht dem Leichnam ab die Hülle
      Vor der Kinder Angesicht!«
Mit Entsetzen horcht das Volk,
      Aber eh' den Spruch es waget,
      Teilt ein Weib der Männer Kreis:
      »Hört mich,« schreit sie, »weil ihr taget! 
      Wär' ein Bote mir geblieben,
      Hätt' ich gern euch den gesandt;
      Doch es liegt mein Mann ermordet,
      Und mein Söhnlein ist verbrannt.
»Frisch und fröhlich war der Mann,
      Mocht' ein keckes Wörtlein sagen:
      Sieh! von Bußnang kommt der Propst
      Grimm zu Roß, läßt ihn erschlagen;
      Heißt mich aus der Hütte treiben,
      Hinter mir liegt Haus und Kind.
      Jetzt erst wirft er drein die Flamme,
      Daß die Asche fliegt im Wind!
»Gott des Zorns, gieb Manneskraft
      Meinem Arm zu meinen Schmerzen,
      Oder gieb, barmherz'ger Gott,
      Diesen Männern Mutterherzen!
      Daß die Väter in dem Lande
      Mögen sprechen frei und warm,
      Daß die Mütter können lächeln,
      Ihre Kinder auf dem Arm!«
Als das arme Weib so sprach,
      Huben sie den Arm, den straffen;
      Und errötend rief der Greis:
      »Männer, sagt, wo habt ihr Waffen?« –
      »»Seid getrost, Herr Anderhalde!
      Haus und Stall sind voll davon:
      Bickelhauben, Hellebarden,
      Panzer harren lange schon!««
Und er sprach: »So komm' hervor,
      Steige hinter unsern Bergen!
      Die du Mord und Brand geschaut
      Und den Greuel an den Särgen! 
      Zeuge für uns, Gottes Sonne!
      Daß der Krieg nicht unsre Schuld,
      Denn die wilden Frevel rissen
      Aus der Seele die Geduld!«
Bald sind's keine Hirten mehr,
      Blanker Harnisch glänzt an allen,
      Und der Greis eilt durch den Wald
      Zu den Freunden in Sankt Gallen;
      Die gen Bußnang, die zur Zelle,
      Scharen klimmen hier und dort,
      Morgen vor dem Helfenberge
      Sagen sie dem Propst ein Wort.
2.
Wie der Propst gestraft wird.
Auf dem Helfenberger Schlosse,
      In des Thurgaus fettem Thal,
      Sitzt der Propst mit edlen Herren,
      Hält beim roten Wein das Mahl.
      Aber röter als der Wein
      Fängt der Himmel an zu strahlen,
      In den klaren Teichen sehn
      Sie die dunkle Glut sich malen.
Bußnang steht in düstern Flammen,
      Keßwyls alter Turm, er raucht,
      Enn' und Bürglen glühn zusammen,
      Eins vom andern angehaucht.
      Qualm erfüllt das grüne Thal,
      Immer steigt die Flamme heller,
      Und im Fliehen ruft ein Knecht:
      »Herr, ach Herr, die Appenzeller!« 
Und es hebt der Vogt von Schwendi
      Blaß und zitternd sich vom Mahl,
      Und der Vogt der Abteszelle
      Stürzet flüchtig in den Saal.
      Aus dem Schlaf ward er gejagt
      Mit dem ersten Morgenschimmer,
      Und der Hirte hinter ihm
      Riß die Burg in Schutt und Trümmer.
Öde wird es an den Tischen,
      Zu den Waffen ruft der Propst,
      Doch ihn warnt ein frommer Ritter:
      »Herr! umsonst ist's, daß du tobst.
      Als du Vater schlugst und Kind
      Und auf Menschen hetztest Hunde,
      Brannten deine Burgen schon,
      War gekommen deine Stunde!
»Lege gütlich dich zum Ziele!
      Was du thatst im Zornesmut,
      Büße mit gelinden Worten,
      Kluge Reu' macht vieles gut!«
      Zag und trotzig spricht der Propst:
      »Seht ihr Bürger von Sankt Gallen?
      Mit den Bauern handl' ich nicht;
      Bürger laß ich mir gefallen.«
Und den Feinden vor der Feste
      Thut sich auf das alte Thor;
      Würd'ge Bürger von Sankt Gallen
      Bringen ihr Begehren vor.
      Freundlich von dem roten Wein
      Schenkt der Propst den ernsten Gästen;
      Ihnen, nur den Hirten nicht,
      Übergiebt er seine Festen. 
Doch die schlichten Appenzeller
      Trauen ihrem Feinde nicht,
      Es gelüstet sie, zu schauen
      Ihres Gegners Angesicht.
      Der so vielen Leids gethan,
      Selber wollen sie ihn hören,
      Kam aus seinem Mund der Eid,
      Wollen sie ihm Frieden schwören.
Als sie zornig dies bedeutet,
      Thut sich auf das alte Thor,
      Und auf seines Schlosses Brücke
      Tritt der stolze Propst hervor.
      Zitternd unter seinem Schritt
      Schwankt das Brett und bebet lange,
      So, den Abgrund unter sich,
      Steht der Herr und schwöret bange.
