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16.

So rückte allmälig ohne jede fernere Störung der Geburtstag des Grafen und die damit verbundene Ausführung des Komus heran. In dem großen Saale war die Bühne aufgeschlagen. Sie bestand aus einem hölzernen Gerüste mit bunten Teppichen behangen. Decorationen und Maschinerien waren kunstreich angefertigt und keineswegs so einfach, wie man in unserer Zeit zu glauben geneigt ist. Ueberhaupt wurden die sogenannten Masken, welche eine besondere Unterhaltung des Hofes und der Vornehmen bildeten, mit ungewöhnlicher Pracht und selbst mit Verschwendung ausgestattet. Nur bei hohen und festlichen Gelegenheiten, Krönungsfeierlichkeiten, Vermählungen der Könige u. s. w. kamen dergleichen Ausführungen vor. Ihr Inhalt war meist allegorischer Natur und die Hauptsache der dabei entfaltete Luxus in Decorationen und Anzügen.

Die reiche und freigebige Gräfin hatte es auch daran nicht fehlen lassen. Der Vorhang, welcher die Bühne den Zuschauern verbarg, war reich mit goldenen Verzierungen versehen. Eine Reihe von Stühlen war für die eingeladenen Gäste bestimmt, in der Mitte dieser Sitze erhob sich eine Art von Thronhimmel, unter welchem der Lord-Präsident und seine Gemahlin Platz nehmen sollten. Die Gallerien wurden der Dienerschaft und einem Theile des Volkes eingeräumt. Den wohlhabendsten Bürgern aus der Stadt Ludlow war der Zutritt gestattet und sie erschienen jetzt mit ihren Frauen und Töchtern im Sonntagsstaate, um dem selten ihnen gebotenen Schauspiele beizuwohnen.

Der Haushofmeister hatte alle Hände voll zu thun, um die Ordnung aufrecht zu erhalten, nicht minder beschäftigt war Lawes, welcher an der Spitze der Musiker eintrat und sich in der Nähe der Bühne mit seinem Orchester aufstellte. Dasselbe bestand aus mehreren Lauten, Flöten, Hörnern, einem Harpsichord, welches die Stelle unseres heutigen Klaviers vertrat und das von Lawes selbst gespielt wurde. Sechs Sänger standen außerdem auf beiden Seiten, um mit ihren Stimmen noch das Orchester zu verstärken. Hinter den Coulissen fand ein wirres, buntes Gedränge statt. Schauspieler und Tänzer in phantastischer Tracht gingen noch einmal ihre Rollen durch oder übten ihre Füße in allerlei zierlichen Figuren. Einzelne Gruppen hatten sich gebildet und je nach Neigung zusammengefunden. Die Decorationen und Versetzstücke boten so manches Versteck und heimliche Winkel für einen ungestörten Verkehr. Hier traf Thomas mit Lucy Henderson zusammen, sein flüchtiger Kuß und einige leidenschaftliche Worte genügten, um all die früheren Bedenklichkeiten des leichtbeweglichen Mädchens zu besiegen. Von Neuem wurde zwischen Beiden die nahe bevorstehende Flucht verabredet, da der Jüngling nach dem Willen seines Vaters in Gesellschaft Digby's Ludlow-Castle bald verlassen und sich bei Hofe vorstellen sollte, wo er in dem Haushalt der Königin einen angemessenen Posten gefunden hatte.

Auch Sir Kenelm benutzte die Gelegenheit, sich Alice zu nähern und ihr seine Huldigungen darzubringen. Er machte dabei von der Gelegenheit Gebrauch, welche ihm der Ort und seine Maske gestattete. Im Geiste seiner Rolle sprach er sie an.

– Schönste der Sterblichen! flüsterte er in leisem Tone. Ich lege mein Herz zu Euren Füßen. Man nennt mich einen gewaltigen Zauberer und der Ruf meiner Macht erfüllt dies ganze Meer umflossene Eiland, aber Euch gegenüber fühle ich meine Schwäche. Wer kann eine solche Vereinigung von Geist und Schönheit ungestraft sehen, ohne zum Sklaven zu werden.

– Ihr fallt aus Eurer Rolle, entgegnete sie scherzend. Ueberdies ist es ja Welt bekannt, daß Gott Komus ein arger Schalk ist, der mit seinen Künsten ein einfaches Mädchen nur verlocken will.

