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3.

Unterdeß hatte Cromwell durch seine Tapferkeit die neue Republik in wenigen Wochen von allen ihren Feinden befreit. Die aufständischen Irländer wurden zunächst von ihm besiegt und der Aufruhr mit furchtbarer Strenge unterdrückt. Hierauf wandte er sich gegen die Schotten, in deren Mitte sich Karl der Zweite befand. In zwei Schlachten auf das Haupt geschlagen, irrte der junge Prinz als Geächteter im Lande und entkam nur durch ein Wunder nach Frankreich. Nach diesen Siegen kehrte Cromwell nach London im Triumph zurück. Umgehen von seinen Offizieren und gefolgt von zahlreichen Gefangenen hielt er seinen feierlichen Einzug in die Hauptstadt. Das Parlament, welches nur gezwungen seine Verdienste anerkannte und in dem siegreichen General mit Recht den künftigen Usurpator fürchtete, schickte ihm vier Commissarien bis Aylesbury entgegen, um ihn zu begrüßen. In London selbst empfingen ihn die Sprecher des Parlaments mit einer großen Anzahl von Mitgliedern, der Präsident des Staatsrath mit dem Lord-Major und den Aldermen der City. Tausende von angesehenen Bürgern schlossen sich ihnen an und geleiteten Cromwell unter dem Donner der Artilleriesalven und dem Zujauchzen des Volkes nach Withehall.

Der General empfing alle diese Ehren mit frommer Bescheidenheit; er sprach wenig von seinem eigenen Verdienste und schrieb seine Triumphe der Gnade Gottes und der Tapferkeit seiner Soldaten fast einzig und allein zu. Indeß unter seiner Bescheidenheit brachen doch von Zeit zu Zeit Aeußerungen einer schlecht verhehlten Freude und des versteckten Ehrgeizes hervor. Er belohnte die vom Parlament abgeordneten Commissarien mit fürstlicher Freigebigkeit, indem er ihnen nicht nur erbeutete Pferde, sondern auch einige reiche und vornehme Gefangene zum Geschenke machte, von denen zu erwarten stand, daß sie für ihre Freilassung einen hohen Preis bezahlen würden. Er bestrebte sich bereits, Freunde und ergebene Anhänger zu verschaffen. Seine Miene, sein Wesen und seine ganze Sprache schien eine völlige Umwandlung erlitten zu haben und trug das deutliche Bewußtsein seiner unbestrittenen Macht zur Schau. Alle diese Anzeichen vermehrten die Furcht des Parlaments vor dem Einflusse und den Plänen des glücklichen Feldherrn, der an der Spitze einer siegreichen Armee Alles fordern, Alles wagen durfte. Dieses Mißtrauen mußte früher oder später zum offenen Bruche führen, und in der That schien auch der Kampf unvermeidlich. – Cromwell stützte sich auf das Heer und rechnete auf die Blößen, welche ihm seine Gegner täglich gaben. Er beeilte sich nicht den entscheidenden Schlag zu führen, sondern bereitete im Stillen Alles vor. Wenig große Männer besaßen die instinktmäßige Klugheit und den scharfen Blick dieses Emporkämmlings. Anscheinend unthätig, beobachtete er, wie die Spione im Netze, seine Feinde. Wie diese war er mit der feinsten Witterung für die öffentliche Meinung und die Stimmung des Volkes begabt. Indem er sich mit dieser verband, erlangte er eine Riesenstärke, eine dämonische Gewalt. – Seit dem Beginn der Bürgerkriege vereinte das Parlament in sich die gesammte Gewalt und wie immer fiel auch auf dasselbe die ganze Verantwortung. Zu lange hatte es regiert, um nicht in der Nation den Wunsch nach einer Veränderung zu erregen. Wie jede derartige Versammlung, war auch diese nicht von Fehlern, Schwächen und Mängeln frei zu sprechen, welche mit der Herrschaft unwillkürlich verbunden sind. Es fehlte ihm nicht an Gegnern, unter denen der streitsüchtige John Lilburne der bedeutendste war. Selten erfreute sich ein Mann einer ähnlichen Popularität, er wurde von dem Volke und besonders von den unteren Schichten Londons angebetet. Schon unter Karl dem Ersten hatte er den Ruf eines Märtyrers für die Freiheit errungen und sein unruhiger Geist trieb ihn nach der Hinrichtung des Königs zu einer eben so hartnäckigen Opposition gegen das Parlament. Seine Zeitgenossen charakterisirten seine Streitsucht am Besten durch den Ausspruch, daß, wenn John Lilburne allein auf der Welt zurückbleibe, John mit Lilburne zu hadern anfangen würde. Doch nicht dieser angeborne Trieb, sondern weit mehr noch leitete ihn eine strenge Achtung des Rechtes und der jedem Engländer zukommenden Garantien. Er besaß in der City, wo er seine Jugend verlebt und auch in der Armee, wo er mit Ehren gedient hatte, eine zahllose Menge von Freunden, Bürger und Lehrburschen, Offiziere und Soldaten, religiöser und politischer Schwärmer, die sämmtlich gleich ihm mit Leidenschaftlichkeit an den demokratischen Ideen und Gefühlen hingen, Zänker und Raisonneurs, wie er selber einer war, die sich weder um die Bedingungen der bürgerlichen Ordnung, noch um die Grundlagen der Staatsgewalt kümmerten, sondern sich stets geneigt zeigten, die letztern zu bekriteln und anzugreifen, wenn sie nicht ihren Forderungen und Träumen entsprach, oder gar ihren Stolz und ihrem Gewissen hindernd in den Weg trat. Lilburne besaß aber nicht nur die Fähigkeit durch seine Schriften Mißstimmung zu erregen, sondern die weit gefährlichere Gabe diese zur vollen Gährung zu bringen. Er war unermüdlich thätig in Betreibung von Petitionen, in Abhaltung von aufrührerischen Volksversammlungen, in Bearbeitung der Armee, kurz, in allen demokratischen Maßregeln, welche geeignet sind, den Geist des Aufruhrs wach zu halten und die bestehenden Gewalten zu erschüttern. Diesem merkwürdigen Manne war es mit der Zeit gelungen, das Parlament in den Augen der Menge herabzusetzen und dessen Ansehen zu untergraben. Unbewußt diente er dabei dem Ehrgeize Cromwell's, gegen den er später mit derselben Heftigkeit verfuhr.