Und die Schar betrübter Ritter
      Ziehet stille mit ihm aus.
      Auch der Hirte schwur ihm redlich,
      Wandelt ohne Groll nach Haus.
      Einsam, aufrecht steht die Burg
      Zwischen den verheerten Auen,
      Darf, geschirmt von Männereid,
      Hoch auf Trümmer niederschauen.
3.
Die Schwabenstädte senden dem Abt Kuno Hülfe.
Wandrer mögen gerne spähen
      Von dem Vögliseck ins Land,
      Sich den blauen See besehen
      Und die Städte längs dem Strand. 
      Bregenz unter düstern Fichten,
      Helles Lindau, Inselstadt,
      Mörsburg zwischen Wein und Früchten,
      Kostnitz, das den Rheinstrom hat!
Aber das ist's nicht, was heute
      Sieht der Appenzeller Hirt,
      Dessen Blick die offne Weite,
      Finstrer Sorgen voll, durchirrt.
      Er zählt nur die Männerscharen,
      Die aus Schwabens Städten ziehn,
      Er sieht nur die Schiffe fahren,
      Alle her und keine hin.
Wie von giftigen Gewürmen
      Wimmelt das Gestade schon,
      Fröhlich von Sankt Gallens Türmen
      Lädt sie ein der Glocken Ton.
      Und ein Wiehern steigt von Pferden
      Aus dem tiefen Thal herauf;
      Nach der Heimat mit den Herden
      Eilt der Hirt in schnellem Lauf.
Drunten meldet er die Kunde;
      Und, die Panzer angethan,
      Fängt in seinem Wiesengrunde
      Appenzell zu tagen an.
      Doch wer soll dir Kundschaft bringen
      Aus der feindevollen Stadt,
      Völklein, das zu solchen Dingen
      Wenig Witz und Gabe hat?
Greif' nur mutig zu den Wehren,
      Küre deinen Landshauptmann;
      Wirst du doch die Welt bald lehren,
      Was die kluge Unschuld kann. 
      Deine Töchter werden Boten,
      Ziehen zu dem Feind mit Lust;
      In den Miedern bebt, den roten,
      Mutig eine treue Brust.
Durch die Thore von Sankt Gallen,
      Wo der Wächter stehn genug,
      Läßt man doch die Mägde wallen
      Mit der Milch im schmucken Krug.
      Denn die Städter in dem Saale
      Mit des Sees bejahrtem Most
      Tränkt der Abt, doch zu dem Mahle
      Taugt der Alpen fette Kost.
Und die Jungfraun stehen drinnen
      Zierlich in des Klosters Flur,
      Spähn mit klugen Weibersinnen,
      Kommen vielem auf die Spur:
      Wo Herr Kuno mit den Schwaben
      Hält beim Becher lauten Rat;
      Wenn sie gnug erlauschet haben,
      Gehn sie heim auf steilem Pfad. –
Jene tagten auf der Wiese,
      Bis die Schar der Töchter kam,
      Und zum Vater eilet diese,
      Die zum rüst'gen Bräutigam:
      »Männer! weiter nicht gesäumet,
      Auf, gen Speicher diese Nacht!
      Wenn sie meinen, daß ihr träumet,
      Haltet vor dem Lande Wacht!«
Und zweihundert sind gerüstet,
      Eh' der Mond am Himmel scheint,
      Die nach kühnem Kampf gelüstet
      Gegen zehnmal stärkern Feind. 
      Einen klugen Scharenmeister
      Hat das treue Schwyz gesandt;
      Stille ziehen sie, wie Geister,
      Nächtlich auf des Berges Rand.
Über ihren Häuptern gehet
      Trüb und rot ein seltner Stern,
      Wie den Scheitel Haar umwehet,
      Wallt ein Schweif um seinen Kern.
      Wohl ist er ein finstres Zeichen,
      Wo er scheint, da fließet Blut;
      Fließ' es denn von unsern Streichen!
      Denken sie im hohen Mut.
4.
Die Schlacht am Speicher.
In dem grünen Speicherwald,
      Drunter schmucke Häuser liegen,
      Werden freie Männer bald
      Fröhlich sterben oder siegen.
      Von dem Sternenhimmel sieht
      Gott auf sie, der Herr der Schlachten,
      Wo das fromme Häuflein kniet,
      Betend hier zu übernachten.
»Wenn es sein mag,« flehen sie,
      »Laß, o Herr! uns hier genesen!
      Oder sei der Boden hie
      Uns zum Kirchhof auserlesen!
      Wer sich fliehend umgewandt,
      Werd' auf fremder Erd' erschlagen,
      Nicht das freie Vaterland
      Soll im Schoße solchen tragen!« 
Und der erste Sonnenstrahl
      Lächelt, wie sie sprechen Amen,
      Als die Feinde von dem Thal
      Nach den Höhn gestiegen kamen;
      Vorn die Edeln, hoch zu Roß,
      Die im Sattel stählern sitzen,
      Ihnen folgt ein kecker Troß
      Leichtbewehrter Bogenschützen.
Doch sie sind die letzten nicht,
      Die bergan behende laufen:
      Hinten erst im Sonnenlicht
      Glänzen die gewalt'gen Haufen.