– Ich schwöre Euch, daß ich nie ein Weib so geliebt habe, wie Euch.

– Auch nicht Venezia Stanley, Eure erste Frau?

Der gewandte Höfling verstummte nur auf einen Augenblick. Die Antwort hatte ihn außer Fassung gebracht, doch bald gewann er seine gewohnte Kühnheit wieder und ließ es nicht an neuen Betheuerungen und Schmeicheleien fehlen, welche jedoch nur die entgegengesetzte Wirkung hervorbrachten. Sein Anzug, der in einem bunten Wamms, mit Schellen besetzt bestand, sein Wesen und selbst der Ton seiner Stimme erinnerten sie nur zu sehr an ihre Begegnung mit Billy Green, der ihr hier zum zweiten Mal, wenn auch in verfeinerter Gestalt und mit mehr Anstand erschien. Ja sie zog im Stillen die sinnliche Derbheit des schlauen Burschen, der raffinirten Lüsternheit des Hofmanns vor. Derselbe thierische Ausdruck, nur unter der Maske einer höfischen Artigkeit verborgen, schreckte ihr ahnendes Herz vor jeder Berührung mit dem Unreinen zurück. Die Annäherung King's, der die Rolle des Schutzgeistes spielte, befreite sie von der lästigen Gegenwart des gefährlichen Mannes, der sich unmuthig zurückzog, seine Pläne auf eine bessere Gelegenheit verschiebend. Ehe jedoch ihr neuer Anbeter mehr als eine flüchtige Begrüßung hervorbringen konnte, gab Milton das Zeichen zum Beginn des von ihm gedichteten Maskenspiels.

Die Scene stellte einen wilden Wald vor, in welchem King als Schutzgeist erschien. In wohltönenden Versen kündigte er seine Sendung an.

Vor sternbesetzter Schwelle, an Jupiters
Hofhalt ist meine Wohnung, wo nur die
Unsterblichen, hellstrahlende Gestalten
Aus Aether weilen, in den ruhigen
Und heiteren Regionen, überm Dunst
Und Lärmen dieses dunkeln Flecks, den Menschen
Erde benennen, wo von nied'rer Sorge
Gequält, in enger Hürde eingeschlossen
Ein kurzes, schwaches Dasein zu erhalten
Sie streben, nicht gedenk der Krone, die
Einst Tugend ihren treuen Dienern beut,
Nach sterblicher Verwandlung, an den Thronen
Der Götter, in den heiligen Wohnungen.
Doch sind dort einige, die durch gerechten
Wandel die reinen Hände legen wollen
An jenen goldnen Schlüssel, der eröffnet
Den Palast der Unsterblichkeit: für die
Werd' ich hierher gesandt; wenn sie nicht wären,
So würd' ich nicht mein glänzend helles und
Ambrosisches Gewand beflecken mit
Dem schmutz'gen Dunst von dieser sünd'gen Welt.

Nach diesen Eingangsstrophen erging sich der Schutzgeist in dem vollsten Lobe des edlen Grafen von Bridgewater und seiner Kinder. Um die im Wald Verirrten vor den Verlockungen des boshaftesten aller Götter, vor Komus zu schützen, wollte er die Gestalt und das Aussehen eines bekannten Schäfers annehmen und die Arglosen vor den Künsten des Zauberers warnen. Mit diesem Vorsatz entfernte sich der Schutzgeist und an seine Stelle trat Sir Kenelm Digby in der Maske des Komus auf. In der einen Hand hielt er seinen Zauberstab, in der anderen einen goldenen Becher. Ein Haufe von Spukgestalten mit verschiedenartigen Thierköpfen, sonst wie Mann und Weib gebildet, und in den glänzendsten Anzügen gekleidet, umgaben ihn. Sie kamen mit wildem Lärm, von einer rauschenden Musik begleitet und schwangen brennende Fackeln über ihre Häupter, allerlei phantastische Stellungen annehmend. Ganz im Geiste seiner Rolle redete Komus seine Begleiter an:

