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Das Opfer.

1823

In einem Reich gen Morgen
Da glühte der Sonne Brand,
Da schaut' in schweren Sorgen
Der König auf sein Land:
»Es lechzen alle Felder,
Versiegen geht der Fluß,
Es dorren ab die Wälder,
Weh, daß ich es schauen muß!

»Was hilft mir Scepter tragen?
Kann ich zum Strome: Fleuß!
Kann ich zur Wolke sagen:
Die kühle Flut ergeuß! –?«
So hat er lang in Kummer
Von Tag zu Tag gedacht,
So seufzt' er, ohne Schlummer,
Von Nacht zu heißer Nacht.

Und als nun ohne Wolke
Sechs Monden glänzte die Luft,
Tritt er hinaus zum Volke,
Das zu den Göttern ruft.
Es schallten Trauerpsalme,
Davon kein Strauch genas,
Und welk stand jede Palme,
Als wäre sie junges Gras.

Die fetten Äcker darben,
Kein Dampf steigt aus dem Kraut,
Verblüht stehn, ohne Farben,
Die Blumen, wohin er schaut.
Nicht weht ein Strom von Düften
Aus den Gewürzen mehr,
Nicht singt mehr in den Lüften
Der bunten Vögel Heer.

Und unter den Zelten lagen
Die Menschen krank und matt,
Von glühnder Pest geschlagen
Auf schwüler Lagerstatt.
Und war die Sonne gesunken
Nach langem, heißem Lauf,
So sprühten die trüben Funken
Der Scheiterhaufen auf.

Da deckte mit beiden Händen
Der König sein Gesicht:
»Ihr Götter, kann ich wenden
Vom Volke den Jammer nicht?
Gebt mir ein gnädig Zeichen,
Vor keiner Last will ich,
Vor keiner Schmach erbleichen,
Nur, eh'rner Himmel, sprich!«

Da sprachen zu ihm die Götter
Durch seiner Priester Mund:
»Du wirst des Landes Retter
Und schleußt mit uns den Bund,
Wenn zu des Volkes Heile
Das Opfer du gestellt,
Das unter des Priesters Beile
Uns recht willkommen fällt!«

Er läßt Altäre zieren,
Der Hundert führt man drei
Von Schafen und von Stieren,
Die stattlichsten, herbei.
Kein Hauch vom Berge wehet,
Keine Wolk am Himmel stand,
Mit lautem Schalle flehet
Der König und sein Land.

Doch als die Priester hoben
Den blanken Opferstahl,
Die Tiere begannen zu toben
Und starben in Wut und Qual.
Es schaut auf das Gewimmel
Und auf das Blut, das floß,
Mit blauem Auge der Himmel
Hernieder erbarmungslos.

Der König in tiefer Trauer
Ging wieder in sein Haus,
Durchwachte die Nacht in Schauer
Und trat früh morgens heraus.
»Ich weiß,« sprach er mit Stöhnen,
»Nicht anders kommt uns Heil,
Eh von des Landes Söhnen
Zween fallen von dem Beil!«

Zween Knaben widerstrebend
Bringt man, der Jugend Licht: –
»Weh!« ruft der König bebend,
»Der Himmel will sie nicht!
Die Opferflamme dunkelt,
Der Rauch verhüllt sie ganz!
Da droben aber funkelt
Die Sonn' in hellerem Glanz!«

Den König faßt ein Grauen,
Doch spricht er aus das Wort:
»So bringt mir drei Jungfrauen,
Die Knaben führet fort!«
Drei Mägdlein, jung, unschuldig,
Führt man herbei bekränzt,
Sie neigen sich geduldig,
Nur ihre Thräne glänzt.

»Laßt ab, laßt ab!« ruft wieder
Der König zagend aus,
»Die Flamme sinket nieder,
Erlischt in Dampf und Graus!«
Und gräßlich tönt die Klage
Des Volkes in die Luft,
Der König verschließt drei Tage
Sich in der Väter Gruft.

Und an dem vierten Morgen
Tritt er ans Tageslicht,
Gewichen sind die Sorgen
Von seinem Angesicht.
Dem Purpur und der Krone
Hat er den Glanz erlaubt,
Er sitzt auf seinem Throne
Mit hohem, frohem Haupt.

Er spricht: »Ich hab ein Zeichen,
Ich weiß, was ich soll thun;
Mir sagtens der Väter Leichen,
Die in der Halle ruhn.
Es liegt in Balsamdüften
Jung, fröhlich von Gestalt,
Dort mancher in den Grüften,
Und ich bin grau und alt!«

Er stieg von seinem Throne,
Zu Boden warf er sich,
Bleich wurde da die Krone, –
Der Sonne Schimmer wich!
Und wie er vor dem Volke
Inbrünstig betend fleht,
Da flog empor als Wolke
Sein heiliges Gebet.

Er sprach: »Ihr Götter! funden
Hab ich das Opfer gut:
Man heilt des Volkes Wunden
Nicht mit des Volkes Blut.
Empfangt, empfangt mein Leben
Und laßt von eurem Sitz
Die Wolken segnend beben,
Mir aber schickt den Blitz!«

Und als er aufstand, fertig,
Den Tod erfleh'nd als Gunst,
Umarmt allgegenwärtig
Den Himmel dunkler Dunst.
Kein Blitz zuckt ihm entgegen,
Es legt sich nur der Staub,
Es säuselt nur der Regen
Still durch der Bäume Laub.

Die Menge staunt und lauschet,
Der Wind kühlt ab die Glut,
Der Regen strömt und rauschet,
Er wird zu Guß und Flut,
Durch Bart und graue Locken
Der Strom dem König quillt,
Sein Auge bleibt nicht trocken,
Von sel'ger Thrän es schwillt.

Die Vögel fangen zu singen,
Die Kräuter zu duften an,
Der Fluß sich zu schwellen, zu schlingen
In seiner alten Bahn.
Es tönen der Priester Lieder,
Der Dichter Harfe klingt,
Das Volk es wirft sich nieder,
Den Scepter der König schwingt.


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