Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

5.

Noch erschüttert von der eben erhaltenen Nachricht, trat Milton in das Cabinet des Protektors, wo dieser Audienz ertheilte. Cromwell saß tief in Gedanken versunken mit halbgeschlossenen Augen. Vor ihm lag die geöffnete Bibel, in der er noch so eben gelesen zu haben schien. Von dem Buche schweifte sein Auge nach der Decke und dem Getäfel der Wände. Sinnend betrachtete er die goldene Krone und den königlichen Namenszug, welcher hier noch überall angebracht war. Das war das Ziel seiner Wünsche. Gegenwärtig war er der mächtigste Mann in England, Europa beugte sich vor seiner Macht; Frankreich buhlte um seine Freundschaft und der staatskluge, schlaue Mazarin schmeichelte ihm im Namen seines Gebieters durch Briefe und kostbare Geschenke. Die ganze protestantische Welt sah in ihm ihren Beschützer. Sein bloßes Wort hatte hingereicht den Herzog von Savoyen einzuschüchtern, als dieser mit unerhörter Grausamkeit die Nachkommen der alten Waldenser in den Gebirgsthälern der Alpen um ihres protestantischen Glaubens willen verfolgte. Er stand geehrt und gefürchtet da auf dem Gipfel einer fast unumschränkten Herrschaft, zu der er sich aus niederm Stande lediglich durch seinen Verdienst und die Kraft seines Geistes emporgeschwungen hatte; es fehlte ihm nichts als jene Krone, die ihm hier von allen Seiten entgegenblitzte. Er brauchte nur die Hand darnach auszustrecken, denn das neuberufene Parlament hatte sie ihm freiwillig angeboten, oder vielmehr aufgedrängt; dennoch zögerte er sie anzunehmen. Noch schien ihm nicht die Zeit gekommen, die öffentliche Meinung nicht genügend für den letzten, großen Schritt gestimmt. Durch sie war er stark und mächtig geworden, sie war für ihn die Stimme Gottes, aus die er stets zu hören vorgab. Es war dies keine Heuchelei, sondern seine innerste Ueberzeugung, wenn er sich selbst als ein Werkzeug der Vorsehung, als einen besonders Begnadigten des Herrn betrachtete. Der Glaube an seine Mission wurzelte tief in seiner Seele und dieser Glaube machte ihn vorzugsweise groß. So paarte sich in dieser wunderbaren Natur religiöse Schwärmerei mit einem klaren, nüchternen Verstande, der über dem Himmel nicht die Erde und seine weltlichen Zwecke vergaß, seine Demuth vor Gott war mit einem hohen Selbstgefühl und dem brennendsten Ehrgeize verbunden. Während er voll Frömmigkeit nach Oben schaute, entgingen seinem scharfen Blicke nicht die irdischen Angelegenheiten. Fanatismus und der Geist der Intrigue durchdrangen sich gegenseitig und verstärkten somit ihre Kraft. Ohne seine religiöse Schwärmerei wäre Cromwell Zeitlebens ein gewöhnlicher Ränkeschmied geblieben und ohne seinen nüchternen, durchdringenden Verstand ein blinder Fanatiker wie der Oberst Harrison geworden. Im Besitze dieser beiden sich wiedersprechenden Eigenschaften, war er erst der größte Mann seiner Zeit.

Milton's Eintritt machten seinem Gedankenflug ein Ende. Mit der starken Hand fuhr er einige Mal über die breite Stirn als wollte er die losgelassenen Geister verscheuchen, denen er so eben Gehör geschenkt. Er heuchelte eine vollkommene Ruhe und Gleichgültigkeit, die er erst im Verlauf der Unterhaltung fallen ließ. Mit einer freundlichen Bewegung lud er jetzt den Dichter zum Niedersitzen ein, obgleich er selbst keine besondere wissenschaftliche Erziehung genossen hatte, so achtete er um so mehr Kenntnisse und Gelehrsamkeit an Anderen.