Sei jetzt willkommen Fest und Lust
Und nächt'ger Lärm aus voller Brust.
Und wilder Tanz und Schwelgerei!
Ihr Nachtgefährten eilt herbei,
Drückt in das Haar den duft'gen Kranz
Von Rosen und von Weinlaub ganz!
Der Ernst ist nun zu Bett gebracht,
Der Tadel sagte gute Nacht,
Ehrsames Alter schloß zur Ruh
Die strengen, trüben Augen zu;
Die Sümpf' und Seen mit floss'gem Hauf,
Sie hüpften zu dem Mond jetzt auf,
Und auf dem braunen Sand am Strand
Dreht Elf und Kobold sich gewandt;
An Quellen und am hellen Bach
Sind jetzt der Wälder Nymphen wach,
Und freuen sich bei'm nächt'gen Spiel:
Was nützt bei Nacht der Schlaf auch viel?
Die Nacht kann süß're Lust verleih'n,
Wo Venus wacht, muß Liebe sein!
Kommt, laßt beginnen uns den Brauch,
Der Tag nur sieht der Sünde Hauch,
Wovon das Dunkel nimmer spricht.
Dir mit verhülltem Angesicht,
Dir Göttin jeder nächt'gen Lust
Cocyto, Heil aus voller Brust!
Es flammet dir der Fackeln Schein
Um Mitternacht, dir Lob zu weih'n. –

—————

Kommt, machet euch zum Tanz bereit,
Verschlingt die Hände, stampft den Grund
In einem schnellen, wilden Rund!

Auf einen Wink des Gottes führten die phantastischen Spukgestalten einen charakteristischen Tanz auf, wobei sie ihrer thierischen Natur gemäß sich in den kühnsten und wildesten Sprüngen zeigten. Das grelle Fackellicht beleuchtete die dunkeln Scene und die wunderlichsten Gruppen. Die Böcke meckerten und sprangen, der Esel walzte mit einem Affen, Wölfe und Löwen heulten und brummten um die Wette. Der ganze Chor drückte mit vielem Geschick die bestialische Lustigkeit des Gefolges aus. Allmälig aber ging die rauschende, bachantische Musikbegleitung in eine sanftere Tonart über, um die Annäherung der verirrten Alice anzudeuten und Komus rief dem lustigen Schwarm zu:

Brecht ab, brecht ab! es kündet mein Gefühl
Das Nahen eines keuschen Fußes mir;
Zieht euch in eur' Versteck zurück, zurück
Euch in Gebüsch und Wald! Es könnte sonst
Erschrecken uns're Zahl: gewißlich ist,
Denn so läßt meine Kunst erkennen mich
Die Jungfrau in dem Walde von der Nacht
Hier überfallen worden. Jetzt herbei
Ihr meine Zauber, listige Verlockung!

—————

Doch sie kommt schon. Gut ist's, ich tret bei Seite
Und horche, wenn ich kann, was sie hierhergeführt. –

Jetzt erschien Alice in derselben Kleidung, die sie in Haywood-Forst getragen, und sprach ihre Besorgniß wegen der Abwesenheit ihrer Brüder aus, von denen sie allein im Walde zurückgelassen worden war. Ihr nahte sich Komus in der angenommenen Gestalt eines wohlhabenden Landmannes. Er bot ihr ein Asyl in seiner Hütte an, das sie voll Vertrauen auch annimmt. Indeß sind die Brüder zurückgekehrt und suchen die verlorne Schwester. Beide zeigen ihre Furcht wegen der Gefahren, welchen ein unbeschütztes Mädchen in der Wildniß und Einsamkeit des Waldes ausgesetzt sein kann. Der bedächtige John tröstet den jüngeren Thomas und sucht diesen zu beruhigen:

—————

Verborg'ne Stärke ist, da sie der Himmel
Geschenkt ihr hat, ihr Eigenthum zu nennen:
Die Keuschheit ist's, o Bruder, Keuschheit ist's!
Wer sie besitzt, ist ganz in Stahl gehüllt
Und gleich Diana, die mit kühnem Pfeil
Und vollem Köcher bewaffnete, kann
Auch sie die weiten Wälder, unwirthbare
Haiden, verruf'ne Berge, sand'ge Wüsten
Gefahrerfüllt, durchschweifen, wo schnell abgeschreckt
Von ihrer Keuschheit heil'gen Strahlen kein
Erbarmungsloser Wilder, kein Bandit,
Noch Räuber wagen wird der Jungfrau Reinheit
Frech anzutasten. Ja, auch dort, wo wohnt
Die ödeste Unheimlichkeit, in Grotten
Und Höhlungen, von rauhem Wald umgeben,
Darf sie mit unbefleckter Majestät
Verweilen, wenn es nicht aus Stolz geschieht
Oder Vermessenheit. Man sagt auch, daß
Kein Uebel, das bei Nacht erscheint, in Nebel
In Feuer, See und Sumpf, die dürre Hexe,
Der wilde, ruhelose Geist, der die
Geheimnisvollen Fesseln bricht der Nacht,
Kein Kobold und Gespenst Gewalt hat über
Reine Jungfräulichkeit, ihr schaden darf.