      Dicht, wie Blumen in dem Lenz,
      Funkeln Helme, winken Hüte;
      Konstanz, Ravensburg, Bregenz
      Sendet seiner Männer Blüte.
Und die Kirche schickt den Bann
      Fluchend in des Hirten Ohren,
      Pfaffe, Bürger, Edelmann
      Haben Schmach ihm heut geschworen.
      »Will der Bauer,« sprechen sie,
      »Gegen uns sein Haupt erheben?
      Nieder muß er auf das Knie,
      Muß erst betteln um sein Leben!«
Hättet ihr geschauet ihn,
      Ei, wie würdet ihr ihn loben,
      Denn er lag schon auf den Knien,
      Jetzt erst hat er sich erhoben.
      Ja, vor Gott hat er gekniet,
      Doch vor euch denkt er zu stehen;
      Ob er schon zurück sich zieht,
      Klug verborgen auf den Höhen. 
Einsam trifft der Feind den Wald,
      Ein Verhau von wenig Stämmen
      Macht ihm keinen Aufenthalt,
      Kann den raschen Zug nicht hemmen.
      Aus der Städter rüstgen Reihn
      Treten vor die Zimmerleute,
      Stoßen ihn mit Lachen ein:
      »Appenzell, bist unsre Beute!«
Sieh da! von den höchsten Höhn
      Rasselt es mit Steinen nieder,
      Wie im Sturme Schlossen wehn,
      Und zersprengt die vordern Glieder.
      Und die Rosse bäumen sich,
      Drängen ans Gehölz den Reiter,
      Und wenn vornen Einer wich,
      Weichen hinten zehen Streiter.
Dann in den verwirrten Zug
      Schießt der Pfeil und fährt die Lanze,
      Jetzt herunter erst im Flug
      Stürmt der Hirt vom Bergeskranze.
      Auf die dichten Haufen ein
      Haut er mit dem starken Arme,
      Und vergebens muß es sein,
      Wehrt sich einer aus dem Schwarme.
Denn es fliegt der Alpenhirt
      Hüpfend auf die Felsenstücke,
      Daß kein Streich, kein Schuß verirrt
      Unter seinem sichern Blicke,
      Bis des Klosters Knechte fliehn,
      Die zuerst, wie feige Weiber,
      Stürzen auf die andern hin,
      Wie aufs scheue Vieh die Treiber. 
Hunderte, sie möchten's gern,
      Kommen drunten nicht zum Schlagen,
      Und die Hirten stehn von fern,
      Schnelle Gemsen gilt's zu jagen.
      Hier und dort, als edles Wild,
      Hält ein Häuflein noch von Rittern,
      Dem die Brust von Grimme schwillt,
      Daß die andern feige zittern.
Doch erliegen sie dem Streit,
      Oder fliehen mit dem Heere.
      Da zerreißt sein Wappenkleid,
      Wem noch lieb ist Ritterehre.
      »Neben Pfaffen kämpfen wir,
      Neben Söldnern schnöder Städte!
      Weiche von uns Stammeszier!
      Fall' zu Boden, goldne Kette!«
Endlich steht nur einer noch
      Als des Ahnenruhms Bewahrer,
      Stolz, von Wuchse riesig hoch,
      Vom Geschlecht der edlen Blarer.
      Ein dreifältig Panzerhemd
      Deckt ihn wider alle Streiche:
      Seinen Rücken angestemmt,
      Ficht er unter einer Eiche.
Den besieht vom Berge sich
      Doch zuletzt ein Hirtenjunge:
      »Hilft mir Gott, so fäll' ich dich!«
      Hebt die Schleuder dann zum Schwunge,
      Einen spitzen Stein, er schießt
      Ihm so flink durchs Helmesgitter,
      Daß das Blut sich draus ergießt,
      Und zu Boden stürzt der Ritter. 
Drauf herab hat sich die Flucht
      In Sankt Gallens Thal gezogen,
      Zwanzig Hirten in die Schlucht
      Sind ihr kühnlich nachgeflogen;
      Werfen einen Feuerbrand
      Vor den Thoren in die Mühle,
      Und gemach aus Feindesland
      Ziehn sie in der Morgenkühle.
Und kein Schwert, kein Schild mehr klirrt;
      Auf dem Speicher weidet wieder
      Still der Appenzeller Hirt,
      Schaut in beide Thäler nieder.
      Höret aus dem Appenzell
      Freien Volkes Jubel schallen,
      Und ein Totenglöcklein hell
      Tönt herüber aus Sankt Gallen.
5.
Appenzell kommt in der Freunde Hand.
Von des Säntis eis'gen Klüften
      Bricht ein frischer Südwind aus,
      Weht mit ungebundnen Lüften
      Durch das leere Gotteshaus;
      Schwingt sich über Feld und Hügel
      An des Bodenseees Strand,
      Leiht den Schiffen seine Flügel,
      Jagt sie heim ins Schwabenland.
In die halbverbrannten Festen
      Kehrt zurück der Edelmann,
      Bauet an den schwarzen Resten,
      Daß er sicher wohnen kann. 