Dieser benutzte nur die vorhandene Stimmung, die er selbst im Stillen zu nähren suchte. Zu diesem Behufe versammelte er häufig die einflußreichsten Parteihäupter und Führer des Heeres, theils um ihre Ansichten mit gewohnter Vorsicht zu erforschen, theils um sich ihrer Beihülfe für seine Pläne zu versichern. So ließ er im Stillen den Entschluß reifen, der schon lange Zeit in seiner Seele schlummerte. Bevor er jedoch zur Gewalt schritt, wollte er erst noch einen friedlichen Weg betreten, um sich seiner Gegner zu entledigen. Allgemein äußerte sich bereits die Abneigung und Ermüdung gegen das sogenannte lange Parlament, das sich selbst überlebt hatte. Eine Menge von Pamphlets und Schmähschriften, welche mit jedem Tage beleidigender wurden, waren gegen dasselbe in Umlauf. Die Verachtung verband sich mit dem Hasse, und die Waffen, deren man sich bediente, waren häufig die der bittersten Ironie und des beleidigenden Spottes. Vergebens waren alle Verbote und Verfolgungen gegen die Beleidiger, weder sein Zorn noch die Gewalt des Staatsrathes konnten ihm die verlorene Würde wiedergeben und die Feinde zum Schweigen bringen, welche wußten, daß Cromwell selbst ihre Ansicht theilte und im Stillen ihr Bundesgenosse war. Das Parlament war bereits moralisch todt und dennoch wollte es sein Scheinleben mit Gewalt fortsetzen; es fehlte ihm sowohl die geistige, wie die materielle Macht, weder das Volk, noch die Armee, welche sich in gemeinschaftlicher Antipathie verbanden, wollten noch ferner etwas von ihm wissen. – Unter diesen Verhältnissen hielten es die Führer der republikanischen Partei selber für gerathen, die Auflösung des Parlaments zu beantragen und eine neue Wahl zu veranlassen. Indeß trafen sie im Voraus solche Maßregeln, welche ihre Wiedererwählung sichern und nach wie vor die Regierung in ihre Hände legen sollte. Ueber dieses handgreifliche Lügenspiel gerieth Cromwell in den größten Zorn und er beschloß bei sich selbst, jeden derartigen Schritt zu hindern. Häufiger wiederholten sich in seiner Behausung die Zusammenkünfte seiner Freunde, zu den alten suchte er noch neue Anhänger zu gewinnen, bis er endlich sich stark genug fühlte, um offen mit seinem Anschlage hervorzutreten, nämlich das Parlament mit Gewalt auseinander zu jagen. Was kein König von England je versucht, was Karl Stuart trotz seiner absolutistischen Gelüste nicht einmal zu denken gewagt, unternahm jetzt Cromwell ohne zu schwanken. Während das Parlament seine Sitzung hielt, verließ der General seinen Palast, begleitet von fünf bis sechs Offizieren. Unterwegs nahm er eine Abtheilung von Soldaten mit, welche für diesen Fall schon in Bereitschaft standen. Als er in Westminster angekommen war, stellte er einen Theil der Truppen vor der Thür, einen andern auf dem Flur und noch einen andern vor dem Sitzungssale auf; er allein trat in denselben, ohne Aufsehn zu erregen. Er trug einen schwarzen Frack und graue wollene Strümpfe, wie er immer zu gehen pflegte, wenn er nicht in Uniform erschien. Cromwell setzte sich auf seinen gewöhnlichen Platz und schien aufmerksam den Verhandlungen zuzuhören, nur zuweilen flog ein grimmiges, oder spöttisches Lächeln über das ernste Gesicht. Wie der Adler verhielt er sich stumm und lautlos, ehe er auf die Beute niederschoß. Keine Miene verrieth seine innere Bewegung und doch pochte heute vielleicht zum ersten Male sein Herz stürmischer gegen die eherne Brust, als in mancher heißen Schlacht. Er stand an dem gefährlichen Rubikon, im nächsten Augenblicke war er entweder ein geächteter Verräther oder der unumschränkte Herr und Gebieter von drei Königreichen.