Die beiden Männer boten den größten Contrast dem Beobachter dar; Cromwell war gedrungen und fest gebaut, sein Körper trotz aller Anstrengungen wie aus Granit gehauen; sein geröthetes Gesicht verrieth eine ungemeine Willenskraft und in den starken, plumpen Zügen lag eine Festigkeit, welche unwillkürlich Achtung gebot. Eigenthümlich war sein Blick und der Ausdruck seiner großen klaren Augen, die bald in schwärmerischem Feuer glänzten, bald theilnahmlos und wie nach Innen gerichtet in den Augenhöhlen versunken schienen, bis plötzlich und unerwartet ein Blitz aus ihnen hervorschoß und den Beschauer zu zerschmettern drohte. – Zierlich, fast schwächlich war dagegen die Gestalt des Dichters, feines dunkelbraunes Haar umgab das zarte, leidende Angesicht und die bleichen Wangen; um die hohe Stirn schwebte der geistige Adel des tiefen Denkers und die Spuren seiner angestrengten Arbeit und andauernder Anstrengungen prägten sich in seinem zarten, gebrechlichen Wesen aus. Die leidenden Augen hatten zwar ihren früheren Glanz bewahrt, aber die Unbeweglichkeit der Pupille deutete auf das fast gänzliche Erlöschen der Sehkraft hin. Das Licht aber, das ihnen gebrach, schien jetzt über den ganzen Menschen ausgegossen; er glich einer durchsichtigen Lampe von Alabaster, welche von innen erleuchtet wird. So standen sich hier die beiden Genien der Zeit verkörpert gegenüber, die energische Kraft des Herrschers und der Enthusiasmus des Dichters, das schöne Ideal und die gewaltige Wirklichkeit.

Milton ergriff das Wort und bat um die Begnadigung Overtons, welcher auf Befehl Cromwells in den Tower gebracht worden war.

– Ich möchte gern Eure Bitte bewilligen, sagte der Protector, aber Euer Freund selbst macht mir die Erfüllung schwer. Gott ist mein Zeuge, daß ich ihm wohl will, und daß es mir leid thut, einem alten Waffengefährten mit solcher Strenge zu begegnen. Ich trage nicht die Schuld, sondern er sowohl, wie Harrison haben mich gezwungen. Der Herr allein kennt mein Herz und wird richten zwischen mir und ihnen. Sagt selbst, ob ich anders kann. Sie haben sich verschworen gegen die Regierung und die Armee aufgewiegelt. Wären es Königlichgesinnte gewesen, ich hätte ihnen den Kopf abgeschlagen, so, weil es alte Freunde sind, begnüge ich mich, sie in Sicherheit zu bringen.

– So viel ich weiß, besteht ihr einziges Vergehen darin, daß sie der Republik allzu sehr anhängen.

– Schwärmer sind Beide, unverbesserliche Tollköpfe, welche das Unmögliche wollen und darüber den Staat in Verwirrung setzen. Ginge es ihnen nach, so dürfte es gar keine Regierung geben. Sie träumen von einem gesellschaftlichen Zustande, der die vollendetste Anarchie wäre. Das kann ich nicht dulden und deshalb blieb mir nichts übrig, als sie unschädlich zu machen. Ich schwöre Euch zu, daß weder ihm noch Harrison ein Leid geschehen soll. Der Herr behüte mich, daß ich so wackeren Männern, welche ihr Blut für die gute Sache hingegeben, das Leben nehmen sollte; nur im Gefängnisse will ich sie halten, bis sie zur besseren Einsicht gelangt sind. Seid nicht betrübt, Herr Staatssecretär, und zürnt mir nicht, wenn ich Euch diesmal abschläglich bescheide. Ihr wißt, daß ich Euch gewogen bin und gern mit Euch verkehre; Wenn Ihr sonst was auf dem Herzen habt, so sprecht Euch aus, denn ich halte Euch für einen eben so klugen, als bescheidenen Mann.

So kam der Protector unbewußt dem Dichter entgegen und dieser ergriff ohne Zögern die Gelegenheit, seine Gedanken vor jenem auszusprechen.

– Nicht mein Freund allein, sagte er ernst, bekümmert mich, sondern weit mehr noch das Schicksal einer theuern Freundin, fast möchte ich sagen der Geliebten meiner Jugend.

– Ei, ei! rief Cromwell im scherzhaften Tone. Hat der Herr Staatssecretär auch ein Liebchen? So viel ich weiß, seid Ihr verheirathet und mir immer als ein sehr moralischer Mann gerühmt worden.

– Ich spreche auch von keinem irdischen Weibe, sondern von der göttlichen Freiheit und von dieser Republik. Allgemein glaubt man, daß Beiden Gefahr drohe.

– Und von wem? fragte der Protector aushorchend.