      Aus der falschen Stadt Sankt Gallen
      Flieht ins feste Wyl der Abt,
      Weil des Klosters offne Hallen
      Schon der kühne Hirt umtrabt.
Appenzell ist los des Feindes,
      Und sein Volk, der Bande frei,
      Lehnt sich auf den Arm des Freundes,
      Der ihm in der Not stand bei.
Löri kommt, der Hirtenbube,
      Aus dem Schwyzerland heran,
      Das in Feld und Rathausstube
      Hülfe schickt, sechshundert Mann.
Und die Männer mögen's leiden,
      Daß der Löri für sie kürt,
      Folgen willig und bescheiden,
      Wenn er ihre Rotten führt.
      Ihresgleichen ist der Knabe,
      Der ins Thal herunter stieg,
      Schlicht, an seinem Hirtenstabe,
      Mitzukämpfen heil'gen Krieg.
Aber der da kam zu Fuße
      Schwinget bald sich auf ein Roß,
      Steuer schreibt er, fordert Buße,
      Hält sich grober Knechte Troß.
      In des Volkes Rat erschien er
      Nicht wie andre Hirten mehr,
      Denn es trägt ihm nach der Diener,
      Wie dem Edelmann, den Speer.
Auf dem Speicher, wo im Streite
      Freier Männer Stirne trof,
      Zehrt er von der Siegesbeute,
      Hält wie große Herren Hof. 
      Schickt den Hirten auf die Höhen:
      Wildpret liebt er auf dem Tisch!
      Aus des Säntis tiefen Seeen
      Fängt man ihm den besten Fisch.
Denn er glaubt, vom Wein bethöret,
      Ihrer aller Herr zu sein:
      »Was dem Gotteshaus gehöret,«
      Schreit er, »Leut' und Land sind mein!«
      Als er das im Rausch gesprochen,
      Flogen Steine nach dem Wicht,
      Doch die Schwyzer, losgebrochen,
      Lassen von dem Führer nicht.
Und die Ritter in dem Thale
      Und der Abt im Schloß zu Wyl
      Freuen wieder sich beim Mahle,
      Halbgewonnen ist ihr Spiel:
      »Sagt, ist das nicht Gottes Rache,
      Daß es dazu kam so schnell,
      Daß ein Bub' führt solche Sprache
      Und regiert im Appenzell?«
Regt sich in dem Land kein Rächer?
      Hebet seinen Arm kein Held?
      Ach, der Schwyzer ist ihr Sprecher,
      Und der Schwyzer führt im Feld!
      So verstreut sind ihre Rotten,
      So geteilt ist ihre Macht,
      Daß die Fremden ihrer spotten
      Und der Nachbar sie verlacht.
Doch des Volkes Seufzen wendet
      Nicht umsonst sich himmelwärts:
      Löris Auge wird verblendet,
      Und verhärtet wird sein Herz. 
      Wie die Städte friedlich sprechen
      Auf dem Tag zu Winterthur,
      Denkt den Frieden er zu brechen,
      Sinnt auf Raub und Beute nur.
Hastig führt er seine Scharen
      Auf das Dörflein Zuckenried,
      Fromme Hirten bei ihm waren,
      Sangen ihm kein gutes Lied.
      Dennoch bundsvergessen fährt er
      In das Dorf mit Brand und Mord,
      Rings das schöne Feld verheert er,
      Zieht beladen wieder fort.
Hinter ihm die Bauern fluchen,
      Höret er's nicht, hört's doch Gott!
      An der Mühle dunkeln Buchen
      Hallt's wie wilder Reiter Trott.
      Die von Konstanz sind's, die Städter,
      Rächen grimm den Friedensbruch,
      Auf ihn nieder, wie im Wetter,
      Fährt und trifft des Himmels Fluch.
Zwar die Hirten all', die treuen,
      Kämpfen für den falschen Freund;
      Appenzell! – laß dich's nicht reuen –
      Dir zum Glücke siegt der Feind!
      Laß nur fliehen deine Scharen;
      Deinem Hauptmann ist ein Pfeil
      In die falsche Brust gefahren,
      Jetzt erblüht dir wieder Heil!
Seht, die wackern Männer tragen
      Sanft den Wunden aus der Schlacht.
      »Sei, weil ihn der Herr geschlagen,
      Seiner Sünde nicht gedacht!« 
      Sprechen sie, – und auf dem Speicher
      Pflegen sie mit Sorgen sein,
      Aber immer wird er bleicher,
      Stirbt zuletzt in Reu' und Pein.
Seiner Seele halten Messen
      Sie im frommen Appenzell,
      Haben nicht des Leibs vergessen,
      Laden ihn zu Rosse schnell,
      Führen ihn durch Berg und Thale
      Gen Einsiedeln in sein Grab.
      Wieder blickt mit heiterm Strahle
      Gottes Sonn' ins Land herab.
6.
Anderhaldes Traum.
Mit gekrümmtem Rücken sitzt
      In dem Stuhl Herr Anderhalde,
      Sah von ferne, wie es blitzt',
      Hirtenschwert im Speicherwalde,
      Labt sein Haupt im Sonnenschein
      An der Freiheit goldnem Morgen;
      Kann er nicht mehr mit befrei'n,
      Denken kann er doch und sorgen.