St. John, einer seiner Freunde, begrüßte ihn. Jetzt erst brach Cromwell sein Schweigen und ließ in dunklen Worten seine Absicht ahnen.

– Ich habe gethan, sagte er, was mir das Herz abdrückt, wovon mich zu entbinden ich Gott mit Thränen gebeten habe; ich möchte mich lieber in Stücke hauen lassen, als es thun; aber die Nothwendigkeit lastet auf mir, zum Ruhme Gottes und zum Wohle der Nation.

– Ich weiß nicht, entgegnete St. John, was Ihr sagen wollt, aber Gott gebe, daß, was Ihr auch thut, zum Heile der Republik ausschlagen möge.

Bestürzt begab derselbe sich auf seinen Platz zurück und ließ Cromwell in tiefem Nachdenken.

Sir Harry Vane, der geistreiche und ehrliche Schwärmer, redete noch immer, er verlangte eine unbedingte Annahme der vorgeschlagenen Maßregeln und seine glühende Beredsamkeit schien den größten Eindruck auf das Haus zu machen.

Jetzt hielt Cromwell den entscheidenden Augenblick für gekommen und gab dem Oberst Harrison, dem er die Ausführung seines Planes anvertraut hatte, das verabredete Zeichen. Der unerschrockene Krieger bangte vor der Verantwortung und der Bedeutung des Moments.

– Dies ist der Augenblick, sagte Cromwell, ich muß es thun!

– Mylord, flüsterte Harrison ängstlich, bedenkt es wohl, das Werk ist groß und gefährlich.

– Du hast Recht, erwiederte Cromwell und blieb in Gedanken versunken. –

Eine Viertelstunde war verflossen, eine Viertelstunde voll der größten Spannung und Aufregung für den General. Vor seinen Blicken schwebte ein Schaffot und eine Königskrone, entweder erwartete ihn der Tod durch Henkers Hand, oder der Thron von England. Schon die nächste Minute konnte die Entscheidung bringen. Er murmelte etwas, das wie ein Gebet klang, als wollte er Gott zum Bundesgenossen seiner Pläne machen. Wie wilde Wogen drängten sich Gedanken und Empfindungen in ihm, Ehrgeiz und Pflichtgefühl, Stolz und fromme Demuth, Wahrheit und Lüge stürmten in raschem Fluge noch einmal an ihn vorüber. Unwillkürlich schauderte er vor dem letzten Schritt zurück, doch kein Augenblick war zu verlieren. Vane hatte aufgehört zu reden und der Sprecher wollte zur Abstimmung schreiten.

Der wichtige Zeitpunkt schien ihm gekommen zu sein. Cromwell erhob sich, nahm den Hut ab und bat um's Wort, das ihm gestattet wurde. Er war kein besonders begabter Redner, außerdem liebte er es, seine Gedanken meist in einen Wortschwall zu verbergen, obgleich er stets sein Ziel trotz aller Umschweifungen zu erreichen wußte. Ungeachtet dieser Mängel hörten ihm die Zuhörer mit der größten Aufmerksamkeit zu, da seine Stellung und anerkannten Verdienste ihnen Ehrfurcht gebot. Nachdem er das Wort ergriffen, erging er sich Anfangs in sehr rücksichtsvollen Ausdrücken gegen das Parlament und dessen Mitglieder, indem er ihrem Eifer und ihre Thätigkeit volle Gerechtigkeit widerfahren ließ; aber allmälig änderte sich sein Ton, seine Ausdrücke und Geberden wurden gereizt. Er runzelte die Stirn und schoß aus seinen großen Augen vernichtende Blitze auf seine Gegner. Immer rücksichtsloser warf er dem Parlament Feigheit, Habgier, Verfolgung persönlicher Interessen und Vernachlässigung der Justiz vor.

