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19.

Als der alte Puritaner am andern Morgen nach jener unruhigen Nacht erwachte, war sein erster Gang nach der Schlafkammer seiner Tochter, er fand dieselbe leer. Die Strickletter, welche an dem geöffneten Fenster hing, verrieth ihm die Art und Weise ihrer Flucht. Sogleich machte er sich auf den Weg, um die Spuren Lucy's zu verfolgen. Alle seine Nachfragen in der Nachbarschaft waren vergeblich, denn das Mädchen hatte aus Vorsorge die weibliche Kleidung mit einem Anzuge aus der Garderobe ihres Geliebten vertauscht, und ritt so in der kleidsamen Tracht eines jungen Kavaliers neben Thomas. Bald hatten Beide auf ihren schnellen Rossen einen bedeutenden Vorsprung gewonnen, so daß der ergrimmte Henderson unverrichteter Sache heimkehren mußte.

Düster brütend saß er in seinem Zimmer und las nach gewohnter Weise in der Bibel, als die Thür geräuschvoll sich öffnete und ein seltsamer Gast hereintrat. Es mochte ein Mann nahe den Vierzigen sein, nicht allzugroß, aber breitschultrig und untersetzt, von kräftigem Körperbau. Sein Gesicht konnte wohl beim ersten Anblick roh und plump erscheinen, doch bald entdeckte man, daß die breite, hohe Stirn einen ungewöhnlichen Geist beherberge, das feste, geschlossene Kinn einen hohen Grad von Energie und Willenskraft verrieth, und daß in den blau-grauen, durchdringenden Augen eine mächtige Seele schlummerte. Eben so einfach, wie sein ganzes Aeußere, war auch seine Kleidung, welche sich in Nichts von der gewohnten Tracht eines wohlhabenden englischen Pächters unterschied. Er trug einen braunen Rock, der von einem gleichfarbigen Mantel verhüllt wurde; den starken Kopf bedeckte ein breitkrämpiger Filzhut, seine Beine steckten in großen Reisestiefeln, welche ihm bis fast an die Lenden reichten. In dem breiten Ledergurt, der sich um die stämmigen Hüften schlang, glänzten ein Paar Pistolen, denn ohne Waffen pflegte in damaliger Zeit nicht leicht ein Mann sich auf Reisen zu begeben.

Der laute, fast heroische Ton dieses Schrittes weckte den Puritaner aus seinen düsteren Betrachtungen aus. Es dämmerte bereits, so daß er den längst von ihm erwarteten Gast nicht sogleich wiedererkannte, aber bei dem Gruß desselben schauerte der alte Henderson unwillkürlich zusammen, der Ton dieser tiefen Stimme klang wie ein mahnender Donner in seinen Ohren, und als er dem forschenden Blicke der glänzenden Augen begegnete, konnte kein Zweifel mehr obwalten. Diesen Blick, der mit magnetischem Zauber Jedermann zu bannen wußte, besaß nur Einer, und zwar eben der Mann, der jetzt hier so plötzlich erschienen war. Das starre Gesicht des alten Henderson fing sich an, gar wunderbar zu beleben und in seinen Mienen kämpften deutlich Angst und Freude. Kaum vermochte er von dem Lehnstuhle aufzustehen, seine Füße und die Hände, welche er dem Besucher entgegenstreckte, zitterten wie Espenlaub.

– Oliver! rief er fast entsetzt.

– Ich bin es, erwiederte der Gast. Aber was starrst du mich an, als ob ich ein Gespenst wäre. Fast möchte ich glauben, daß die Zeit deinen alten Kopf verwirrt und dein Gedächtniß schwach gemacht hat. Du erkennst nicht mehr deinen Freund.

Ob ich dich kenne. Willkommen, was du auch bringen magst.

