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Der Graf von Aichelberg.

1830

»Seht ihr das Gut am Berge dort?
Es glänzt wie grüner Edelstein;
Des Lehen soll's von heute sein,
Der zu mir spricht das liebste Wort!«

Und alle Mannen, die zu Pferd
Dem Grafen folgen in das Thal,
Zu sprechen heben an zumal
Ein Wörtlein, das ihm deuchte wert.

Da heißt er gütig, heißt er schön,
Ein reicher Herr an Volk und Feld,
Uralt von Stamm, ein starker Held,
Sein Schloß das herrlichste der Höh'n.

So hallt sein Lob zum Rosseshuf;
Da steht am Weg ein Mütterlein,
Am Stab gebeugt, vom Alter klein,
Die läßt ertönen ihren Ruf:

»Du lieber Sohn! Gott grüße dich!«
So schallt ihr Gruß am Pferd empor,
Der Graf neigt schmerzlich Aug' und Ohr,
Die stolzen Ritter wundern sich.

»Was sprichst du für ein thöricht Wort?
Die Mutter liegt im Grabe mir,
Sie war der Edeltöchter Zier,
Von ihrer Brust trug man mich fort!«

Da sprach das Mütterlein: »Ja, Sohn!
Man trug dich fort von ihrer Brust,
Doch eh du spürtest den Verlust,
Lagst du an meinen Brüsten schon!

»Dein Auge, das so traurig schaut,
Es lachte hold an mir empor,
Es lauschte meinem Lied dein Ohr,
Und sanft war deiner Stimme Laut.

»In deinen Adern floß mein Blut,
Ich stahl die Milch dem eignen Sohn;
Drum laß mir meinen Ammenlohn:
Ich nenne »Sohn« dich wohlgemut!« –

Im Nebel schwamm des Grafen Blick,
Und vor ihm schwankte Berg und Thal,
Dann ward sein Aug' ein Sonnenstrahl,
Er bog vom Pferd sein stolz Genick.

Die Rechte bot er dar der Frau,
Sein Mund auf ihrer Lippe ruht,
Den Rittern stieg zu Haupt ihr Blut,
Er aber deutet auf die Au':

»Siehst du das Gut am Berge dort?
Es glänzt wie grüner Edelstein;
Dein Lehen soll's von heute sein,
Du sprachst zu mir das liebste Wort!«


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