—————

So ist
Dem Himmel heil'ge Keuschheit werth, daß er,
Wenn eine Seele wirklich keusch er sieht,
Mit tausend Engeln schirmend sie umgibt,
Daß fern sie jedes sündig – schuld'ge Wesen
Abwehren, und in lichten Träumen, heil'gen
Gesichten Dinge ihr erzählen, die
Ein irdisches Gehör sonst nicht vernimmt;
Bis dieser Umgang mit des Himmels Boten
Auch einen Glanz auf ihren Körper wirft,
Den unbefleckten Tempel der Gesinnung,
Und nach und nach ihn zu der Seele Wesen
Gestaltet, bis sie beide gleich unsterblich.
Doch wenn Begierde durch unkeusche Blicke,
Ein zügellos Betragen, schlechte Rede,
Und meist durch niedrig, freies Sündenwerk
Ins Innere die Verderbnis dringen läßt,
Verkörpert sich die Seele dadurch bald,
Wird thierisch, bis sie ganz verloren hat
Die früh're Göttlichkeit. Das sind dann diese
Verdickten, dunkeln Schatten, die man bei
Kirchhöfen und Grabhügeln Nachts erblickt,
Wo neben einer neugemachten Gruft
Sie zögernd sitzen, gleich als möchten sie
Den Körper, den sie liebten, ungern lassen,
Die so sich selbst durch fleischliche Gedanken
Entadelt und erniedrigt haben. –

Ein reicher Beifall des aufmerksamen Publikums belohnte die Schönheit dieser Stelle. Der Graf selbst gab das Zeichen dazu und ihm folgten sämmtliche Zuhörer. – Auf der Bühne erschien indeß King als Schutzgeist von Neuem in Gestalt eines Schäfers und gesellte sich zu den besorgten Brüdern. Von ihm erfuhren die Brüder, in welcher Gefahr ihre verlorne Schwester sich befinde. Zugleich gab er ihnen ein Mittel zur Befreiung derselben an. Er reichte ihnen eine kleine unscheinbare Wurzel, doch voll göttlicher Kraft und von besonderem Nutzen gegen jegliche Bezauberung. Mit diesem Amulet bewehrt, sollten sie dreist in Komus Wohnung dringen, mit geschwungenem Schwert auf ihn losstürzen, und sich seines Bechers und des Zauberstabs bemächtigen. Die Brüder versprachen seinem Rathe zu folgen und entfernten sich in Begleitung des gütigen Schutzgeistes. Unterdeß verwandelte sich die Scene in einen prächtigen Palast mit allem möglichen Luxus ausgestattet. Kostbare Teppiche bedeckten den Boden. In der Mitte stand eine reiche Tafel mit den ausgesuchtesten Speisen besetzt.