– Nun, das lasse ich gelten. Also nochmals gegrüßt, mein Bruder, im Namen dessen, der mich zu dir geführt. Ich habe deinetwegen einen großen Umweg gemacht und bin heute schon mehr als dreißig Meilen geritten. Die Bewegung hat meinen Hunger geschärft und mein Leib sehnt sich zunächst nach irdischer Nahrung.

Du sollst sogleich bedient werden. An Trank und Speise fehlt es nicht in diesem Hause.

– Ich weiß, daß der Herr dich hier mit Glücksgütern weit mehr gesegnet hat, als da du noch in unserer Nachbarschaft Iebtest. Das Land ist hier schön, die Saaten stehen herrlich, und du lebst jetzt im Ueberflusse, nachdem du früher den bitteren Kelch der Armuth bis zur Hefe geleert hattest.

– Ich wäre untergegangen, wenn du mir nicht das nöthige Geld vorgestreckt und mir nicht den Rath gegeben hättest, mich hier anzukaufen. Was ich jetzt bin und habe, verdanke ich einzig dir allein.

– Und zum Danke, erwiederte der Gast mit einem Anstrich von Humor, willst du mich nun verhungern lassen. Du thätest besser, statt eitel zu schwatzen, mir ein Abendmal zu rüsten.

Im nächsten Augenblick schon stand der Tisch gedeckt, an welchem sich der Gast behaglich niederließ. Mit dem Appetit eines Reisenden hieb er in den saftigen Schinken ein, der sich zusehends unter solchen Angriffen verminderte und bis auf den daran gelassenen Knochen schwand. Dazwischen that er aus dem großen Kruge, den Henderson vor ihm hingestellt, so mächtige Züge, daß dieser, bald geleert, zum zweitenmale gefüllt werden mußte. Unterdeß benutzte der noch immer überraschte Wirth diese Zwischenzeit, in der nur wenig gesprochen wurde, zu der nothwendigen Sammlung. Fast zu schnell für ihn endete das kurze, aber kräftige Mahl. Der Fremde klappte mit Geräusch den Deckel des geleerten Kruges zu und fuhr mit dem Zipfel des Tischtuches über seinen Mund, um die Reste der Speisen abzuwischen, dann faltete er die knochigen Hände und schickte sich an, sein gewohntes Tischgebet zu sprechen.

– Nur noch einen Bissen oder einen Schluck von meinem selbstgebrauten Bier, bat der aus Verlegenheit höflich gewordene Henderson.

– Es ist genug, entgegnete der Gast, die angebotenen Speisen von sich schiebend. Du hast mich hinlänglich erquickt und mich mit irdischem Manna gelabt. Um so schwerer fällt es mir, dich zu betrüben, aber ich darf dir die Nachrichten nicht vorenthalten, die du früher oder später doch erfahren wirst. Die Hand des Herrn liegt schwer auf seinem Volk.

Was ist geschehen, fragte Henderson erwartungsvoll.

– Nichts Neues eben und nichts Besonderes. Haben wir doch genug zu tragen an der alten Last, die uns schier zu Boden drückt. Trübsal und Elend ist das Loos der Gläubigen, und die Frommen werden verfolgt und gestraft um ihrer Treue willen, weil sie nicht ihr Knie beugen vor den Götzen und nicht abfallen zu der bischöflichen Kirche von England, welche da ist eine Schwester der Babylonierin und mit dem päpstlichen Drachen Buhlschaft treibt. Unser Gewissen wird bedrückt und unsere Freiheit mit Füßen getreten. Ein Pharao sitzt auf dem Thron und hört auf den Rath seiner bethörten Priester und falschen Beamten, statt die Stimme seines Volkes und erwählten Parlaments zu vernehmen. Unsere Privilegien werden nicht mehr geachtet, unsere Gerechtsame unterdrückt und statt der heiligen Gesetze herrscht die frechste Willkür. Der Uebermuth kennt keine Schranken mehr, und unser Vaterland, einst von allen Völkern der Erde beneidet, ist jetzt zum Gespött geworden. Die Besten trauern und wenden sich mit verhülltem Haupte ab, denn sie vermögen nichts gegen die Gewalt.

