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Das Eßlinger Mädchen.

1816

Melac, der Franzen General
Mit seinen wütgen Scharen
Gezogen kam durchs Neckarthal
Gen Eßlingen gefahren.
Und auf der Burg da sitzt er schon,
Man hört ihn lachend sprechen,
Wie er die Stadt zum Trotz und Hohn
Am andern Tag will brechen.

Er tritt zu äußerst auf den Wall
Am Pulverdampf sich labend,
Der wolkig zieht, mit seinem Schwall
Die ganze Stadt begrabend.
Doch wie den Qualm zerteilt der Wind,
Sieht er ein Häuslein stehen,
Daraus ein schönes Bürgerkind
In halbem Nebel gehen.

Er ist in welscher Glut entbrannt:
»Das Mägdlein will ich haben!
Es giebt in diesem Schwabenland
So viele schöne Gaben:
Mir will der Wein in diesem Thal
Schier wie der heimsche munden,
Darum verlangt mein Herz zumal
Nach heimschen Schäferstunden!«

Noch an demselben Abend steht
Ein Herold vor den Thoren,
Und an die Stadt sein Ruf ergeht:
»Will sie nicht sein verloren,
Soll sie alsbald die schöne Magd
Dem argen Dränger senden,
Sonst rauscht die Stadt, sobald es tagt,
Von tausend Feuerbränden.«

Der frommen Bürger Antwort hat
In gutem Deutsch geklungen:
»Von einer freien Reichesstadt
Wird solches nicht bedungen;
Wir gehen freudig in den Fall,
Wenn keine Seel verdorben,
Und sterben unsre Töchter all,
So sind sie keusch gestorben.«

Der andre Morgen dämmert still,
Die Glocken alle schallen,
Die Stadt als Eine Seele will
Gen Himmel betend wallen;
Da schmückt sich bei der Glocke Klang
Die Jungfrau auserkoren,
Zur Kirche wallt des Volkes Drang,
Sie wandelt nach den Thoren.

Auf geht die Pforte kaum berührt,
War's durch die Hand der Wächter?
War's Gottes Arm, der helfend führt
Die reinste seiner Töchter?
Durch Freund und Feinde frei sie geht,
Die Magd mit stillem Tritte,
Hinauf bis wo die Fahne weht
Von Melacs Lagerhütte.

Gesprungen war er auf in Wut,
Weil ihn ein Traum betrogen,
Der ihm von heißer Küsse Glut
Betrüglich vorgelogen;
Er wirft sich in die Waffen stolz:
Sie sollen's alle fühlen!
Am dürren und am grünen Holz
Will seine Brunst sich kühlen.

Wie er will schreiten aus dem Saal,
Sieht er die Thüre gehen
Und mit dem ersten Sonnenstrahl
Die Jungfrau vor sich stehen;
Mit ihrem Häublein spielt das Licht
Als einem Heilgenscheine,
Aus ihrem blauen Auge bricht
Des deutschen Sinnes Reine.

Nicht Angst, nicht andre Regung zückt
Durch ihre schlanken Glieder,
Die Brust mit frischem Strauß geschmückt
Wallt friedlich unterm Mieder;
Die Hände fromm gefaltet sind,
Schlicht sind die blonden Locken,
Sie schaut ihm wie ein fragend Kind
Ins Antlitz unerschrocken.

So deutscher Schönheit klares Licht
Es leuchtet ihm entgegen,
Auf sein geblendet Angesicht
Muß er die Hände legen.
Gehemmt ist ihm das welsche Wort
Auf seiner schnellen Zungen,
Es zieht ihn rückwärts, treibt ihn fort,
Hat ihn aufs Pferd geschwungen.

Hinaus mit seiner Schar ins Thal
Jagt's ihn weit in die Ferne,
Als fürchtet er den Blitzesstrahl
Aus ihrem Augensterne. –
Die Glocken sind noch nicht verhallt,
Da wandelt zu den Thoren
Herein die fromme Magdgestalt,
Siegreich und unverloren.


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