– Von einem Manne, den die Vorsehung so hoch erhoben, wie keinen andern Sterblichen, der England von unerträglicher Tyrannei befreit, der die Feinde des Volkes in unzähligen Schlachten glorreich überwunden hat und dem das dankbare Vaterland in Achtung und Liebe noch heute ergeben ist.

– Und was sagt man von diesem Manne setzt?

– Daß er die Hand nach einer Krone ausstreckt und nach einem eitlen Titel geizt, dessen seine Größe nicht bedarf. Noch wollen, noch können die Freunde der Freiheit dieser Nachricht keinen Glauben schenken; sie vermögen nicht von dem Großen so klein zu denken. Er wird die Erwartung, die einzige Hoffnung, welche unserem Vaterland noch übrig bleibt, ehren und sich nicht selbst erniedrigen.

Milton machte eine kleine Pause, um den Erfolg seiner kühnen Worte abzuwarten. Cromwell blieb indeß stumm und schien in tiefe Gedanken versunken. Von seiner eigenen Begeisterung hingerissen, setzte der Dichter jede Scheu als seiner unwürdig bei Seite und redete den Protector ohne fernere Umgehung und Verhüllung an.

– Ehren Sie, rief er mit gerötheten Wangen und voll heiliger Glut, ehren Sie den Anblick und die Wunden so vieler tapferen Männer, welche unter der Anführung Ihrer Herrlichkeit mit dem größten Muthe für die Freiheit stritten; die Manen derjenigen, welche in dem rühmlichen Kampfe unterlagen; ehren Sie den Ruf, den wir uns bei den auswärtigen Völker erworben haben; vergessen Sie nicht, wie Großes sich diese von unserer so muthig erworbenen Freiheit, von unserer so rühmlich errichteten Republik versprochen haben. Sollte diese schnell, wie eine unzeitige Geburt, dahinschwinden, so könnte uns nichts Schimpflicheres, keine größere Schmach widerfahren.

– Ich bin nur ein Werkzeug in der Hand des Herrn, unterbrach Cromwell den Redner, als wollte er sich vor ihm und sich selbst entschuldigen.

– Darum ehren Sie sich selbst. Nachdem Sie zur Erwerbung der Freiheit so viele Mühseligkeiten erduldet, sich so großen Gefahren ausgesetzt haben, so dürfen Sie nie durch sich selbst verletzt, nicht vor Andern auch nur im geringsten Grade erniedrigt werden. In der That Sie können unmöglich frei sein, wenn wir Alle es nicht sind; denn die Natur hat die Bestimmung getroffen und angeordnet, daß derjenige, welcher die Freiheit seiner Nebenmenschen antastet, zuerst seine eigene verlieren und die Sclaverei an sich selbst empfinden muß, was nur recht und billig ist. Aber wenn der Verfechter und gleichsam der Schutzengel des Landes, wenn der, welchen man allgemein für vorzugsweise gerecht, fromm und tugendhaft hält, zuletzt selbst Angriffe auf die Freiheit macht, welche er vorher vertheidigte, so muß eine derartige Handlungsweise nicht nur für ihn selbst, sondern für die heiligen Interessen der Frömmigkeit höchst verderblich und fast tödtlich sein. Die Wahrheit wird durch ihn vergiftet, Rechtschaffenheit und Religion zu einem Gaukelspiel herabsinken und alle Achtung auf der Welt verlieren; der Menschheit würde eine Wunde geschlagen werden, eben so tief und traurig wie die, welche der Fall der ersten Eltern in die Welt gebracht hat.

Mochte Cromwell wirklich erschüttert sein, ein tiefer Seufzer entrang sich seiner Brust. Ohne seine wahre oder erheuchelte Rührung zu beachten, fuhr Milton fort.

– Wohl weiß ich es, Sie haben eine unaussprechlich schwere Last auf sich genommen, eine Last, welche ihre innersten Eigenschaften auf die Probe stellt, den ganzen Menschen mit allen seinen Gaben, geistigen Fähigkeiten und Kräften in Anspruch nimmt, ihn gleichsam auf die Waagschale legt, welche auf eine entscheidende Weise offenbaren muß, ob wirklich die Frömmigkeit, Treue, Gerechtigkeit und Mäßigung in Ihnen vorhanden ist, um derentwillen wir glauben, daß Gott Sie vor Allen berufen, auserwählt und zu dieser höchsten Stelle erhoben hat.