Eine sanfte Musik ließ sich vernehmen und begleitete die folgende Handlung. Auf einem bezauberten Sessel, der jede Bewegung hinderte, saß Alice, vor ihr stand Komus mit seiner Schaar und hielt ihr den Becher hin mit dem berauschenden Trunk der Lust gefüllt. Sie aber stieß ihn mit allen Zeichen des Abscheu's zurück und wollte sich erheben, aber von dem Zauber gebannt, sank sie ohnmächtig in den Stuhl zurück. Das Spiel der beiden Hauptpersonen war überaus natürlich, denn unwillkürlich mischte sich in ihre künstlerische Darstellung die Wirklichkeit und das wahre Leben. – Schon hinter den Coulissen hatte Digby von Neuem den Versuch gemacht, durch seine Schmeicheleien und Huldigungen Alicen zu gewinnen, ohne wie früher ein geneigteres Ohr zu finden. Bis auf die Bühne verfolgte er sie mit seinen Anträgen, die sie mit Entrüstung zurückwies. So erhielten die Worte des Dichters, welche beide ihrer Stimmung gemäß betonten, eine ganz besondere Bedeutung. Das Schauspiel floß mit den natürlichen Verhältnissen zusammen und der phantastische Inhalt desselben drückte, vor aller Welt verborgen, die volle Wahrheit ihrer gegenseitigen Gefühle aus. Die vollendetsten Schauspieler konnten die Situation nicht besser zur Anschauung des Publikums bringen, als dies jetzt Digby und Alice thaten. Beide vergaßen ihre Rollen und daß sie sich auf dem Theater befanden, seine Lockungen, mit denen er sie bedrängte, waren, nicht mehr erkünstelt, sondern gaben nur seine eigene Empfindungen wieder. Leidenschaft und sinnliche Begierde tobten in seinem Gesichte und verriethen sich in dem bewegten, zitterndem Tone seiner Stimme, während Alice ungeheuchelt ihm ihren Abscheu und die Furcht vor seinem Wesen erkennen ließ. Das war keine Täuschung mehr, sondern die volle ungeschminkte Wahrheit. Auf fast unbegreifliche Weise paßten die Worte, welche Milton den Personen in den Mund gelegt, zu der eigenthümlichen Lage, in der sie sich gegenüberstanden. Vielleicht schwebten ihm während seiner Arbeit ihre Charaktere und der feindliche Gegensatz derselben vor und indem der Dichter nur allgemeine Typen und ideale Begebenheiten zu schildern suchte, hatte er unbewußt im prophetischen Geiste die Wirklichkeit und das nächste Leben abgespiegelt. – Noch einmal machte Digby-Komus den Versuch, Alice zum Genuß des Zaubertrankes aus seinem goldnen Becher zu bewegen und ließ es nicht dabei an falschen, heuchlerischen Reden fehlen, doch sie wies mit Entrüstung seine Lockungen zurück. Sie rief ihm zu:

Fort mit dem Zaubertranke, du Betrüger!
Hast du nicht einmal schon belogen meine
Leichtgläubige Unschuld mit verlarvter Falschheit
Und nied'rer List, und wieder willst du mich
Mit leck'ren Bissen schlau zu täuschen suchen,
Womit das Thier man in die Schlinge lockt?
Wär es ein Trank für Juno auch, wann sie
Sich gütlich thut, nicht würde ich berühren
Deine verrätherische Gabe.

Komus

O menschliche Verkehrtheit, die da leiht
Ihr Ohr den mürr'schen Lehren mit stoischem
Pelz und ihre Weisheit aus cynischer
Tonne herholt, anpreisend magere
Enthaltsamkeit. Wozu goß die Natur
Wohl ihren Reichthum aus mit solcher Vollen,
Freigeb'gen Hand, die Erde deckend mit
Gerüchen, Früchten, Heerden und die See'n
Anfüllend mit unzähl'gen Fischen? Alles
Wohl nur, neugierigem Geschmack genug
Zu thun? Sie ließ Millionen Würmer spinnen
Zarthaar'ge Seide in den grünen Räumen,
Um damit ihre Kinder zu bekleiden;
Und daß kein Winkel ihrer Fülle leer
Sei, so bewahrte sie im eigenen
Gebein werthvolles Erz und edle Steine,
Um ihre Kinder damit reich zu machen.
Wenn alle Welt in mäß'ger Nüchternheit
Nur Hülfenfrüchte äße, klares Wasser
Nur tränke, nichts als grobe Woll' am Leibe
Trüge, der Allverleiher würd' entbehren
Den Dank, das Lob und seine reiche Gaben,
Nicht halb gekannt, schon wären sie verschmäht.
Wir würden dienen ihm, wie einem mürr'schen,
Wie einem geiz'gen Herrn, und leben wie
Bastarde der Natur, wir ihre Kinder:
Von eignem Gewichte würd' überlastet
Sie werden, und von eigner Füll' erdrückt;
Die Erde würd' belästigt sein, die Luft
Schwarz von Geflügel, und die Heerden würden
An Zahl die Herren übertreffen dann;
Das Meer würd' überfüllt anschwellen, und
Die Diamanten nicht mehr aufgesucht,
Sie würden so die dunkle Tief erhellen,
Mit Sternen so besehen, daß sie unten
Dem Tageslichte gleichen würden, und
Mit frecher Stirne auf die Sonne schau'n.
O höre Herrin! sei nicht spröd' und nicht
Magst du dich täuschen über die gepriesene
Jungfräulichkeit. Die Schönheit ist das Gold,
Das die Natur verleiht; dies darf nun nicht
Gehäufet werden, sondern muß im Umlauf
Stets sein, so daß das Gute, das es schafft,
In wechselseitig mitgetheiltem Segen
Liegt; nutzlos wär' es, freute man allein
Sich dran. Versäumet ihr die Zeit, wie eine
Vernachlässigte Rose wird sie welken,
Am Stocke bald mit mattem Haupte hangen.
Die Schönheit ist's, worauf Natur so stolz,
Sie muß an Höfen und bei Festlichkeiten
Zur Schau getragen werden, daß die Menge
Bewundern mag ihr Werk. Die häuslichen
Gesichter mögen dann zu Hause bleiben,
Sie haben ihren Namen ja daher;
Die plumpen Züge, schlecht gefärbten Wangen,
Sie mögen an dem Rocken sitzen und
Der Hausfrau Wolle spinnen. Sind dazu
Korallenfarb'ge Lippen nöthig, ist's
Das liebvolle Auge, Haare wie
Der Morgen? Nein zu andrem Zwecke sind
Dir solche Gaben wohl verliehn. Bedenke
Das nun und laß dir rathen! du bist ja
Noch so jung.

