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12.

Der Krieg gegen die schottischen Rebellen nahm, trotzdem Strafford an der Spitze des Heeres stand, keine günstige Wendung. Der edle Graf hatte seine Gegner zu gering geschätzt, ihr religiöser Fanatismus ersetzte was ihnen an Zahl und Disciplin gebrach. Die Soldaten des Königs waren demoralisirt, unzufrieden über einen Kampf mit dem benachbarten Brudervolke, dessen Ansichten und Grundsätze im englischen Volke selbst die lebhaftesten Sympathien fanden. Trotz aller Anstrengung und der Tüchtigkeit des Anführers, machte das Heer keine Fortschritte und erlitt sogar einige nicht unbedeutende Niederlagen. Dem Könige fehlte es von Neuem an Geld und Truppen, in seiner Verlegenheit wandte er sich an die Lords, bei denen er eine nachgiebigere und ihm günstigere Stimmung voraussetzte, als in dem Hause der Gemeinen. Wider seine Erwartung drangen aber auch die Pairs auf schleunige Einberufung des gesetzmäßigen Parlaments und erklärten sich für incompetent, der Regierung die gewünschte Hülfe zu gewähren. So von allen Seiten gezwungen und gedrängt, sah sich Karl gegen seinen Willen genöthigt nachzugeben.

Bei dem aufsässigen Geiste, der im ganzen Lande herrschte, konnte der Ausfall der Wahlen nicht zweifelhaft sein, alte und neue Gegner des Königs nahmen ihre früheren Sitze ein, sie stützten sich auf die öffentliche Meinung und erlangten bald eine unbeschränkte Gewalt. Jetzt kam die Zeit, wo die Talente der Opposition befreit von jedem Zwang und aller Furcht, bald mit ihren weisen Reformplänen, bald mit ihren ausschweifenden Ansichten rücksichtslos hervortraten. Da entfaltete der gereifte Pym seine Rednergabe und übernahm die Leitung aller Angriffe gegen die langjährigen Mißbräuche der Regierung.

Der durch seinen Widerstand gegen die willkürliche Besteuerung berühmt gewordene Hampden entwickelte einen Muth, der durch Klugheit geleitet, durch Bescheidenheit noch erhöht wurde. Damals legte zuerst der tiefe St. John die glänzendsten Proben seines Scharfsinns ab und erschien um so gefährlicher, je versteckter er mit seinen Plänen war. Der ungestüme Hollis, heftig aber aufrichtig, offen und ehrlich als Freund wie als Feind, der enthusiastische Genius des jüngeren Bane, ein Schwärmer, der das Unmögliche sich zum Ziele setzte, aber die weisesten und besten Mittel dafür anzuwenden wußte, vermehrten die Zahl der ausgezeichneten Männer, welche plötzlich von dem Strome der Volksgunst getragen in solch unruhigen Tagen aufzutauchen pflegen.

An diesen parlamentarischen Kämpfen nahm die ganze Nation den lebendigsten Antheil. Täglich wurden Volksversammlungen abgehalten und die ruhigen Bürger verließen ihre Geschäfte, um sich den Angelegenheiten des Staates und der Kirche zu widmen. Durch diese Zusammenkünfte wurden Gedanken und Meinungen von Mund zu Mund, von Brust zu Brust schnell fortgepflanzt. Die Stelle der Zeitungen und öffentlichen Blättern, welche in der Gegenwart einen so bedeutenden Einfluß auf die Volksstimmung ausüben, vertrat in jener Zeit die Kanzel und der Predigerstuhl. Dort wurden von den Geistlichen die Tagesfragen und wichtigsten Ereignisse mit einem Eifer besprochen, der von religiösem Fanatismus angefacht, die Hörer in Flammen versetzte. Auch die Presse, von früheren Beschränkungen befreit, begann sich zu regen und wurde von beiden Seiten mit mehr Erbitterung als Einsicht und Kunst gebraucht. Zahllose Pamphlete und Abhandlungen erschienen im Druck und wurden in den Straßen Londons unter allerlei seltsamen und abenteuerlichen Titeln feil geboten, um die Käufer anzulocken. Selbst das Parlament und die Regierung verschmähten dieses Mittel nicht, um bei wichtigen Gelegenheiten auf das Volk in dieser Weise einzuwirken.