– Ich bin nur ein schwacher Mann, ein Gefäß in seinen Händen, murmelte der Protector. Wahrlich aus dir spricht der Herr, darum rede getrost und ohne Furcht.

– Drei der mächtigsten Nationen, fuhr Milton ermuthigt fort, sollen durch Ihren Rath und Beistand geleitet, ein großes Volk durch Ihre Bemühungen gehoben und von seinem verkehrten Beginnen durch angemessene Zucht und Beispiel zum Besseren zurückgeführt werden. Ihr mit Sorgen aller Art beladener Geist muß über die entferntesten Gegenden wachen, beständig nachdenken, und vorsehen, keine Arbeit scheuen, allen Verlockungen widerstehen, weder durch Macht noch Reichthum sich überheben; das sind allerdings so schwere Pflichten, daß in Vergleich mit ihnen der Krieg wie ein bloßes Spiel erscheint; diese Pflichten erfordern einen Mann, der durch göttlichen Beistand gestützt und fast von Gott selbst ermahnt wird, von dem er unmittelbar seine Belohnung erhält.

– Du hast Recht, sehr Recht, entgegnete Cromwell. Der Herr selber wird mich erleuchten.

– Ich zweifle nicht, daß er mit Ihnen ist. Sie aber werden meine schwachen Worte beherzigen, vorzüglich jedoch in Erwägung ziehen, wie Sie all diesen wichtigen Pflichten genügen können, um unsere Freiheit nicht nur zu sichern, sondern noch zu mehren.

Als Milton schwieg, erhob sich der Protector von seinem Stuhl und ging nach seiner Gewohnheit mit mächtigen Schritten auf und nieder.

– Geh, geh! sagte er, die gewichtige Hand ihm auf die Schultern legend, du bist ein wackerer Mann und ich wollte, daß ich deinen Geist und deine Tugend hätte; doch der Herr hat seine Gaben verschieden ausgetheilt; dir hat er das Wissen und die Macht der Sprache verliehen, mir dagegen –

Cromwell vollendete nicht, mit einer wohlwollenden Bewegung verabschiedete er den Dichter, welcher mit frischem Vertrauen und voll Hoffnung von dem gewaltigen Mann schied. – Als er gegangen war, überließ sich der Proteetor von Neuem seinen Gedanken. Wieder begann in seinem Innern jener lange Kampf zwischen seinem Ehrgeiz und der Pflicht. Die Versuchung war zu groß, und bald bemächtigten sich seiner die alten Dämonen. Er gedachte einer früheren Prophezeihung, wie er als Knabe auf die Schule zu Cambridge in einem lateinischen Schauspiel, das den Kampf der menschlichen Glieder darstellte, für die »Zunge« in die Schranken getreten war und zum Schluß als Sieger gekrönt wurde, wobei ihm seine Mitschüler auf den Knieen huldigten. Diese kindische Spiele fielen ihm unwillkürlich ein und erfüllten ihn von Neuem mit jenem fanatischen Aberglauben an seine Mission.

Eine Tapetenthüre öffnete sich leise und durch dieselbe schaute der Kopf eines Mannes, vorsichtig umherspähend. Das Gesicht von tausend kleinen Falten und Linien durchkreuzt, die scharfen blinzelnden Augen und die geschmeidige Haltung des gebückten Körpers kündigten einen eben so schlauen als gewandten Diener an. Es war der Vertraute des Protectors.

– Thurloe! rief dieser, nur herein. Wir sind jetzt ganz ungestört. Was bringst du?

– Gute Nachrichten. In wenig Augenblicken werden die Commissarien des Parlaments hier sein, um Ihnen die Krone anzubieten und Ihre Entscheidung entgegenzunehmen. Ich bin ihnen vorangeeilt, um Eure Herrlichkeit darauf vorzubereiten.

– Ich danke dir; aber es ist schwer, einen Entschluß zu fassen. Die Sache hat noch immer so manche Schwierigkeit.

– Wie, Sie zögern eine Krone anzunehmen?

– Neue Bedenklichkeiten erheben sich in meiner Seele. So eben hat mich ein Mann verlassen, der mit mir darüber gesprochen hat. Ich gestehe dir, daß seine Worte einen großen Eindruck auf mich gemacht haben, obgleich er ein halbblinder Schwärmer ist.

– Der Staatssecretär Milton.

– Derselbe, ein sehr achtbarer Mann und so wie er, denken viele in England.