– Was wollt Ihr beginnen?

Die frömmsten und weisesten Männer, unter denen sich auch mein trefflicher Ohm, John Hampden, befindet, wollen dem undankbaren Vaterland den Rücken kehren. Ich habe mich ihnen angeschlossen. In wenig Wochen verlassen wir England und schiffen nach Amerika, um dort die verlorene Freiheit wieder zu finden. Lieber wollen wir unser Leben und unsere Güter dem schwankenden Ozean anvertrauen, als die Tyrannei noch länger ertragen. Besser in der Wildniß mit freien Gewissen leben, als in Hülle und Fülle Knechte sein. Die wilden Thiere werden mehr Mitleid empfinden und minder grausam sein, als diese unersättlichen und stolzen Bischöfe. Dort haben wir kein anderes Unrecht zu erdulden, als die Ungunst der Witterung und die Rauheit des Klima's, keine willkürliche Steuer, keinen andern Zoll zu entrichten, als den Schweiß, mit dem wir den jungfräulichen Boden düngen. Dort gibt es keinen Glaubenszwang, keine frechen Höflinge, keine übermüthigen Prälaten. Unter den mächtigen Bäumen des Urwaldes werden wir ein Asyl für uns und unsere Kinder finden, und in den Kirchen, die sich der Herr selbst erbaut, ihn anbeten dürfen frei und ohne Menschenfurcht.

– Du willst also auswandern und nach Amerika gehen?

– Bleibt uns eine andere Wahl? Mit blutendem Herzen reißen wir uns von unserem Vaterland; doch der reine Glaube und die Freiheit müssen dem Menschen höher stehen, als Alles hier auf Erden. Wie ein Sterbender bin ich zu dir gekommen, um Abschied zu nehmen und meine irdische Angelegenheiten zu ordnen. Du weißt, daß ich dir ein theures Pfand anvertraut habe.

– Der letzte Rest meiner Schuld liegt für dich bereit, erwiederte Henderson ausweichend. Du kannst das Geld sogleich erhalten.

– Nicht wegen des Geldes habe ich diesen weiten Umweg gemacht, mein Bruder, obgleich in meiner gegenwärtigen Lage auch diese Summe mir willkommen sein muß, vorausgesetzt, daß die Rückzahlung dich nicht in Verlegenheit setzt. Ich meine ein anderes Pfand von Fleisch und Blut. Wo ist das Mädchen, das ich dir übergeben? Rufe das Kind, damit ich es noch einmal sehen und segnen kann.

– Wie, du wolltest dich ihr zu erkennen geben? fragte der Puritaner mühsam nach Fassung ringend und nur um Zeit zu gewinnen.

– Das kann nicht meine Absicht sein, entgegnete der Fremde. Niemals darf Lucy erfahren, wer ihr Vater ist. Das Geheimniß ihrer Geburt soll ihr stets verborgen bleiben, nur du und ich wissen darum, seitdem dein Weib gestorben ist. – Auch jetzt habe ich dieselben Gründe, die Sünden meiner Jugendzeit zu verheimlichen. O, hätt' ich diese Thorheit nie begangen! aber ich war damals noch nicht in im Zustand der Gnade, ich hörte auf die Verlockungen der sündigen Lust und taumelte an dem furchtbaren Abgrunde der Hölle. Du weißt darum, Lucy's Mutter war ja die nächste Verwandte deiner Frau, das arme Mädchen büßte ihre Schuld mit dem Tode. In der Stunde der Geburt starb sie und ich gab dir das neugeborene Kind, die Frucht der Schande. Jahre sind seitdem vergangen, der Herr hat meine Augen geöffnet und mir den rechten Weg gezeigt, ich darf wohl sagen, daß ich einen anderen Menschen angezogen habe, aber die Erinnerung vermochte ich nicht zu verlöschen, sie steht wie ein dunkler Fleck vor meinen Augen. Was ich verbrochen, will ich büßen, was ich gesündigt, auch bereuen. Es läßt mich nicht ruhen noch rasten. Darum bin ich hergekommen, um bei dem Anblick meiner Tochter mich noch einmal zu demüthigen und meiner Sünden zu gedenken. Herr, Herr! Ich bin nicht werth, daß du auf mich niederblickst und mir gnädig bist. Ich habe deine heiligen Gebote verachtet und übertreten, deine Lehren in den Wind geschlagen, mich im Sündenpfuhl herumgewälzt und meine unsterbliche Seele mit allen Lastern befleckt. Kannst du mir verzeihen und mich emporrichten? Sieh auf meine Reue, auf die Thränen, die mein früherer Wandel mir entpreßt. Im Staube liege ich hier vor dir und ringe um Vergebung. Herr, mein Gott! verstoße mich nicht von der himmlischen Schwelle, die mein Fuß zu betreten nicht würdig ist.