Die Menge der fliegenden Blätter und Plakate in Versen und in Prosa aus jener Zeit dürfte mindestens die ähnliche Literatur aus dem Jahre achtundvierzig in Deutschland erreichen, wo nicht gar übertreffen. Selbst ein politischer Clubb hatte sich damals schon gebildet, ein Verein der hervorragendsten Talente und Volksführer unter dem Namen der »Rota.« In demselben wurden Reden gehalten, politische und religiöse Fragen vorgetragen, abgehandelt und discutirt. Dort entwickelte der Dichter Harrington unter dem Titel »Oceana« den Plan einer socialen Republik fast zwei Jahrhunderte früher als der Communist Cabet sein »Ikarien« veröffentlichte.

Erschreckt durch diese Anzeichen eines nahen Sturms, sah sich Karl der Erste im Gefühl seiner Schwäche nach einem Retter in der Noth um. Er glaubte ihn einzig und allein in dem Grafen Strafford zu finden, dem er die Kraft zutraute, das lecke Fahrzeug der Regierung mit sicherer Hand durch die empörten Wogen der aufrührerischen See zu führen. Wiederholt hatte der König ihn aufgefordert, das Heer zu verlassen und durch sein Rednertalent, wie durch seine Energie den täglich sich steigenden Angriffen des Parlaments entgegenzutreten. Im Vorgefühl der drohenden Gefahr zögerte jedoch der Graf, den Wünschen seines Gebieters nachzukommen. Er wußte, daß er der gehaßteste Mann in ganz England war und stellte dem König klar und offen diesen Umstand vor; doch dieser ohne Ahnung, wie sehr sein eigenes Ansehen dem Erlöschen nahe war, gelobte ihm seinen Schutz und gab ihm sein fürstliches Ehrenwort, daß auch nicht ein Haar auf dem Haupte des Grafen von dem Parlamente gekrümmt werden sollte. Endlich gab Strafford gegen seine bessere Ueberzeugung dem wiederholten Anbringen seines Herrn nach und traf in London ein. Kaum war seine Ankunft bekannt geworden, als im Unterhause sogleich der Angriff gegen ihn begann. An der Spitze seiner erbittersten Feinde stand der jetzt mächtige Pym. Beide waren in früheren Jahren Freunde gewesen und hatten, ehe Strafford zu der Regierung überging, dieselbe politische Meinung getheilt. Dieses Verhältniß schärfte nur den gegenseitigen Haß, statt ihn zu mildern. Die frühere Freundschaft hatte sich in Erbitterung und ihre Neigung in Widerwillen verwandelt. Jetzt klagte Pym in einer langen und sorgfältig ausgearbeiteten Rede den Grafen unter Herzählung einer Menge von schweren Beschuldigungen gradezu des Hochverrathes an. Er schrieb ihm einen überlegten Plan zu, die bestehende Constitution zu stürzen und die alten Gesetze, Freiheiten und Institute Englands zu beseitigen.

– Sehen wir, sagte der Redner, nach der Ursache aller dieser Bedrückungen, nach dem Quell, woraus das bittere Wasser der Bedrängniß fließt, so werden wir manchen schlechten Rathgeber des Königs finden, der mit dazu beigetragen hat, aber keiner mehr als jener nichtswürdige Minister, der durch Muth, Fähigkeit und Rücksichtslosigkeit den ersten Platz unter den Verräthern des Vaterlandes beanspruchen darf. Es ist dies der Graf Strafford, der Statthalter von Irland, der Präsident des Gerichtshofes, der in seiner doppelten Eigenschaft und in allen Ländern, deren Verwaltung ihm anvertraut war, zahlreiche Beweise seiner Bedrückung und Denkmäler seiner Tyrannei hinterlassen hat.