Und es pflücken oft im Traum
      Hochbejahrte Greise wieder
      Von der Jugend grünem Baum
      Ahnungsbilder, Wunderlieder;
      Was sie da gehört, geschaut,
      Jüngre wird es unterweisen;
      So auch neiget sich ergraut
      Jetzt zum Traum das Haupt des Greisen. 
Ein Gesicht führt ihn empor,
      Wo mit seinem grünen Rücken
      In die Berge der KamorEin Berg, zur Gebirgskette des Alpsteins gehörig, Vorberg des Säntis.
 Und ins Thal zugleich darf blicken.
      In des Alpsteins Riesenkluft
      Schaut er, kann das Rheinthal grüßen,
      Thur- und Hegau winkt im Duft,
      Appenzell zu seinen Füßen.
Und ihm dünket menschenleer
      Seiner Heimat Thalgelände,
      Keine Hütten hin und her
      Sind gebaut durch kluge Hände.
      Der Bewohner harrt es stumm,
      Sitter nur und UrnäschFlüsse Appenzells. brausen,
      Schauernd sieht der Greis sich um:
      Wer wird kommen, hier zu hausen?
Luft und Erde jetzt erschallt
      Als von Flügelschlag und Tritten,
      Und es wimmelt aus dem Wald,
      Kommt mit Fittichen und Schritten:
      Tiere sind's in bunter Schar,
      Wollen Herrn des Landes werden,
      Und ein schwarzer, stolzer Aar
      Schlägt den Fittich vor den Herden.
Drüben kommen sie vom Stoß,Waldrücken zwischen dem Rheinthal und Appenzell.
      Falken, Schwäne, Greifen, Drachen;
      Brüllend, wiehernd, Stier und Roß,
      Wölfe mit dem blut'gen Rachen; 
      Eber wühlen mit dem Zahn,
      Mit dem Rüssel Elefanten,
      Stürzen auf den grünen Plan
      Nieder von des Berges Kanten.
Bange schaut der Greis zu Grund:
      Läßt das Land sich die gefallen?
      Alsobald im Alpenschlund
      Murrt es, daß die Felsen hallen,
      Staunend blickt er um sich her:
      Denn hervor aus sieben Thälern
      Stürzt der Alpen Herr, der Bär,
      Läßt das Hausrecht sich nicht schmälern.
Droben ist er schon am Wald,
      Fährt den Tieren in die Hüften,
      Bäumt sich, steht und streitet bald
      Gegen Schnäbel in den Lüften;
      Stürzt zurück auf Wolf und Stier,
      Rachen gähnen gegen Rachen,
      Bald, umringt, erliegt er schier; –
      Da mußt' Anderhald' erwachen.
Und erprobte Männer läßt
      In das Haus er schleunig bitten,
      Spricht: »Ihr Brüder, haltet fest,
      Denn aufs neue wird gestritten.
      Vor dem Auge steht mir hell,
      Wer sich für den Abt wird rüsten:
      Östreichs Adler, Appenzell,
      Will in deinem Horste nisten.
»Ritter bringt er, kühn und wild,
      Wie die Tier' auf Helm und Wappen,
      Alle sah mein Traum im Bild,
      Stolze Herren, freche Knappen, 
      Wolfurt, Schwaneck, Greifenstein,
      Trautburg mit dem Haupt des Stieres;
      Ach, es wird kein Ende sein
      Dieses grimmigen Getieres!
»Aber dich, o Völklein, auch
      Sah ich streitbar abgebildet,
      Wie nach grauer Väter Brauch
      Deine Gauen sich beschildet.
      Deiner Wälder altes Wild
      Führest du zu deinem Zeichen:
      Schwarzer Bär im gelben Schild,
      Keinem Tiere wirst du weichen!
»Nur getrost hinauf zum Stoß,
      Dorthin durft' ich träumend blicken,
      Stier und Drachen, Greif und Roß,
      Dorther wird's der Adler schicken.
      Ja, dein Leben gilt es, Bär!
      Laß ihn fühlen deine Klauen,
      Einer nur, du oder er,
      Wohn' hinfort in diesen Gauen!«
7.
Wer der Appenzeller Hauptmann ward.
Draußen tagt die Landsgemeine
      Wieder in dem Wiesenthal,
      Denn es sammeln sich am Rheine
      Stolze Ritter ohne Zahl.
      Kämpfen sollen sie schon morgen,
      Arm und Waffen sind bereit,
Eins nur fragen sie mit Sorgen:
      Wer soll Führer sein im Streit? 
Eh' sie den gefunden haben,
      Sehn die Rotten durch das Feld
      Einen schlanken Reiter traben,
      Rüstig wie ein Kriegesheld.
      Den schmückt herrliches Geschmeide!
      Männer, hört! das ist kein Hirt,
      Der in seinem Herrenkleide
      Sich in unsern Rat verirrt.
Ei! das ließ Herr Anderhalde
      Doch nicht träumen sich im Schlaf!
      Drüben aus der Burg am Walde
      Ist's der Werdenberger Graf;
      Hält und steigt von seinem Pferde,
      Naht den Hirten ohne Trutz,
      An der armen Bauern Herde
      Sucht der edle Ritter Schutz.