Alice.

Nicht dacht' ich dran, die Lippen
In dieser bösen Luft zu öffnen, doch
Der Gaukler könnte denken, daß er meinen
Verstand bezaubre wie mein schwaches Auge
Mit falschen Sätzen im Gewand der Wahrheit.
Ich haß' es, daß das Laster seine Gründe
Behaupten sollte, und der Tugend fehlte
Die Zunge, seinen Stolz zu bändigen.
Betrüger! nicht beschuld'ge die schuldlose
Natur, als wollte sie, daß ihre Kinder
Den Ueberfluß, den sie gewährt, verschwelgten.
Sie hat, haushälterisch, nur für den Guten,
Der ihren nüchternen Gesetzen nach lebt,
Und weiser Mäß'gung heil'ge Satzung ehrt,
Bestimmt die reichen Güter: Wenn nur jeder
Gerechte, weise Mensch, der jetzt mit Mangel
Muß kämpfen, sein bescheidnes Theil, was ihm
Gebührt, von dem besäße, was jetzt Luxus
Verschwenderisch zum Uebermaße häuft
Auf Wen'ge; würde dann der Segen der
Natur gar gut verwendet werden, nach
Geziemendem Verhältniß, und es würde
Der Reiche nicht beschwert dadurch; und bessern
Dank würd' auch der güt'ge Geber dann
Empfangen, Preis, der ihm gebührt. Denn nicht
Blickt gierige Gefräßigkeit zum Himmel
Auf während ihres schwelgerischen Mahls;
Sie mästet sich bei dummem, niederm Undank
Und schmähet ihren Geber. – Soll noch weiter
Ich reden, oder hab' ich schon genug
Gesprochen? Gar zu gerne wollte ich
Dem was entgegnen, der es wagte zu
Bewaffnen seine Zunge mit Verachtung
Für sonnenreine Macht der Keuschheit. Doch
Wozu? Du hast nicht Ohr noch Seele, aufzufassen
Den heiligen Begriff, erhabenes Geheimniß,
Das man verrathen muß, will man entfalten
Die ernste Lehre der Jungfräulichkeit;
und du bist's werth, daß du kein größeres Glück
Je kennst, als dein gegenwärtiges Loos:
Erfreu' dich deines lieben Witzes, deiner
So lustigen Rhetorik, die so gut
In falscher Spiegelfechterei erfahren;
Denn nimmer bist du tauglich, daß man dich
Noch überzeugen sollte. Doch wenn ich's
Versuchen möchte, würd' der unermessne
Werth dieser reinen Sache meinen Muth
Entzünden zu einer Glut solch heiliger
Begeist'rung, daß die todte Welt bewegt
Zur Sympathie hier werden würde, mir
Die Erde ihre Stärke leihen würde
Und so sich schütteln, bis daß dein Zauberbau,
Den du so hoch gethürmt, in schneller Eil
Zusammenstürzte auf dein falsches Haupt.