Selbst das Privatleben seines Gegners, das nicht in jeder Beziehung fleckenrein zu nennen war, wurde von Pym nicht geschont, sogar seine verschiedenen Verbindungen mit bekannten Frauen und mit der Gräfin Karlisle rücksichtslos an's Licht gezogen. Den Schluß der Rede bildete ein Aufruf an das Parlament, den Verbrecher nicht zu schonen, weil derselbe eine hohe Stellung bekleidete, sondern ohne Ansehen der Person zu verfahren und den Grafen Straffort wegen Hochverraths anzuklagen. Unter lautem Beifall des Hauses setzte sich Pym und sein Vorschlag wurde sogleich in geheimer Sitzung zum Beschluß erhoben. Zu diesem Zwecke wurde der Thürsteher der Gemeinen, James Maxwell, an die Lords abgeschickt, in deren Mitte Strafford saß, um diesen nach dem Unterhause zu bescheiden. Mit gewohntem Uebermuth erschien er hier und wollte sich niederlassen, doch ein allgemeiner Ruf tönte ihm entgegen, vor der Thür zu warten, bis man ihn rufen würde. Nach einer kurzen Berathung wurde er wieder vorbeschieden, er mußte niederknien und auf den Knien den über ihn gefaßten Entschluß anhören. Darauf wurde er dem Thürsteher des Hauses übergeben, um so lange dessen Gefangener zu bleiben, bis er sich von allen gegen ihn erhobenen Beschuldigungen gereinigt haben würde. Der stolze Mann raffte noch einmal seine ganze Energie zusammen und versuchte die Versammlung anzureden, doch man ließ ihn nicht zu Worte kommen und gebot ihm, sich stillschweigend zu entfernen. Draußen wurde ihm von Maxwell das Schwert abgenommen, derselbe geleitete ihn durch die gaffende Menge zu seinem Wagen hin. Niemand grüßte ihn und vor dem mächtigsten Manne Englands, vor dem sich noch am Morgen die reichsten und stolzesten Lords verbeugten, rührte kein Mensch den Hut. Das Volk empfing ihn stillschweigend, nur Wenige wagten, ihn zu verhöhnen, selbst nach seinem Sturze behauptete er eine Würde in seiner ganzen Erscheinung, die unwillkürlich dem rohen Haufen Achtung abnöthigte. Als er nach dem Platz gelangte, wo er seinen Wagen zurückgelassen hatte, war dieser nicht sogleich zu finden. Er mußte daher auf demselben Weg an dem neugierigen Volke vorüber zurückkehren. Erst nach einiger Zeit langte die Kutsche an, welche ihn in das Gefängniß brachte. Fast zu gleicher Zeit mit Strafford wurde auch der Erzbischof Laud von dem Hause der Gemeinen angeklagt und zur Haft gebracht.

Der König, welcher in früheren Jahren selbst den damals noch mäßigen Eingriffen des Parlaments mit Hartnäckigkeit Widerstand leistete und im Gefühl seiner von Gott selbst ihm übertragenen Majestät auch nicht die geringste Beschränkung dulden mochte, schien von diesen Vorfällen wie vom Blitz getroffen und förmlich gelähmt zu sein. Er sah der Verhaftung seiner beiden ersten Rathgeber, seiner besten Freunde, ruhig zu, ohne auch nur einen Versuch zu ihrer Befreiung zu machen. Vielleicht hoffte er jetzt, durch Nachgiebigkeit und Fügsamkeit in die Wünsche des Parlaments das verscherzte Vertrauen der Nation wieder zu erlangen, vielleicht überkam ihn mit einem Male das Gefühl seiner Ohnmacht, der öffentlichen Meinung gegenüber. Er ließ sich von nun an ein Zugeständniß nach dem andern, eine Concession nach der anderen entreißen. Wahrscheinlich handelte er auch so noch nach der Art schwacher Natur mit dem heimlichen Gedanken, bei gelegener Zeit das Verlorene wieder zu gewinnen und zurückzufordern. Im Augenblicke aber verhielt er sich vollkommen passiv gegen alle neuen Angriffe. Er ließ es geschehen, daß der Prozeß gegen Strafford seinen ungestörten Fortgang nahm.

Um der Verhandlung einen möglichst feierlichen Anstrich zu verleihen, wurden in Westminsterhall mit rothem Tuch bekleidete Bühnen aufgeschlagen, auf denen beide Häuser sich niederließen, die Gemeinen als Ankläger, die Lords als Richter. Außer dem Thron für den König war noch eine besondere vergitterte Loge für denselben und die Königin eingerichtet, wo sie ungesehen den Verhandlungen beiwohnen konnten. So kam der große Tag heran, welchem das ganze Land mit gespannter Erwartung entgegensah. Drei Königreiche, Irland, Schottland und England, entluden ihren Haß gegen einen einzigen Mann, der unbeschützt von dem Fürsten, dem er Alles geopfert, ohne Freunde, ohne Rathgeber sein Leben mit der äußersten Anstrengung eines unerschöpften und selbst durch die Gefangenschaft und die Aussicht auf einen schimpflichen Tod noch nicht gebeugten Geistes vertheidigte. So groß war das Genie, die Geistesgegenwart, der Scharfsinn und das Rednertalent des ausgezeichneten Staatsmannes, daß er sicher noch den Sieg davongetragen hätte, wenn seine Feinde nach Recht und Gesetz mit ihm verfahren wären. Er unterlag, aber er blieb unbesiegt und sein Tod selbst diente nur dazu, um die Fehler und Vergehen seines thatenreichen Lebens vergessen zu machen.

