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Der Sänger und die Fremden.

1830

Ein Harfner sitzt auf moos'gen Steinen,
Er läßt das Volk des Weges ziehn,
Er spielt und kümmert sich um keinen,
Und keiner kümmert sich um ihn.

Zuweilen schielet wohl den Sänger
Ein Weidmann oder Pflüger an
Und denkt: Wer ist der Müßiggänger,
Der nur zum Liede klimpern kann?

Man sieht, es mag ihn niemand hören,
Er fährt, in sich versunken, fort,
Als spielt' und säng' er Geisterchören,
Die in der Wolke lauschen dort.

Jetzt nimmt der Wind auf seinen Flügel
Den Ton, der in den Lüften schwamm,
Und trägt ihn über grüne Hügel
Ins Thal, zu einem frohen Stamm.

Da spielt ums Ohr der Hirtensöhne
Der ferne, wunderbare Klang,
Die Frauen horchen auf die Töne,
Und manches pilgert nach dem Sang.

Sie steigen von dem Berge nieder,
Sie reihn sich um den Mann im Kreis
Und trinken seine süßen Lieder,
Indes er nichts von ihnen weiß.

Die Mütter mit den Töchtern lauschen,
Sie senken hold ihr Lockenhaupt;
Des Harfners Töne mächtig rauschen,
Der immer noch sich einsam glaubt.

Doch wie er nun sein Lied geendet,
Schlägt er die Augen auf, erschrickt,
Er spricht: »Wer hat mir euch gesendet,
Euch, die in Wolken ich erblickt?

Und voller schlägt er in die Saiten:
»Nimm an, o Muse, mein Gebet!
Du trägst mein Lied in alle Weiten,
Wenn es die Nähe nicht versteht!

»Du hütest deines Sängers Ehre,
Nie bleibt um ihn die Stätte leer;
Du brächtest ihm selbst über Meere
Das Ohr, das ihn vernommen, her.«


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