Mit allen Zeichen der tiefsten Zerknirschung hatte sich der wunderbare Gast auf den Boden geworfen, wo er knieend mit Inbrunst betete. Seine Augen leuchteten in Verzückung und seine Wangen rötheten sich in fieberhafter Glut. Fortwährend schlug er mit geballter Faust gegen die breite Brust, daß dieselbe dröhnend widerhallte. Eine kurze Zeit dauerte dieser Anfall, welcher fast an Wahnsinn zu gränzen schien, dann erhob sich der Fremde ruhig und gefaßt, keine Spur einer so tiefen Bewegung verrathend. In gemessenem Tone nahm er seine Unterhaltung auf, als wenn eben nichts geschehen wäre.

– So bin ich denn hergekommen, um das Mädchen noch einmal vor meinem Abschiede zu sehen. Außerdem wollte ich mit dir, mein Bruder, all die nöthigen Angelegenheiten ordnen, und für Lucy's Zukunft Sorge tragen. Zunächst können wir die irdischen Verhältnisse mit einander abmachen. Ich bestimme die hundert Pfund und fünfzehn Schillinge, die du mir noch schuldest, zu ihrem Lebensunterhalt. Außerdem habe ich hier noch eine ähnliche Summe mitgebracht, die ihr einst zur Aussteuer dienen soll, wenn sie in den Stand der heiligen Ehe tritt und sich ein passender Mann findet. Bewahre das Geld sorgfältig, ich habe es mir sauer abgespart und durch Entbehrungen erworben. Kein Heller ist darunter von dem Vermögen meiner jetzigen Frau und meiner rechtmäßigen Kinder, denen kein Abbruch geschehen darf. Vor allen Dingen aber habe Lucy's Seelenheil vor Augen, sie ist die Tochter einer leichtfertigen Mutter und wie das Blut so vererben sich die Gebrechen der Eltern auf die Kinder. Halte sie darum streng und sei wachsam. Du hast eine schwere Pflicht übernommen, denn du bist nicht nur mir, sondern Gott selbst verantwortlich für dieses Kind. Jetzt aber geh und rufe sie her.

– Oliver! rief der Puritaner, ich kann dir Deine Tochter nicht rufen, denn sie ist nicht mehr in meinem Hause.

– Was sagst du? entgegnete der Fremde und die Zornader auf seiner Stirn begann zu schwellen. Du hast sie fortgeschickt und aus deinen Augen gelassen?

– Nicht ich habe sie fortgeschickt, sie selbst hat sich entfernt und ist entflohen.

– Und du sitzest hier und bist ihr nicht nachgeeilt?

– Ich habe mich sogleich auf den Weg gemacht und bin ihr Meilen weit gefolgt, aber nirgends konnte ich eine Spur von ihr entdecken.