Am einundzwanzigsten März wurde der Gefangene unter starker Begleitung aus dem Tower zu Wasser nach Westminsterhall gebracht. Außer dem Parlament waren der König, die Königin und der ganze Hof zugegen, die vornehmsten Frauen und vor Allem die Herzogin Karlisle, nahmen den lebendigsten Antheil an dem Prozesse und standen fast ohne Ausnahme auf Seite des Grafen. Dieser erschien einfach, aber kostbar gekleidet. Unerschüttert ließ er seinen Blick über die glänzende Versammlung schweben und manches schöne Auge begegnete dem seinigen mit inniger Sympathie. Die Anklageschrift, welche mehrere Stunden dauerte, wurde zuerst verlesen, dann begann die Vernehmung der Zeugen und die Vertheidigung Strafford's. Fünfzehn Tage lang beantwortete er Punkt für Punkt die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen mit meisterhafter Beredtsamkeit und mit einer Besonnenheit ohne Gleichen. Besonders glücklich griff er die Anklage an, welche sich auf ein längst verjährtes Gesetz gegen Hochverrath stützte.

– Wie konnte, fragte er im Verlaufe seiner bewunderungswürdigen Vertheidigung, diese Art der Beschuldigung so lange verborgen bleiben, das Feuer durch Jahrhunderte so heimlich fortglimmen, ohne sich durch seinen Rauch zu verrathen, das jetzt mit einem Male hervorbricht, um mich und meine Kinder zu verzehren? Besser ist es, wir leben ohne irgend ein Gesetz und fügen uns vorsichtig der Willkür eines unumschränkten Herrn, als daß wir uns auf ein Gesetz stützen, das niemals bekannt gemacht und nie zur Anwendung gekommen ist. Wenn ich auf der Themse schiffe und mein Fahrzeug auf einen Anker stößt, so wird, wenn kein Warnungszeichen ausgesteckt ist, der Besitzer mich entschädigen müssen, wenn aber der Anker bezeichnet ist, dann geschieht das Unglück auf meine eigene Gefahr. Wo ist das Warnungszeichen für das mir zur Last gelegte Verbrechen? Woran soll ich die Gefahr erkennen? Sie liegt verborgen unter dem Wasser in unsichtbarer Tiefe und weder menschliche Vorsicht noch Unschuld können mich vor dem Verderben schützen, das mir droht. – Laßt uns nicht zu unserem eigenen Verderben den schlafenden Löwen wecken, indem wir in alten Pergamenten herumrasseln, welche Jahrhunderte begraben und vergessen lagen. Zu all meiner Betrübniß, Ihr Lords, fügt nicht noch den Schmerz hinzu, daß ich für meine anderen Sünden nicht für meinen Verrath die Ursache zur Wiederbelebung eines Gesetzes werden soll, welches die Freiheit meines Vaterlandes und das Leben meiner Mitbürger so ernstlich bedroht. Legt nicht, ich bitte Euch, unerträgliche Lasten auf die Schultern der Staatsdiener und benehmt ihnen nicht den Muth und die Kraft, dem Könige zu dienen. Die öffentlichen Aemter werden verwaist bleiben, denn kein weiser Mann, der seine Ehre oder ein Vermögen zu verlieren hat, wird sich einer so großen und völlig unbekannten Gefahr unterziehen. – Meine Herren, ich habe Eure Lordschaft länger bereits aufgehalten, als dies eigentlich meine Absicht war. Hätte ich nicht diese theuren Pfänder, welche eine Heilige im Himmel mir hinterlassen hat – hier deutete er auf seine Kinder und hielt, übermannt von seinen Thränen, inne – so wäre es nicht geschehen. Die Strafe, die mich selber trifft, achte ich nur gering, aber daß auch diese Unschuldigen leiden sollen, schmerzt mich tief. Verzeiht, wenn mich bei diesen Gedanken die Schwäche übermannt. Ich hätte noch so Manches zu sagen, doch ich fühle mich in diesem Augenblicke unfähig und will es lieber lassen. Und nun, meine Lords, danke ich Gott, durch seine Güte habe ich die Richtigkeit aller irdischen Freuden kennen gelernt, verglichen mit der Ewigkeit. Mit Ruhe und Geduld unterwerfe ich mich so Eurem Richterspruch und mag derselbe Leben oder Tod mir bringen, ich lege mich voll Vertrauen und Dankbarkeit in die Arme des allmächtigen Schöpfers meiner Existenz.