– Ihr habt nicht das Herz, sagte er mit seiner dumpfen Stimme, etwas für das allgemein Wohl zu thun; Ihr wollt nur Eure Macht verewigen. Eure Stunde ist indeß gekommen, der Herr hat Euch geliefert; er hat würdigere Werkzeuge für sein Werk auserwählt, der Herr hat mich bei der Hand genommen und befiehlt mir zu thun, was ich jetzt thue.

Vane, Wentworth und Martyn, die Häupter ihrer Partei, sprangen von ihren Sitzen, um ihn zu antworten. Er ließ sie jedoch nicht zu Worte kommen.

– Ihr findet vielleicht, unterbrach er sie schnell, daß meine Sprache nicht parlamentarisch ist, ich gebe das zu, aber erwartet von mir keine andere.

– Nie hat das Parlament solche Worte vernommen, schrie Wentworth entrüstet. Sie sind um so entsetzlicher, da sie von einem Diener kommen, von einem Diener, den das Parlament in seiner Güte so hoch erhoben und zu dem erst gemacht hat, was er geworden ist.

Durch solche Reden wurde Cromwell nur noch mehr gereizt, er stürzte von seinem Platze in die Mitte des Saales und bedeckte sein Haupt mit dem Hute.

– Kommt, kommt! rief er laut und heftig. Ich will Eurem Geschwätz bald ein Ende machen.

Dabei stampfte er mit dem Fuße aus den Boden und gab somit Harrison das verabredete Zeichen. Alsbald öffnete sich die Thüre und eine Schaar seiner Bewaffneten trat herein, alte gediente Soldaten mit grimmigen Gesichtern und geladenen Musketen.

– Ihr seid kein Parlament mehr, herrschte er hochfahrend den bestürzten Mitgliedern zu. Hinaus mit Euch und macht ehrlichen Leuten Platz.

Einige Male schritt er dann heftig aus und nieder den großen Saal in seiner ganzen Länge mit dröhnenden Schritten durchmessend, bis er wieder mit gekreuzten Armen stehen blieb.

– Bring den herunter, befahl er Harrison auf den Sprecher Lenthall zeigend, der mit bleichem Gesichte in seinem Lehnstuhl saß. Der Oberst forderte denselben auf sich zu erheben, was jener verweigerte.

– Reiß ihn mit Gewalt herunter! rief Cromwell schonungslos.

Harrison gehorchte und zog Lenthall so lang bei seinem Rock, bis er den Platz verließ.

– Das ist eine Schmach, schrie Sir Vane der Jüngere, entrüstet, eine Unwürdigkeit ohne Gleichen, ein Betragen gegen jedes Recht und alle Ehre.

– Ah! Sir Vane, Sir Heinrich Vane, versetzte Cromwell spöttisch lächelnd. Ihr hättet das Alles verhüten können, aber Ihr seid ein Gaukler; Ihr habt nicht einmal die gewöhnliche Ehrlichkeit. Der Herr erlöse mich von Sir Heinrich Vane.

Darauf wandte er sich noch an die einzelnen Mitglieder, denen er ihre Schwächen und Vergehen, bald mit Recht, bald mit Unrecht vorwarf, sie mit seinen Schmähungen überhäufend. »Ihr seid ein Trunkenbold«, rief er dem Einen zu, den Anderen klagte er des Ehebruchs, oder der Bestechlichkeit an. Einen Dritten frug er laut vor Allen: »ist ein Mädchenjäger berufen, hier zu sitzen und zu regieren?« So donnerte er gerechte und ungerechte Beschuldigungen auf die Anwesenden, die aus Furcht vor den Soldaten, oder aus wirtlichem Schuldbewußtsein sich nicht zu vertheidigen wagten.

– Ihr habt mich gezwungen, wiederholte er öfters, indem er wie betheuernd mit geballter Faust sich gegen die Brust schlug. Ihr allein tragt die Schuld. Ich habe bei Tag und Nacht den Herrn gebeten, daß er mich lieber tödten als ein so schweres Werk auferlegen sollte, aber er hat mich nicht gehört.