– Wenn Eure Herrlichkeit auf jeden Phantasten hören wollen, so werden Sie nie das glorreiche Ziel erreichen, welches Ihnen vorschwebt.

– Du hast Recht, Thurloe. Laß die Commissarien des Parlaments eintreten.

Cromwell empfing dieselben stehend. An ihrer Spitze befand sich Lord Brogbill, welcher das Wort führte. Er faßte noch einmal alle Gründe zusammen und drang in den Protector, den Namen eines Königs endlich anzunehmen, nachdem er schon längst die Macht eines solchen besessen habe. Cromwell hörte diese Vorstellung mit offener Befriedigung an, in die sich jedoch eine große innere Gährung mischte. Es war dies der bedeutendste Moment seines Lebens. Eine Krone wurde zu seinen Füßen niedergelegt und er brauchte sich nur bücken, um dieselbe aufzuheben. Während er anscheinend ruhig zuhörte und Alles in Erwägung zog, ging er im raschen Fluge noch einmal die verschiedenste Seiten seiner Lage durch, die fernen und nahen Beziehungen, die wahrscheinlichen, oder auch nur möglichen Folgen dieses Schrittes. Er zählte seine Feinde, die Menge seiner Widersacher, er berechnete die ihnen zu Gebote stehenden Hülfsmittel; seinem Scharfblick entging kein noch so unbedeutender Punkt. Mit gewohnter Klarheit beurtheilte er die Vortheile und Nachtheile seiner gegenwärtigen Situation. Es war nicht das Schwanken der Schwäche, sondern das Zögern der Klugheit, welche ihn noch immer eine ausweichende Antwort geben ließ. Trotz seines Ehrgeizes ließ er sich nicht blenden und hinreißen, mit großer Selbstbeherrschung prüfte er von Neuem alle Gründe. Sein Bescheid war weitschweifig mit Reflexionen, Erinnerungen, Ahnungen und Anspielungen bunt gemischt; er sprach dunkel und unzusammenhängend, zuweilen aus Ungeduld, zuweilen aus Absicht, dazwischen ließ er wieder einige Lichtstrahlen durchschimmern, häufig sagte er das Gegentheil von dem, was er wirklich dachte, wie ein Mann, der fest entschlossen ist, keine bestimmte Andeutungen über seine Entschlüsse zu geben, welch nichts desto weniger bei ihm vollkommen klar und unwiderruflich standen.

– Wenn Eure Gründe, sagte er den Commissarien, mir das Königthum aufzunöthigen, sich auf die Nothwendigkeit stützen, so habe ich nichts dagegen zu sagen, denn was sein muß, muß sein. Aber wenn man außer diesem Mittel noch ein anderes, oder einen Ausweg finden kann, so sind Eure Gründe nicht mehr unbedingt entscheidend und die Frage ist nicht mehr die Frage der Nothwendigkeit, sondern lediglich der Nützlichkeit. Ich habe diese meine gegenwärtige Stellung nicht aus Hoffnung, Gutes auszurichten, übernommen, sondern mit dem Wunsche, viel Schlimmes zu verhindern, was ich über diese Nation kommen sah; wir waren im Begriff, uns in Verwirrung und Unordnung, sowie in Blutvergießen zu stürzen; ich war bloß ein Werkzeug derer, welche mich aufforderten, die Last der Regierung zu übernehmen. Einige von Euch wissen es und es geziemt mir, zu sagen, daß auch ich weiß, was von Anfang mein Beruf war. Von meiner ersten Betheiligung an den öffentlichen Angelegenheiten bin ich von Stufe zu Stufe aufgestiegen. Anfangs war ich Hauptmann einer Escadron Reiter und ich bestrebte mich, meine Pflicht so viel als möglich zu erfüllen, und es hat Gott gefallen, mich darin zu segnen. Ich hatte damals einen würdigen Freund, einen edlen Mann, dessen Gedächtniß Euch Allen werth ist, Mr. Hampden. Während unseres ersten Feldzugs sah ich, daß unsere Leute überall geschlagen wurden; ich bat Mr. Hampden, das Heer mit ein Paar neuen Regimentern zu verstärken und sagte ihm, daß ich ihm die Leute verschaffen wollte erfüllt von einem Geiste, der in unserem Unternehmen etwas ausrichten könne. Ich spreche die Wahrheit; Gott weiß, daß ich nicht lüge. »Eure Reiter, sagte ich zu ihm, sind meist heruntergekommene Bediente, Kellner und andere Leute dieser Art, die der Feinde sind Söhne von Edelleuten und Personen von Stand. Glaubt Ihr, daß solche gemeine Burschen Muth genug haben, um es mit Edelleuten aufzunehmen, die voll Ehrgefühl und Entschlossenheit sind? Nehmt nicht übel, was ich Euch sage, ich weiß, Ihr werdet es nicht übel nehmen; Ihr müßt auch Leute haben, erfüllt von einem Geiste, der sie eben so weit treibt, als diese Junker, sonst werdet Ihr immerfort geschlagen werden.« Mr. Hampden war ein weiser und würdiger Mann; er antwortete mir, daß ich recht habe, daß aber mein Vorschlag nicht ausführbar sei. Ich sagte ihm, daß ich etwas darin thun könnte und ich habe Wort gehalten. Schreibt dies zu, wem Ihr wollt; ich warb Leute, welche die Furcht Gottes vor Augen hatten und, was sie thaten, mit Gewissenhaftigkeit verrichteten und von diesem Tage an, sage ich Euch, wurden sie niemals geschlagen, sondern schlugen überall den Feind, wo sie ihn trafen. –

