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Gespräch.
1830
Komm heraus, Urahn!
      An meinem Arm.
      Die Luft ist warm,
      Die Sonne wandelt auf blauer Bahn.
Grünt der Wald?
      Rauscht der Fluß?
      Schwingt sich die Schlangengestalt
      Angeschwellt vom Frühlingsguß?
      Ich sehe nicht mehr,
      Ich höre schwer.
Wohin dein Finger zeigt,
      Ist kein Baum!
      An der hohen Berge Saum
      Der Wald in die Wolken steigt
      Ferne drüben!
      Hier wachsen Rüben! –
      Sanft und grade,
      Ohne Qual,
      Aus gleichem Pfade
      Schleicht der Kanal.
Aber in Wellen
      Plätschern doch noch
      Unter dem Ruderschlag
      Die vielen Nachen? 
      Weiß wie der Tag
      Werden die Segel doch
      In Lüften schwellen?
      Hörst du lustige Schiffer lachen?
Ich höre das Rad!
      Es klappert, es knarrt!
      Ich atme Rauch,
      Ich sehe die Säule! –
      Da naht,
      Da naht es auch,
      Da kommts in Eile,
      Das große Boot!
      Tag aus Tag ein
      Macht es die Fahrt,
      Da hats keine Not!
      Kein Schiff darf neben ihm sein.
Wende das helle
      Knabenaug ab
      Von der traurigen Welle!
      Nach der goldnen Au,
      Nach der Straße schau!
      Hörst du keines Rosses Trab?
Wie sieht es aus?
      Ich hab noch keines gesehn.
Wie mit Flammenbraus,
      Wie mit Windeswehn
      Muß es fliegen, 
      Das Mähnentier;
      Ach wehe mir,
      Daß ich muß liegen!
      Wie oft durchs Morgenlicht
      Hat der Rappe mich getragen!
Das braucht man jetzt nicht;
      Dort kommt der Dampf-Eilwagen!
Weich aus mit dem Blick!
      Nach der Wies' ihn schick,
      Auf die blumige Heide,
      Auf die grüne Weide!
      Sieh, ob der Klee schon blühe!
      Brüllen die Kühe?
Was denkst du, Ahn?
      Die sind immer alle
      Ruhig im Stalle,
      Liegen sanft, wie im Bett,
      Dort werden sie fett.
      Sie sind viel besser dran!
Lausch auf zum Hügel!
      Braust des Sturmes Flügel
      Noch durch die Ruine?
      Starrt sie aus Lüften hoch
      Mit der trotzigen Miene?
      Rauschet noch
      Durch ihr Kellerloch
      Der Bach? 
      Und drüber, ach!
      Breitet doch noch wunderbar
      Wie ein Riesenaar
      Ein grauer
      Streif ihrer Mauer
      Den steinernen Fittich?
Urgroßvater, ich bitt dich!
      Wie blind ist dein Blick!
      Dort steht ja die Fabrik
      Mit dem roten Ziegeldach,
      Und der Bach
      Fließt in hölzerner Rinne;
      Das schöne, blaue Garn hängt drinne!
Steht mein Dorf noch, o Sohn,
      Mein Haus?
Wir kommen ja davon,
      Wir treten heraus!
Sitzt der Storch
      Auf des Turmes spitzem Dach?
Dort steht das Bethaus breit und flach.
Aber horch!
      Von der Glock' ein Ton,
      Hörst du nichts, mein Sohn? 
Der Schallstab gellt,
      Er schellt
      In die Andachtstunde. –
      Wie waren denn Glocken?
O könnt ich entlocken
      Dem hallenden Grunde
      Des Ohres den Klang,
      Der so lang, so lang
      Schlummert verklungen;
      Wie ihr Mund gesungen,
      Wie die runde
      Tönte geschwungen!
      Es ist aus;
          Führ mich zurück ins Haus. –
      Doch in des Blickes Nacht
      Mischt sich mir Pracht,
      Und Bilder werden munter –
Die Sonne geht unter,
      Dein Auge sieht hinein;
      Urahn! es leuchtet,
      Es glänzt befeuchtet!
Du bist's, du bist's, das wohlbekannte,
      Das heitre Strahlenangesicht!
      Dein Blick, dein Feueratem wandte
      Sich doch von dieser Erde nicht.
      So schienest du mir in die Wiege,
      So wirst du scheinen in mein Grab;
      Mir ist, ringsum verkläret liege
      Das Land, wie es mich einst umgab. 
      Dort rauscht ein Hain, die Blätter brennen
      Durchlauchtig licht, in grünem Saft;
      Dort braust ein Fluß, die Fluten rennen
      In freiem Lauf, in kühner Kraft.
      Die vollgehauchten Segel fliegen,
      Mit Nachen ist der Strom bedeckt,
      Und an den weichen Ufern liegen
      Die gelben Herden ausgestreckt.
Wer sprengt auf schönen schlanken Rossen
      Feldein? es wallt ihr langes Haar.
      Die Lieben sind es, die Genossen!
      Willkommen, jugendliche Schar!
      Kommt ihr herunter von den Trümmern?
      Sucht ihr den Freund, der euer harrt?
      Das kahle Heut soll euch nicht kümmern,
      Vergangenheit ist Gegenwart!
Vater, wo hast du die Worte her?
      So reden die Menschen nicht mehr.
Ward der innere Hall
      Der Seele zum Schall?
      Hab ich laut gesungen?
Wie deiner Rosse Huf
      Hat sich dein Wort geschwungen,
      Wie deiner Glocken Ruf
      Hat es geklungen.
Ahn, es ist schon ganz Nacht!
Zu hell, zu hell!
      Glanz des Himmels, du nahst zu schnell.
Spürst du denn nicht den scharfen Zug?
      Wir stehn da so lang.
Es ist genug,
      Müd bin ich von dem Gang!
      Stütze mich fein,
      Kind, führ mich hinein
      In der Hütte dunkeln Raum,
      Zum Schlaf, zum Traum!