Und er sprach: »Mir kam zu Ohren,
      Daß euch Österreich bekriegt,
      Bin ich euch zu hochgeboren,
      Nachbarn, daß ihr mir's verschwiegt?
      Wisset nur, ich bin vertrieben,
      Bin ein arm und einsam Haupt!
      Was vom Erbe mir geblieben,
      Hat der Herzog mir geraubt!
»Ihr seid frei und reich zu nennen,
      Ich bin ärmer als ein Knecht,
      Eure Namen wird man kennen,
      Ausgeblüht hat mein Geschlecht.
      Stolze Herren mögt ihr hassen,
      Ich bin nicht des Hasses wert,
      Nichts hat mir der Feind gelassen,
      Als mein Herz und als mein Schwert! 
»Kann ein Ritterschwert euch frommen,
      Und ein Herz von Zorn entbrannt,
      Nun so heißt auch mich willkommen,
      Laßt mich schirmen euer Land.
      Wenn der Streit ist ausgestritten,
      Gönnt mir eures Thales Rast,
      Nehmt mich auf in eure Hütten,
      Pfropft mich auf den wilden Ast!«
Spricht's und löst die goldne Scheide
      Seines Schwertes aus dem Gurt,
      Reißt den Wappenschild vom Kleide,
      Vor dem Volk, das freudig murrt;
      Pflückt den Federschmuck des Hutes,
      Leget ab, was stolz und fremd,
      Fordert sich getrosten Blutes
      Ein gemeines Hirtenhemd.
Und der Männer Wohlgefallen
      Bricht in lauten Jubel aus,
      Der in langen Widerhallen
      Rollt bis an der Felsen Haus.
      Und dem neuen Bundsgenossen
      Rufet die Gemeine zu:
      »Edler Herr, es ist beschlossen,
      Unser Feldhauptmann bist du!«
Rudolf zu dem Hirtenkleide
      Legt sich schlichte Rüstung an,
      Führet sie, dem Feind zum Leide,
      Weislich auf der Kriegesbahn;
      Vor den kühnen Scharen reitet
      Er auf adeligem Roß,
      Und dem Traume folgend, schreitet
      Rasch das Heer empor zum Stoß. 
8.
Die Schlacht am Stoß.
An den Gräbern zu Sankt Gallen
      Hat er lang sein Schwert gewetzt;
      Mutig durch die dichte Waldung
      Dringt empor der Adel jetzt,
      Haut den Weg sich mit der Axt,
      Bäum' und Feinde wirft er nieder,
      Von den lauten Schlägen hallt
      Dumpf des Rheinthals Kessel wieder.
Weh! der Hirten Vorhut weichet,
Uli Rotach führt sie an,
      Ist zu eilig vorgedrungen
      Auf gewohnter Siegesbahn.
      Und sein Haufen wankt erdrückt
      Von dem eisernen Gewichte,
      Dreißig stürzen rechts und links,
      Vor des Führers Angesichte.
Von den Seinigen verlassen
      (Viele starben, wenig flohn),
      Siehet sich umringt der Uli
      Und zwölf Ritter ihn bedrohn.
      Eines Sennen Hütte steht
      Einsam an des Waldes Saume,
      Bietet seinem Rücken Schutz,
      Und so ficht er wie im Traume.
Denn von seiner grimmen Gegner
      Hochgehobnem, runden Schild
      Gähnt ihn an mit offnem Rachen
      Mannigfaches, grauses Wild; 
      Der von Ramswag hält ihm vor
      Ein entsetzlich Paar von Löwen,
      Ein gehörntes Flügeltier
      Dräut im Schilde des von Höwen.
Doch die Löwen und den Drachen
      Fällt der Appenzeller Bär,
      Bald auf ihren Schilden liegen
      Beide Kämpfer stumm und schwer.
      Zornig mit dem Vogel Greif
      Drängt sich vor der Greifensteiner;
      Von der Streitaxt fallen sie,
      Mann und Vogel, auf steht keiner.
Und geschirmt vom Dach der Hütte
      Beut der Held noch Neunen Trutz,
      Wolfurt sucht und Ebersberger
      Hinter Wolf und Eber Schutz.
      Aber den durchfährt der Speer,
      Und der andre stürzt vom Schwerte:
      Sieben kämpfen aufrecht noch,
      Fünfe liegen auf der Erde.
Sechs umringen jenen streitend,
      Einer aber nimmt sich Frist,
      Facht ein Feuer an im Laube,
      Sinnt auf eine böse List.
      Nicht umsonst führt er im Schild
      Eine feuerspei'nde Schlange,
      Schleudert seinen Feuerbrand
      Nach des Daches Überhange.
Und des Hirten Stirn umwirbelt
      Tückisch bald der finstre Rauch,
      Blinzend wehrt er ab die Streiche
      Und der Flamme glüh'nden Hauch; 
      Seinen Geist befiehlt er Gott,
      Denn jetzt stürzt das Dach zusammen;
      So erliegt der fromme Held
      Nicht dem Schwerte, nein, den Flammen!
