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Die Glocke vom Wunnenstein.

1821

Es steigt ein schöner Hügel,
Er steht voll Wald und Wein;
Dort weht der Lüfte Flügel
So kühlend und so rein.
Er trägt umsonst von Wonne
Den alten Namen nicht,
Es glänzt sein Haupt voll Sonne
Bis spät zum Abendlicht.

Dort lauschte heilgen Klängen
Die graue Vorzeit schon:
Eine Glocke sah man hängen,
Die gab so hellen Ton.
Sie glänzte goldig im Blauen,
Wenn sie geschwungen ward,
Von frommen Klosterfrauen
Geschenk von seltner Art.

In ihrem Erz da lebte
So segenvolle Macht,
Als wenn ein Herz drin bebte,
Laut schlüg' auf hoher Wacht.
Wenn die Gewitter dräuten,
Hört' man aus hohem Sitz
Sie durch die Donner läuten,
Und sah sie glühn im Blitz.

Und auf die fromme Stimme
Horcht' aller Wolken Schar,
Daß sie in scheuem Grimme
Zerstäubten wunderbar.
Da fuhren links die Wetter
Zum Albgebirge bald,
Und rechts ab mit Geschmetter
Zum fernen Odenwald.

Im tiefen Dorf den Lauben
Kein Blättlein war gekränkt,
Die Pfirschen hatte, die Trauben
Ein süßer Tau getränkt.
Es wogten froh die Ähren,
Und wie vom Regen die Flur,
So glänzte von Freudezähren
Der Menschen Antlitz nur.

Da sieht mit stillem Neide
Heilbronn, die reiche Stadt,
Daß solche Wetterscheide
Ein armes Dörflein hat.
Sie ist bereit zu legen
Ihr Gold den Weg entlang,
Sobald der Glocke Segen
Von ihrem Turme klang.

Und unter dumpfem Dröhnen
Die Glocke steigt vom Turm,
Es tönt, wie banges Stöhnen,
Zerrissner Klang im Sturm.
Auf einen stolzen Wagen
Lädt sie das Stadtvolk auf;
Er kann die Wucht kaum tragen,
Oft stockt der Rosse Lauf.

Und wie sie langsam führten
Durchs Thal den Trauerzug,
Die Wind' und Wolken sich rührten,
Sich senkte der Vögel Flug;
Und brütend lag die Hitze
Auf Feld und Wald ringsum,
Es leckten scheue Blitze
Den Boden bleich und stumm.

Und als sie vor den Thoren
Abluden ihren Hort,
Da sprach in ihre Ohren
Der Donner ein zornig Wort;
Und als man hub die Glocken
Mit Eile den Turm hinan,
Sie kam hinauf nicht trocken,
Zu traufen es begann.

Jetzt ist es Zeit zu läuten,
Der Türmer faßt den Strang.
Doch wehe, was will's bedeuten?
Die Glocke giebt keinen Klang!
Da draußen aber stürmet
Der Hagel und zuckt der Blitz,
Und Wolk' auf Wolke türmet
Des Himmels finstrer Sitz.

Wie bang sie horchen alle
Zum Glockenturm empor,
Nicht tönt von anderm Schalle
Denn schwerem Donner das Ohr.
Es winkt des Himmels Feuern
Das glühende Metall,
Und Häuser und volle Scheuern
Ergreift der Flamme Schwall.

Die Felder sind zerschlagen,
Die Bäume sind zerspellt,
Von Beten und von Klagen
Erschallen Stadt und Feld:
»Die Luft läßt nicht vom Sturme,
Der Himmel hängt voll Nacht,
Seit wir nach unsrem Turme
Den stummen Fluch gebracht!«

So lösen sie mit Zittern
Die Glock' im hohen Haus,
Da hallt von den Gewittern
Der Donner mählich aus.
Mit Macht und Müh gehoben,
Steigt sie zum Wagen empor;
Der blaue Himmel droben
Thut auf das schwarze Thor.

Zwölf starke Rosse ziehen
Am Wagen schnaubend fort;
Doch fehlt die Kraft den Knieen,
Sie kommen kaum vom Ort;
Eilt, eilet, seid nicht träge,
Fort mit dem schlimmen Gast! –
Doch auf dem halben Wege
Erliegen sie der Last.

Es hatten groß Betrüben
Die Bürger bei dem Zug;
Da kommt vom Dorfe drüben
Ein Bäuerlein am Pflug.
Wie der die Glock' erblicket,
So weint er wie ein Kind,
Hat schnell sich angeschicket,
Löst seine Stiere geschwind.

Er spannt sie vor den Wagen
Und schickt die Rosse fort,
Die Bürger stehn und zagen –
Denn auf sein Schmeichelwort
Ermannen sich die Tiere,
Sie ziehen rüstig, leicht,
Am Dorfe sind die Stiere,
Bevor der Tag erbleicht.

O, herzlicher Willkommen
Mit Liedern und Gebet!
Wie, aller Angst entnommen,
Das Dörflein aufersteht!
Denn auf den Knien gelegen
War es in Wettersnacht,
Weil draußen stand sein Segen
Verwaist und unbewacht.

Es stand der Berg im Flimmern
Des letzten Sonnenstrahls,
Und wieder sah man schimmern
Die Wächterin des Thals;
Und als des Abends Dunkel
Verhüllend niedersank,
Ertönt im Sterngefunkel
Von selbst der fromme Klang.


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