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Die Schöpfung des Bodensees.

Dieses Gedicht ist, wie dem Verfasser bemerklich gemacht worden ist, weder Romanze, noch Ballade, noch Legende. Er wußte dies vorher. Aber um seiner epischen Form willen und als örtlicher Einleitung in das nächst folgende ist ihm diese Stelle angewiesen worden und geblieben.

1826

Als Gott der Herr die dunkeln Kräfte
Der werdenden Natur erregt
Und zu dem schöpfrischen Geschäfte
Die Wasser und den Grund bewegt;
Und als sich nun die Tiefen senkten,
Die Berge rückten auf den Platz,
Die Ebnen sich mit Bächen tränkten,
In Seen sich schloß der Wasser Schatz:

Da schuf sich auch die Riesenkette
Der Alpen ihrer Thäler Schoß,
Da brach der Strom im Felsenbette
Aus seinem Eispalaste los.
Er trat heraus mit freud'gem Schrecken,
Er wallet hell ins offne Land,
Und ruht in einem tiefen Becken
Als blauer See mit breitem Rand.

Und fort von Gottes Geist getrieben
Wogt er hinab zum jungen Meer,
Doch ist sein Ruhesitz geblieben,
Und Wälder grünen um ihn her;
Und über ihm hoch ausgebreitet
Spannt sich der heitern Lüfte Zelt,
Es spiegelt sich, indem sie schreitet,
Die Sonn' in ihm, des Himmels Held.

Und wie nun auf den weiten Auen
Des ersten Sabbaths Ruhe schlief,
Ließ sich der Bote Gottes schauen
Im lichten Wolkenkranz und rief.
Da scholl gleich donnernden Posaunen
Des Engels Stimme durch den Ort,
Es horchten Erd' und Flut mit Staunen,
Und sie vernahmen Gottes Wort:

»Gesegnet bist du, stille Fläche,
Vor vielem Land und vielem Meer!
Ja rieselt fröhlich nur, ihr Bäche,
Ja ströme, Fluß, nur stolz einher!
Ihr füllet euch in einen Spiegel,
Der große Bilder bald vereint,
Wenn einer, der der Allmacht Siegel
Trägt auf der Stirn, – der Mensch, erscheint.

Erst lebt ein dumpf Geschlecht, vergessen
Sein selbst, im Walde mit dem Tier,
Dann herrscht ein Fremdling, stolz, vermessen,
Ein Sieger mit dem Schwerte hier;
Er zimmert sich den Wald zu Schiffen,
Er öffnet Straßen, baut das Haus;
Dann hat ihn Gottes Hand ergriffen
Und schleudert ihn zum Land hinaus.

Und führt den Stamm mit goldnen Haaren,
Mit blauem Aug', ans Ufer her;
Der hat noch nichts vom Herrn erfahren,
Sein Gott ist Eiche, Fluß und Meer.
Doch schläft im tüchtigen Gemüte
Noch unerweckt des Ew'gen Bild,
Ein Strom der höchsten Kraft und Güte
In seinen vollen Adern quillt.

Der Himmel wird ihm Boten senden,
Die sagen ihm von Gottes Sohn,
Die bauen mit getreuen Händen
In dichten Wäldern seinen Thron.
Dort wird das Licht des Geistes leuchten,
Von dorther der Erkenntnis Quell
Der Erde weites Feld befeuchten,
Dort bleibt's in tiefem Dunkel hell.

Dann werden sich die Haine lichten,
Wie sich der Menschen Herz erhellt,
Dann prangt ein Kranz von goldnen Früchten
Um dich, du segenreiches Feld,
Die Rebe strecket ihre Ranken
In deinen hellen See hinein,
Und schwerbeladne Schiffe schwanken
In reicher Städte Häfen ein.

Und die des Höchsten Krone tragen,
Statthalter seiner Königsmacht, –
An diesen Ufern aufgeschlagen
Sonnt oft sich ihres Hofes Pracht.
Und Völker kommen aus dem Norden
Und aus dem Süden, See, zu dir!
Du bist das Herz der Welt geworden,
O Land, und aller Länder Zier!

Drum sind dir Sänger auch gegeben,
Zween Chöre, die mit deinem Lob
Die warme Frühlingsluft durchbeben,
Wie keiner je sein Land erhob.
Das eine sind die Nachtigallen,
Auf Wipfeln jubelt ihr Gesang,
Das andre sind in hohen Hallen
Die Ritter mit dem Harfenklang.

Wohl ahnst du deinen Ruhm, du wallest
Mit hochgehobner Brust, o See!
Doch daß du dir nicht selbst gefallest,
Vernimm auch deine Schmach, dein Weh!
Es spiegeln sich die Scheiterhaufen
Der Märtyrer in deiner Flut,
Und deine grünen Ufer traufen
Von lang vergoßnem Bürgerblut.

Sei nur getrost! Du blühest wieder,
Du wischest ab die Spur der Schmach,
Und große Sagen, süße Lieder,
Sie tönen am Gestade nach.
Zwar dich verläßt die Weltgeschichte,
Sie hält nicht mehr am Ufersand
Mit Schwert und Wage Weltgerichte,
Doch stilles Gnügen wohnt am Rand.

Der Hauch des Herrn treibt deine Boote,
Dein Netz soll voll von Fischen sein,
Dein Volk nährt sich vom eignen Brote
Und trinkt den selbstgepflanzten Wein.
Und unter deinen Apfelbäumen
Wird ein vergnügt Geschlecht im Glück
Von seinem alten Ruhme träumen:
Wohlan, vollende dein Geschick!«

Der Engel sprach's, der Sabbath endet,
Der Schöpfung Werktag hebt sich an,
Es rauscht der See, die Sonne wendet
Ihr Antlitz ab, die Wolken nahn;
Die Stürme wühlen aus den Schlünden
Den trüben Schlamm ans Licht herauf,
Der Strom hat Mühe sich zu münden
Und sucht durch trägen Sumpf den Lauf.

Doch webt und wirkt im innern Grunde
Der schwerarbeitenden Natur
Das Wort aus ihres Schöpfers Munde,
Sie folgt der vorgeschriebnen Spur.
Von Licht verklärt, von Nacht verhüllet,
Sein bleibt das Wasser, sein das Land,
Und was verheißen war, erfüllet
Der Zeiten Gang auf Flut und Strand.


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