Cromwell machte eine Pause in seiner Rede, als wollte er die Wirkung der gesprochenen Worte entdecken. Die Commissarien waren in Verlegenheit, da sie den Zusammenhang mit dem eigentlichen Zweck ihrer Verhandlung nicht begreifen konnten. Sie waren jedoch höflich genug, eine beipflichtende Miene zu machen.

– Ich werde so kühn sein, fuhr der Protector fort, dies auf unsern gegenwärtigen Plan anzuwenden. Ich sage Euch, es giebt noch Männer in dieser Nation, fromme Männer, von demselben Geiste erfüllt, die sich nicht vom Weltsinn besiegen lassen, so lange sie ihre Rechtschaffenheit behalten, und ich handle gewiß aufrichtig gegen Euch, wenn ich Euch sage, daß Gott gewiß nie die Sache, möge sie nun das Königthum oder etwas Anderes sein, segnen wird, womit diese Leute mit Grund und Recht unzufrieden sind. Freilich können sie ohne Grund unzufrieden sein und ich wäre ein Sclave, wenn ich mich solchen Launen fügte. Aber ich sage Euch, es giebt ehrliche und getreue Männer, getreu den Interessen der Regierung und der Volksfreiheit, welche, wie ich wohl weiß, sich diesen Titel nicht gefallen lassen. – Die göttliche Vorsehung hat den Königstitel thatsächlich verworfen; die Verwerfung war das Ergebniß von zehn oder zwölf Jahren Bürgerkrieg, wo viel Blut geflossen ist und nicht in einem Anfall übler Laune oder Leidenschaft, sondern in Folge einer ernsten und langen Erwägung hat die Nation diese Maßregel ausgeführt. Ich untersuche hier nicht die Gerechtigkeit von dem, was geschehen ist; aber wenn sich überhaupt darüber streiten läßt und wenn man sieht, daß Gott in seinem Zorn nicht nur ein ganzes königliches Haus, sondern auch den Namen und Titel ausgerottet hat, so sage ich, daß ich es nicht gethan habe und auch nicht diejenigen, welche mir die Macht angeboten haben, sondern das lange Parlament. – Wahrlich es ist das größte Elend einer Nation, keine feste Regierung zu haben, und fürwahr, ich habe es bereits gesagt, und ich sage es nochmals, ich glaube, daß die von Euch vorgeschlagene Regierungsform dazu beitragen wird, die Nation Alles genießen zu lassen, wonach sie strebt. – Ich habe jetzt Eure Meinung vernommen und Ihr die meinige; der Herr möge den Ausgang herbeiführen, an dem er Wohlgefallen hat.

Mit dieser charakteristischen Antwort verließ Cromwell die Commissarien, welche ihm eine Krone angeboten hatten. Als sie gegangen waren, fragte ihn sein Geheimschreiber Thurloe um seine wahre Meinung.

– Es ist ein schönes Ding, sagte Cromwell, den Vertrauten lächelnd am Ohre zupfend, um eine Krone, aber ein gutes Gewissen ist noch schöner. Der Herr wird Alles zum Besten fügen. Kommt, wir wollen zum Essen gehen, die lange Rede hat mir einen guten Appetit und den Herren Commissaren gewiß viel Kopfzerbrechen gemacht.


 << zurück weiter >>