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Im Jahr 2030.

Gespräch.

1830

 

Knabe.

Komm heraus, Urahn!
An meinem Arm.
Die Luft ist warm,
Die Sonne wandelt auf blauer Bahn.

Greis

Grünt der Wald?
Rauscht der Fluß?
Schwingt sich die Schlangengestalt
Angeschwellt vom Frühlingsguß?
Ich sehe nicht mehr,
Ich höre schwer.

Knabe

Wohin dein Finger zeigt,
Ist kein Baum!
An der hohen Berge Saum
Der Wald in die Wolken steigt
Ferne drüben!
Hier wachsen Rüben! –
Sanft und grade,
Ohne Qual,
Aus gleichem Pfade
Schleicht der Kanal.

Greis

Aber in Wellen
Plätschern doch noch
Unter dem Ruderschlag
Die vielen Nachen?
Weiß wie der Tag
Werden die Segel doch
In Lüften schwellen?
Hörst du lustige Schiffer lachen?

Knabe

Ich höre das Rad!
Es klappert, es knarrt!
Ich atme Rauch,
Ich sehe die Säule! –
Da naht,
Da naht es auch,
Da kommts in Eile,
Das große Boot!
Tag aus Tag ein
Macht es die Fahrt,
Da hats keine Not!
Kein Schiff darf neben ihm sein.

Greis

Wende das helle
Knabenaug ab
Von der traurigen Welle!
Nach der goldnen Au,
Nach der Straße schau!
Hörst du keines Rosses Trab?

Knabe

Wie sieht es aus?
Ich hab noch keines gesehn.

Greis

Wie mit Flammenbraus,
Wie mit Windeswehn
Muß es fliegen,
Das Mähnentier;
Ach wehe mir,
Daß ich muß liegen!
Wie oft durchs Morgenlicht
Hat der Rappe mich getragen!

Knabe

Das braucht man jetzt nicht;
Dort kommt der Dampf-Eilwagen!

Greis

Weich aus mit dem Blick!
Nach der Wies' ihn schick,
Auf die blumige Heide,
Auf die grüne Weide!
Sieh, ob der Klee schon blühe!
Brüllen die Kühe?

Knabe

Was denkst du, Ahn?
Die sind immer alle
Ruhig im Stalle,
Liegen sanft, wie im Bett,
Dort werden sie fett.
Sie sind viel besser dran!

Greis

Lausch auf zum Hügel!
Braust des Sturmes Flügel
Noch durch die Ruine?
Starrt sie aus Lüften hoch
Mit der trotzigen Miene?
Rauschet noch
Durch ihr Kellerloch
Der Bach?
Und drüber, ach!
Breitet doch noch wunderbar
Wie ein Riesenaar
Ein grauer
Streif ihrer Mauer
Den steinernen Fittich?

Knabe

Urgroßvater, ich bitt dich!
Wie blind ist dein Blick!
Dort steht ja die Fabrik
Mit dem roten Ziegeldach,
Und der Bach
Fließt in hölzerner Rinne;
Das schöne, blaue Garn hängt drinne!

Greis

Steht mein Dorf noch, o Sohn,
Mein Haus?

Knabe

Wir kommen ja davon,
Wir treten heraus!

Greis

Sitzt der Storch
Auf des Turmes spitzem Dach?

Knabe

Dort steht das Bethaus breit und flach.

Greis

Aber horch!
Von der Glock' ein Ton,
Hörst du nichts, mein Sohn?

Knabe

Der Schallstab gellt,
Er schellt
In die Andachtstunde. –
Wie waren denn Glocken?

Greis

O könnt ich entlocken
Dem hallenden Grunde
Des Ohres den Klang,
Der so lang, so lang
Schlummert verklungen;
Wie ihr Mund gesungen,
Wie die runde
Tönte geschwungen!
Es ist aus;
Führ mich zurück ins Haus. –
Doch in des Blickes Nacht
Mischt sich mir Pracht,
Und Bilder werden munter –

Knabe

Die Sonne geht unter,
Dein Auge sieht hinein;
Urahn! es leuchtet,
Es glänzt befeuchtet!

Greis

Du bist's, du bist's, das wohlbekannte,
Das heitre Strahlenangesicht!
Dein Blick, dein Feueratem wandte
Sich doch von dieser Erde nicht.
So schienest du mir in die Wiege,
So wirst du scheinen in mein Grab;
Mir ist, ringsum verkläret liege
Das Land, wie es mich einst umgab.
Dort rauscht ein Hain, die Blätter brennen
Durchlauchtig licht, in grünem Saft;
Dort braust ein Fluß, die Fluten rennen
In freiem Lauf, in kühner Kraft.
Die vollgehauchten Segel fliegen,
Mit Nachen ist der Strom bedeckt,
Und an den weichen Ufern liegen
Die gelben Herden ausgestreckt.

Wer sprengt auf schönen schlanken Rossen
Feldein? es wallt ihr langes Haar.
Die Lieben sind es, die Genossen!
Willkommen, jugendliche Schar!
Kommt ihr herunter von den Trümmern?
Sucht ihr den Freund, der euer harrt?
Das kahle Heut soll euch nicht kümmern,
Vergangenheit ist Gegenwart!

Knabe

Vater, wo hast du die Worte her?
So reden die Menschen nicht mehr.

Greis

Ward der innere Hall
Der Seele zum Schall?
Hab ich laut gesungen?

Knabe

Wie deiner Rosse Huf
Hat sich dein Wort geschwungen,
Wie deiner Glocken Ruf
Hat es geklungen.

Greis

Immer heller wird die Pracht!

Knabe

Ahn, es ist schon ganz Nacht!

Greis

Zu hell, zu hell!
Glanz des Himmels, du nahst zu schnell.

Knabe

Spürst du denn nicht den scharfen Zug?
Wir stehn da so lang.

Greis

Es ist genug,
Müd bin ich von dem Gang!
Stütze mich fein,
Kind, führ mich hinein
In der Hütte dunkeln Raum,
Zum Schlaf, zum Traum!


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