Komus.

– – – – – Komm, nicht weiter!
Dies ist moralisches Geplapper nur,
Den Grundgesetzen uns'rer Satzung ganz
Zuwider. Nicht darf ich dies dulden. Doch
Ist's nur die Hefe eines schweren Bluts:
Der Trank macht bald dich wieder heil: ein Zug
Davon, und deine matten Geister baden
Sich in Entzücken, wie man es nicht träumt.
Sei klug und koste.

Von Neuem machte der Gott einen Versuch, Alice zum Genuß des Zaubertranks zu bewegen, sie aber weigerte sich und stieß seine Hand zurück. Plötzlich stürzten die Brüder mit gezogenen Schwertern in den Palast, entrissen ihm den Becher und zerschlugen ihn am Boden. Seine Schaar, welche sich zur Wehre setzen wollte, wurde von ihnen fortgetrieben. Zugleich erschien der Schutzgeist wieder. Dieser tadelt die Hitze der Brüder und besonders, daß sie den Zauberer im Besitze seines Stabes gelassen, weil dadurch Alice für immer regungslos und an ihren Sessel gefesselt bleiben müßte. Nur durch die Hülfe der Nymphe Sabrina könnte sie befreit werden. Auf die Beschwörung des Schutzgeistes erschien diese selbst von Lucy Henderson vorgestellt. Fabelhafte Seerosse zogen den vergoldeten Wagen, auf dem das schöne Mädchen in dem bereits beschriebenen Anzuge saß. Ihre Erscheinung erregte ein Gemurmel des Beifalls von Seiten der Zuhörer, der sich noch lauter äußerte, als sie mit lieblicher Stimme sang:

Immer ist es mein Bemühn,
Keuschheit aus der Noth zu zieh'n.
Schönes Mädchen, schau auf mich,
Wie ich hier besprenge dich
Mit dem Wasser aus dem Quell
Seltner Kräfte reich und hell,
Dreimal auf die Finger tippe,
Dreimal auf die rothe Lippe,
Dann zunächst den Marmorsessel,
Keuscher Jungfrau zähe Fessel,
Rühr' ich an mit feuchten Händen,
So muß aller Zauber enden. –
Ich muß fort, eh' glüht der Morgen
Amphitriten zu gehorchen.

Unter dem Schall einer lieblichen Musik verschwand Sabrina in der Versenkung und Alice erhob sich, von dem Zauberstuhl erlöst. Die Scene verwandelte sich wieder und stellte Ludlow-Town und das Schloß des Präsidenten dar. Ein Chor tanzender Schäfer und Landleute umringte die Brüder und die gerettete Schwester, lebhaft ihre Freude über die Wiederkehr derselben nach dem väterlichen Hause ausdrückend. Der Schuhgeist nahm die Geschwister und führte sie den gefeierten Eltern mit den Worten zu:

Edler Herr und hohe Frau,
Wie seid ihr so glückesreich!
Neue Freude bracht ich euch:
. Seht die Kinder, drei an Zahl,
Wohl gerathen allzumal.
Die Versuchung, die sie fanden
Haben sie mit Lob bestanden;
Ihre Treu, Geduld und Glauben
Kann kein böser Zauberer rauben.
So hat mit des Sieges Glanz
Zu Triumph und frohem Tanz
Sie der Himmel hergeleitet.
Euch dies frohe Glück bereitet.

Zum Schlusse nahm King als Epilog noch folgenden Abschied von den Gefeierten und den Zuhörern:

Doch jetzt ist mein Geschäft vollendet hier:
Ich darf geh'n und darf fliegen bis
An's Ende dieser Erde, wo der Himmel
Sich zu ihr neigt, und von da kann ich
Mich zu des Mondes Hörnern leicht erheben.
Ihr Sterblichen, die ihr mir folgen wollt,
O liebt die Tugend! sie allein ist frei:
Sie wird euch lehren, wie ihr höher euch
Als selbst die Sphärenharmonien erheben
Könnt; oder sollte schwach die Tugend werden,
Kommt wohl der Himmel selbst zu ihr herab.


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