Von dem schweren Kampf mit einem
      Ruhn die sieben Ritter aus,
      Über sich hoch auf dem Berge
      Hören sie der Schlacht Gebraus;
      Denn es rang der Edlen Heer
      Siegreich sich empor nach oben,
      Kämpfend weicht der Hirt zurück,
      Immer ferner hallt das Toben.
Endlich auf dem höchsten Gipfel
      Mit der neuen Brüder Schar
      Hält der kluge Werdenberger,
      Keine Flucht ihr Weichen war;
      Freilich ist ihr Häuflein dünn,
      Und der Feinde sind dreitausend,
      Doch dem Himmel trauen sie: –
      Und am Himmel regt sich's brausend.
Auf des schwülen Föhnes Flügel
      Zieht's vom hohen Säntis her,
      Wolken schichten sich auf Wolken,
      Liegen auf dem Walde schwer.
      Blitzesschein erhellt die Schlacht,
      Wie auf Rossen fliegt das Wetter,
      Gottes Feldposaune dröhnt
      Mit dem hallenden Geschmetter.
Und auf ihren Ruf ergießen
      Sich des Regens Ströme dicht,
      Zwar den Hirten in den Rücken,
      Doch den Rittern ins Gesicht. 
      Auf dem Boden glatt und naß
      Haften nicht der Männer Schritte,
      Da vom Pferde springt der Graf,
      Stellt sich in der Hirten Mitte.
»Ahmet mir nach,« schreit er, »Brüder!
      Streifet ab vom Fuß den Schuh!
      Jetzt geflogen sichern Trittes
      Auf die schwanken Feinde zu!«
      Barfuß rennt der Held voran,
      Zu der Donner lautem Hallen
      Läßt die Streitaxt er zuerst
      In die dichten Haufen fallen.
Pfeil und Wurfspieß fliegt herunter,
      Schwerter blitzen kühn darein,
      Und die kaum verlaßnen Hügel
      Nimmt der Hirte wieder ein.
      Sorglich zieht der Feind zurück
      Seine festgeschloßnen Glieder;
      Aber links, vom Bergesrand,
      Was bewegt sich dort hernieder?
Hirt und Ritter schaun und zögern:
      Eine lange, stille Schar,
      Ziehen blendende Gestalten
      Längs den Höhen wunderbar.
      Woher kommt das neue Heer?
      Grausen faßt das Herz der Ritter:
      Hat Gespenster ausgespien
      Dieses höllische Gewitter?
Auch der Hirte sinnt mit Staunen,
      Wo ihm Hülfe kommen soll;
      Plötzlich ruft der Werdenberger
      Laut und heil'ger Freude voll: 
      »Kämpfen wir nicht heut im Herrn,
      Brüder, am Frohnleichnamsfeste?
      Seine Heerschar sendet er:
      Engel sind es, Himmelsgäste!«
Und hernieder von dem Gipfel
      Wallt der lange, fremde Zug;
      Weiße, wogende Gewande
      Flattern in des Windes Flug.
      Tausend Arme heben sich,
      Halb zu beten, halb zu schlagen,
      Und darüber rollt und blitzt
      Gottes glüh'nder Donnerwagen.
Ein Entsetzen faßt die Feinde,
      Rücklings stürzen sie hinab,
      Und der Fels und feuchter Rasen
      Und der Rheinstrom wird ihr Grab.
      Tausende mit edlem Blut
      Haben Wald und Flur gedünget,
      Und des Volkes Freiheit steigt
      Aus der Schlacht empor verjünget.
Und verschwunden ist das Wetter,
      Abendsonne scheinet klar;
      Droben auf der Höhe wartet
      Immer noch die weiße Schar.
      Und der Hirte klimmt empor:
      Wird er Engel Gottes schauen? –
      Sieh! da stehn im Sonnenglanz
      Seine Töchter, seine Frauen!
Sollten sie zu Hause sitzen,
      Von der Männer Geist erfüllt?
      Nein! in langes Hirtenhemde
      Haben sie den Leib gehüllt. 
      Nicht vergebens folgten sie
      Ihres Herzens kühnem Schlage;
      Und bezahlet ihre Schuld
      Haben sie dem großen Tage.
Fröhlich an der Männer Seite
      Schauen sie ins grüne Thal:
      Rebenhügel, blüh'nde Gärten,
      Burgen glühn im Abendstrahl;
      Und dazwischen strömt der Rhein,
      Wälzt vergoldet seine Wogen;
      Morgen ins gelobte Land
      Kommen Hirten eingezogen!
»Brüder!« spricht der Werdenberger,
      »Vorher gilt's noch einen Strauß,
      Denn es horstet noch der Adler
      Drüben in Sankt Gallens Haus!
      Erst den Herzog fortgejagt!
      Erst den Abt in Wyl gefangen!« –
      »»Nein,«« jauchzt ihm der Hirte zu,
      »»Erst gen Werdenberg gegangen!««
9.
Abt gefangen.
Auf der Burg zu Werdenberg
      Lebt es wieder in den Mauern,
      Und der Herr im Hirtenhemd
      Sitzt, ein Bauer, zwischen Bauern;
      Leert den Becher an der Seite
      Seiner Retter oft und gern,
      Und die Hirten grüßen willig
      Grafen ihn und gnäd'gen Herrn. 