So gewaltig war der Eindruck dieser Rede, daß die Richter von Mitleid ergriffen schwankten und Strafford's Feinde vor dem Ausgang bangten. Er hatte alle Beweise entkräftet und seine Freisprechung schien gewiß. Wenn dieselbe erfolgte, so hatten die Gegner von dem unversöhnlichen und energischen Minister keine Schonung zu erwarten. Es war ein Kampf auf Leben und Tod. Der Löwe hatte seine alte Kraft gezeigt, seine Stimme ertönen lassen und die Häupter der Opposition erbebten vor dem gewaltigen, bekannten Ton. Der König selbst hatte der Verhandlung in seiner geschlossenen Loge mit beigewohnt, und mit der größten Spannung und Aufmerksamkeit den Verlauf des Prozesses verfolgt. Jetzt freute er sich über den Triumph des Grafen, dessen Freisprechung nicht mehr zweifelhaft war. In diesem Augenblicke erhob sich der düstere St. John, welcher zum Ankläger bestimmt war. Um seine Lippen schwebte ein unheilverkündendes Lächeln. Nachdem er über die Natur der politischen Prozesse gesprochen und dabei den Grundsatz aufgestellt, daß die Verurtheilung sich weniger auf die Kraft der Beweise, als auf die moralische Ueberzeugung der Richter zu stützen habe, zog er ein Papier hervor, welches er mit lauter Stimme vorlas. Es enthielt die Vorschläge Strafford's, welche dieser vor Kurzem erst dem Könige gethan und die der geheime Staatssekretär Vane, welcher bei der Berathung zugegen war, niedergeschrieben hatte. Dieser beauftragte seinen Sohn vor wenigen Tagen, aus dem Staatsarchive einige Schriften ihm zu holen, welche mit dem betreffenden Prozesse in keinerlei Verbindung standen. Beim Suchen nach denselben war die verhängnißvolle Antwort Strafford's dem jüngeren Vane in die Hände gefallen und dieser machte sich kein Gewissen daraus, sie gegen seinen politischen Gegner zu gebrauchen und dem öffentlichen Ankläger St. John einzuhändigen. Der Vorschlag lautete wörtlich: Um den schottischen Krieg zu beenden, soll der König hunderttausend Pfund von der Stadt London entleihen und außerdem sich nicht abschrecken lassen, das Schiffsgeld nach wie vor mit Gewalt zu erheben. Nachdem Seine Majestät die möglichsten Concessionen gemacht, um das Vertrauen und die Liebe Ihrer Unterthanen zu gewinnen, sind sie frei und ledig aller ferneren Verpflichtungen und mögen Alles thun, wozu sie die Gewalt besitzen. Da Ihre Majestät jeden Weg, der zur Versöhnung führen konnte, eingeschlagen haben, sind Sie vor Gott und der Welt entschuldigt. Sie besitzen eine treue Armee in Ireland, welche dazu verwendet werden muß, dies Königreich zum Gehorsam zurückzubringen, denn ich bin fest überzeugt, daß die Schotten sich höchstens nur noch fünf Monate werden im Felde behaupten können. –

Während der Verlesung dieses entscheidenden Schriftstückes ertönte ein unterdrückter Schrei aus der königlichen Loge. Karl hatte sich vorgebeugt und das hölzerne Gitter, welches ihn den Blicken der Anwesenden verbarg, so krampfhaft mit beiden Händen erfaßt, daß es in Stücke brach. Er selbst blieb so den Augen Aller ausgesetzt. Der muthige Strafford erbleichte, doch bald gewann er seine frühere Fassung wieder und machte seine Richter mit vielem Scharfsinn auf die Unbestimmtheit der Ausdrücke aufmerksam, welche eher auf die schottischen Rebellen, als auf das englische Volk sich deuten ließen, wobei er jedoch den von ihm gethanen Vorschlag überhaupt in Abrede stellte. Nichtsdestoweniger ließen sich die Richter von dem beigebrachten Beweise bestimmen, ihr Urtheil auszusprechen.

Sie fanden den Grafen Strafford schuldig des Hochverrathes und verdammten ihn zum Tode durch das Henkerbeil.


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