– Du bist mir verantwortlich für alle Folgen. Henderson! du mußt mir mein Kind wiederschaffen und solltest du bis ans Ende der Welt gehen. Doch erzähle, erzähle zuvor, was ist geschehen, warum hat sie sich entfernt. O, ich kenne dich, du hast sie durch deine Strenge zum Aeußersten getrieben, sie mißhandelt, sie zu hart gestraft. Gieb mir mein Kind wieder, mein Kind!

– Sei ein Mann, Oliver! höre mich ruhig an, du sollst Richter sein zwischen mir und ihr. Ich will dir nichts verschweigen, nichts beschönigen.

Nach und nach ließ sich der Fremde auch wieder beruhigen und der Puritaner erzählte die Begebenheiten der Nacht der Wahrheit gemäß.

– Dein Kind befand sich in den Fallstricken der Hölle, du hattest selbst mir väterliche Gewalt über Lucy eingeräumt. Kannst du es läugnen?

– Gewiß nicht, murmelte der Gast finster, aber ein Vater würde anders gehandelt haben, das fühle ich.

– Darum habe ich auch nicht die That vollführt, obgleich der Geist mich dazu getrieben hat. Ich wollte die Strafe dir allein überlassen.

– Du hast sie erschreckt und deßwegen hat sie die Flucht ergriffen. Das ist ein entsetzliches Unglück. Nicht allein, daß sie allen Versuchungen der Welt ausgesetzt ist, hast du mein Gemüth mit schweren Sorgen belastet. Wir müssen sie wiederfinden. Biete deinen ganzen Scharfsinn auf, ziehe noch genauere Erkundigungen ein, beachte auch den kleinsten Wink, denn er kann uns auf die nöthige Spur führen. Vor allen Dingen forsche in Ludlow-Castle selber nach, denn wenn mich nicht Alles täuscht, so muß sie dort Vertraute, Freunde und vielleicht einen Geliebten besitzen, der ihr fortgeholfen hat.

Der Puritaner schickte sich sogleich an, den Anordnungen seines Freundes Folge zu leisten. Dieser zeigte bei dieser Gelegenheit neben seiner religiösen Schwärmerei eine durchdringende Klarheit und Uebersicht der Verhältnisse. Einige Andeutungen genügten seinem scharfen Verstande, um den wahren Zusammenhang zu ahnen. Die Nachrichten, welche Henderson bei seiner Rückkehr von Ludlow-Castle mitbrachte, waren an sich unverfänglich; er meldete nur die Abreise des jüngeren Sohnes der Familie nach London.

– Kennst du den Burschen? fragte aufmerksam der Fremde.

– Wohl kenn' ich ihn, er ist ein übermüthiger, tollkühner Geselle.

– Und er war öfters in Lucy's Gesellschaft.

– Mein Knecht will ihn zuweilen hier in der Nähe herumschweifen gesehen haben.

– Rufe mir deinen Knecht.

Dieser kam und Oliver stellte ein genaues Verhör mit demselben an. Der Knecht behauptete sogar eines Abends Lucy mit Thomas an den drei einsamen Fichten getroffen zu haben; doch er getraute sich nicht näher zu gehen, aus Furcht vor den Gespenstern, welche dort andern einsamen Orte ihr Wesen trieben.

– Es ist genug, sagte der Gast. Wenn mich nicht Alles trügt, so ist Lucy mit dem jungen Mann nach London entflohen, dort müssen wir sie suchen.

– Du wirst eher eine Stecknadel in einem Kornhaufen, als deine Tochter in dem Gewühle Londons wieder finden.

– Das wird meine Sorge sein. Du kennst mich und weißt, daß ich immer kann, was ich will.