Auf dem Tische lag der Hammer des Sprechers, das Zeichen seiner hohen parlamentarischen Würde und eine Menge von Papieren und Aktenstücken. Cromwell näherte sich der Tafel und ergriff den Hammer.

– Was soll der Plunder? fragte er hönisch. Man bringe ihn fort.

Einer der Soldaten mußte dies Zeichen der höchsten Macht, das so lange die Stelle des königlichen Scepters vertreten und dieses verdrängt hatte, hinwegnehmen. Unterdeß säuberten die Bewaffneten den Saal, die meisten Mitglieder entfernten sich gutwillig, andere wurden jedoch erst gezwungen. Cromwell ließ die vorhandenen Papiere mit Beschlag belegen und die Thüren schließen. Die Schlüssel steckte er in die Tasche und so kehrte er als der unumschränkte Gebieter in den Palast nach Withehall zurück. – Noch an demselben Tage blieben diejenigen, welche vor dem Parlamentsgebäude vorübergingen vor einem großen Zettel stehen, welcher von der Hand eines Spaßvogels die ironische Inschrift trug: »Hier ist eine unmeublirte Wohnung zu vermiethen. –

Nach dem Sturze des, von seiner Dauer sogenannten, langen Parlaments, ließ Cromwell, jetzt der alleinige Herr, um den Schein wenigstens zu wahren, neue Wahlen ausschreiben. Die Versammlung indeß, welche unter seinem Einfluß zusammentrat und meist aus unfähigen und unbedeutenden Leuten bestand, löste sich im Bewußtsein ihrer Schwäche selber auf. Sie wurde zum Gelächter und erhielt den Spottnamen Barebones Parlament, nach einem würdigen Lederhändler Praise God Barebone, einem ihrer lächerlichen Mitglieder. – Vier Tage später bewegte sich ein großer Zug zwischen zwei Reihen von Soldaten von Withehall nach Westminster. Der Lord-Mayor und die Aldermen der Londoner City eröffneten denselben in ihren prächtigen Staatskarossen; hierauf kam Cromwell selbst, in schwarzem Sammtrocke und mit einer breiten goldenen Schnur um den gewöhnlichen spitzen Hut. Seine Wachen, meist ergraute Krieger und eine große Anzahl von Edelleuten, die sich ihm unterworfen hatten, gingen seinem Wagen voran, den die ersten Offiziere der Armee mit bedecktem Haupte und gezogenen Schwertern umgaben. Als der Zug in Westminsterhall anlangte, trat er in Saal des Kanzlei-Gerichtes ein, an dessen Ende ein purpurner Staatssessel aufgestellt war. Cromwell stand vor dem Sessel und nachdem sich alle Anwesenden um ihn geschaart, verkündigte der General-Major Lambert die freiwillige Auflösung des Parlaments und verlangte im Namen der Armee, der drei Nationen und der Nothwendigkeit der Zeit, daß der Lord-General das Protectorat der Republik England, Schottland und Irland übernehme. – Obgleich das ganze Schauspiel bereits vorher verabredet und die Rollen hinlänglich vertheilt waren, zögerte Cromwell zum Schein mit seiner Antwort und gab erst einer nochmaligen und dringenden Aufforderung Gehör. Darauf las einer der Secretaire die neue Verfassungsurkunde vor, welche er unterschrieb und durch einen feierlichen Eid beschwor. General-Major Lambert kniete nieder und überreichte ihm ein Schwert in der Scheide, das symbolische Zeichen der bürgerlichen Gewalt. Als Cromwell es empfing, löste er sein eigenes Schwert und legte es ab, indem er hierdurch öffentlich ausdrückte, daß er nicht mehr allein nach dem Kriegsgesetze regieren wolle. Der Großsiegelbewahrer und die Richter forderten ihn jetzt auf, den Staatssessel einzunehmen. Er setzte sich und bedeckte sein Haupt mit dem Hute, während alle Anwesenden entblößt standen. Sobald die Cermonie beendet war, kehrte der Zug nach Withehall zurück, wo ein glänzendes Bankett die Feier schloß. Aus allen öffentlichen Plätzen erschienen Herolde, welche dem Volke das Ereigniß verkündeten.

– Es lebe der Protector! rief die Menge.

Nur ein Mann schrie nicht mit. Es war dies der alte Puritaner Henderson.

– Oliver hat uns verrathen, murmelte er finster. Er ist abgefallen von dem Herrn und darum muß er verderben.


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