In Sankt Gallen auf der Flucht
      Ist der Herzog angekommen,
      Hat umsonst den Häuptlisberg
      Mit der edlen Schar erklommen;
      Wie ein Dieb muß er entweichen,
      Denn die Bürger zornig drohn;
      Treibt mit wenig wunden Rittern
      Auf des Seees Wellen schon.
Und vor WylStadt im Thurgau. steht jetzt der Hirt
      Mit den Widdern, mit den Böcken;
      Weithin höret man durchs Thal
      Seine schlimme Herde blöcken;
      Denn die Köpfe sind von Eisen,
      Rütteln an den Mauern laut,
      Daß Herrn Kuno drin, dem Abte,
      Vor den wilden Stößen graut.
Auch die Leiter steht zum Sturm
      Und das Pech zum Brand gerichtet,
      Bange wird der Söldner Schar,
      Die dem Herrn sich hat verpflichtet:
      Denn es tobt der Feind von außen,
      Und der Bürger drinnen murrt,
      Holt die Axt sich aus der Kammer,
      Um den Leib schnallt er den Gurt.
Vor der Stadt erschallt das Horn;
      Doch da füllen sich die Gassen,
      Söldner sind ein feiges Volk,
      Haben ihren Herrn verlassen, 
      Wallen mit dem Bürger friedlich
      Vor der Stadt gewölbtes Thor,
      Stehn geschäftig an dem Graben,
      Schieben selbst die Brücke vor.
Durch die Straßen zieht der Hirt,
      Seine hellen Fahnen fliegen,
      Rechts und links nicht schaut er um,
      Eilet zu des Schlosses Stiegen,
      Seinen alten Feind zu fahen,
      Der ihm so viel Leides that,
      Und auf freier Männer Nacken
      Mit dem stolzen Fuße trat.
In dem Saale sitzt der Abt
      Einsam in dem großen Schlosse,
      Höret seiner Feinde Ruf
      Und das Wiehern ihrer Rosse;
      Aber seinen Willen beugen
      Lehret die Gefahr ihn nicht;
      In dem Stuhle bleibt er sitzen,
      Läßt sie nahen, zürnt und spricht:
»Kommet immer, fasset mich,
      Hirten, weiland meine Knechte!
      Taucht in des Gesalbten Blut
      Eure mörderische Rechte!
      Doch ein Gott im Himmel waltet,
      Meines frommen Klosters Schild,
      Und ein Kaiser herrscht auf Erden,
      Der die Missethat vergilt!
»In den Kerker, in das Grab
      Magst du, freches Volk, mich legen;
      Dich ereilet doch mein Fluch,
      Was du thust, bringt keinen Segen: 
      Schlagen wird dich Gottes Winter
      Vor Bregenz, das du bekriegst,
      Und am See sitzt König Ruprecht,
      Und zertritt dich, wenn du liegst!«
Vöglischerz, der muntre Hirt,
      Der der Brüder Scharen führet,
      Rede stehet er dem Abt,
      Sittsamlich, wie sich's gebühret:
      »Wäre Gott mit euch, nicht läge,
      Herr, auf euch sein Arm so schwer!
      Schelten lassen wir uns gerne,
      Schaden mögt ihr uns nicht mehr.
»Was die Zukunft Böses bringt,
      Sorget nicht, wir werden's tragen;
      Ruprecht ist ein alter Mann,
      Wird uns nicht zu Boden schlagen:
      Leichtlich schließen sich zwei Augen,
      Wenn sie noch so zornig glühn,
      Doch ein freies Volk stirbt nimmer,
      Wird in ew'ger Jugend blühn.
»Aber jetzt, wenn's euch beliebt,
      Folgt uns, Herr! und steigt zu Pferde!«
      Und sie hoben ihn aufs Roß,
      Zogen mit ihm ohne Fährde.
      Schweigend thut er ihren Willen,
      Sieht sie an mit scheuem Blick; –
      Doch ins Kloster von Sankt Gallen
      Führen sie ihn fromm zurück.
Lassen in der offnen Pfalz
      Ihn die Hand zum Schwure heben:
      In des freien Volkes Schutz
      Will er still und friedlich leben. 
      Als sie das von ihm erlanget,
      Ziehn die guten Männer ab,
      Legen Schwert und Helm zur Seite,
      Greifen zu dem Hirtenstab.
Und ins tiefe, stille Thal
      Steigt die alte Ruhe nieder,
      Nur der Herden froh Gebrüll
      Hallt vom hohen Säntis wider.
      Nimmer wird die grüne Matte
      Mit der Hirten Blut getränkt,
      In der freien Volksgemeinde
      Tagt der Landmann ungekränkt.
Und ein Kirchlein auf dem Stoß
      Läßt die Glocke jährlich schallen;
      Das erzählt dem Pilger laut
      Von der Fehde mit Sankt Gallen.
      Dort, im dichten Waldgebüsche,
      Steht es, wo der Frauen Schar
      Wie ein Heer von Siegesengeln
      Leuchtend einst erschienen war.
Ende