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Geburtstagsfeier in Schweden.

Den 20. Juni 1841

 

1.

Elf Jahre sind's, du wardst geboren,
Du süßer Spätling, jüngster Sohn!
Der Eltern Blick, in dich verloren,
Las eine goldne Zukunft schon.

So freudig blühten deine Wangen,
So üppig wuchs dein gelbes Haar;
Ein Lebensstrom floß ausgegangen
Von deinem hellen Augenpaar.

Wohl nahm die Schere jene Locken,
Das Knabenantlitz trat hervor,
Und, ernstes Schulkind, streng und trocken,
Standst du vor der Erkenntnis Thor.

Bald aber ward der Trieb zum Spiele,
Dein Geistchen flog durch Raum und Zeit,
Die junge Hand zwang mit dem Kiele
Der Römersprache Herbigkeit.

Durch die gewölbte Stirne zogen
Schon die Gedanken aus und ein,
Doch kindliche Gebete flogen
Noch von den Lippen, zweifelsrein.

Du grüntest, stark an Leib und Seele,
Du Mutterwonne, Vatersstolz,
Geschwisterlust, recht ohne Fehle,
Du, Bäumchen, hinter ältrem Holz.

Froh sang ich: »Jüngster Knabe, funkle
Mich keck mit schwarzen Augen an;
Wie auch das Erdenleben dunkle,
Doch bricht sich solch ein Strahl die Bahn!«

 

2.

Elf Jahre sind's, ich steh in Schweden,
Des Botes Dampfrauch hinter mir.
Trolhättas Donnerfälle reden
Von dir, geliebtes Kind, von dir!

Verzweifelnd stürzt mit wildem Schäumen
Ein ganzer See dem Meere zu.
So riß nach langen Hoffnungsträumen
Dein Tod mein Leben aus der Ruh.

Hier steh ich in der Wellen Brandung
Und sehne mich und suche dich
Und find im Strudel keine Landung;
Ach, Tod und Nacht umbrausen mich!

Und deiner Mutter muß ich denken:
Wie diese Fichten hängt ihr Mut,
Die sich in ewgem Taue tränken
Mit Haupt und Wurzel in der Flut. –

Doch sieh! es funkeln alle Wellen,
Und plötzlich glüht der Hain in Pracht.
Der Abendsonne Strahlen quellen
Zurück aus Schwarzwaldwassernacht.

Und dräng ein Augenwink vom Himmel
Nicht auch ins finstre Herz hinab?
Er spielt im Wogenstaubgewimmel,
Er perlt im Tau auf einem Grab.


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