Diesmal aber wurde das Selbstvertrauen des seltsamen Mannes doch getäuscht. Noch an demselben Tage verließ er nach kurzer Rast, von Henderson gefolgt, das Haus des Puritaners, um sich nach London zu begeben und seine verlorne Tochter aufzuspüren. Alle seine Bemühungen waren jedoch fruchtlos, da Thomas dafür Sorge trug, Lucy vorläufig zu verbergen. Billy Green bewies bei dieser Gelegenheit von Neuem sein Talent. Der Bursche hatte ein abgelegenes Haus ausfindig gemacht, wo das Mädchen sicher unter seiner Bewachung lebte. – Nach vielen vergeblichen Schritten suchte auf Veranlassung des Fremden Henderson selbst Thomas auf, um ihn zu Rede zu stellen. Er fand ihn in der Nähe von Withehall in einer prächtigen Wohnung. Bei den Anklagen des Puritaners schlug der Jüngling ein übermüthiges Gelächter auf.

– Wie? ich sollte ein Mädchen entführt haben und gar Eure Tochter, Freund Henderson? Was fällt Euch ein? Wären wir nicht so alte Bekannte, so würde ich mit der Peitsche auf Eure Beschuldigungen geantwortet haben. Diesmal mag es Euch noch hingehen und ich will Euch verzeihen.

– Aber Lucy wurde in Eurer Gesellschaft gesehen.

– In der Meinigen und in noch vielen Anderen. – Was beweist das? Doch ich verschwende meine Zeit mit Euch und ich habe am Hof zu thun. Geht und hütet Euch künftig einen Edelmann eines Verbrechens anzuklagen, wo Euch alle Beweise fehlen. Ihr könntet leicht wegen Verläumdung einer harten Strafe verfallen. Nun, was steht ihr noch? Macht lieber, daß Ihr fortkommt!

Und der übermüthige Jüngling schwang die schmiegsame Reitgerte spielend um die Ohren des alten Puritaners, der sich zähneknirschend entfernte, um den Freund aufzusuchen. Er fand denselben vor der Thüre der Taverne sitzend und auf Nachricht warten.

– Nun, was bringst du? fragte er Henderson gespannt.

– Nichts als die übermüthige Antwort eines frechen Cavaliers. O! daß ich ihn hätte züchtigen können, wie ich gern gewollt.

– Die Zeit wird kommen, wo wir Rechenschaft fordern werden für Alles, für Alles, murmelte Oliver mit prophetischer Stimme. So kann, so darf es nicht in England bleiben. Das Volk wird die Knechtschaft nicht lange mehr ertragen und aufstehen wie ein Mann. Wehe denen, welche ein Aergerniß gegeben haben. Diese stolzen Prälaten, diese übermüthigen Adligen werden zu spät bereuen. Ihre Sünden fallen auf ihr Haupt zurück. Eine neue Sündfluth bricht dann herein, aber nicht Wasser, sondern Blut wird die Gottlosen in ihrer Schuld ersäufen. Wir aber, mein Bruder, wollen wachen und beten, auf daß wir am Tage des Gerichts gerüstet sind, wenn der Herr uns ruft. Einstweilen müssen wir uns in seinen Willen fügen. Länger kann ich nicht in London weilen, meine Familie erwartet mich in Huntingdon, ich muß daher von ferneren Schritten abstehen, die ohnehin nicht zum Ziele führen würden. Der Herr hat mich schwer mit dieser Prüfung heimgesucht und Jammer auf mein Haupt gehäuft. Ich fürchte, daß dieses Kind der Schande mir noch manche schwere Sorge bereiten wird, doch ich habe Alles gethan, was in meinen Kräften stand. Auch du begieb dich ruhig nach Hause, und harre der Dinge, die da kommen werden und nicht ausbleiben können.

– Und der Verführer deiner Tochter, soll er ungestraft bleiben?

– Wer sagt dir das? Ich kenn ihn nun und das genügt mir, ich werde ihn auch nicht vergessen, sein Name ist in meinem Schuldbuch eingetragen und ich stehe dir dafür, daß er mir auf Heller und Pfennig einst zahlen soll.

Nach einem kurzen Abschiede trennten sich die Freunde und kehrten, in entgegengesetzter Richtung, jeder in seine Heimath zurück.


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