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15.

An einem düsteren Märzabende saß die junge Gattin Milton's in ihrer bescheidenen Wohnung. Die wilden Frühlingsstürme brausten um das Haus, Schnee und Regen schlug prasselnd gegen die zugemachten Läden und der Wind heulte durch den Kamin, in welchem das Feuer zu erlöschen drohte. Auf dem Tische brannte eine spärliche Lampe und rings umher lagen verschiedene Bücher in gelehrter Unordnung. Ein Gefühl von tiefer Einsamkeit und Verlassenheit überschlich die junge Frau, sie hatte die angefangene Handarbeit in den Schoos sinken lassen und starrte in die düstere Glut des Kohlenfeuers. Unwillkürlich füllte sich ihr Auge mit Thränen, indem sie an die schönen Tage in ihrem elterlichen Hause dachte, wo es ihr nie an fröhlicher Unterhaltung und heiterer Gesellschaft gefehlt hatte. Jetzt mußte sie beide schmerzlich entbehren. Ihr Gatte brachte den größten Theil des Tages in der Schulstube bei seinen Zöglingen zu und selbst am späten Abend beschäftigte er sich weit mehr mit seinen Büchern, als mit seinem Weibe. Mit jedem Tage erweiterte sich die Kluft zwischen diesen gänzlich verschiedenen Charakteren. Die lebenslustige Mary hatte kein Verständniß für das hohe Streben und den erhabenen Geist eines Milton, sie hielt sich vernachlässigt und ließ es nicht bald an stillen, bald an lauten Vorwürfen fehlen. Dennoch liebte sie ihren Mann heiß und innig, aber diese Neigung war durchaus egoistischer Natur, sie wollte ihn ausschließlich besitzen und war selbst gegen die Bücher, mit denen er sich nach ihrer Meinung viel zu viel beschäftigte, eifersüchtig.

Nachdem sie so einige Zeit still vor sich hingebrütet, sprang sie plötzlich auf und warf durch ihre rasche Bewegung einige Folianten vom Tisch herab; statt sie aufzuheben, stieß sie dieselben verächtlich mit ihrem kleinen Fuß zur Seite, indem sie so eine kindische Rache gegen ihre vermeintlichen Feinde befriedigte.

– Da könnt ihr liegen, sagte sie schmollend, indem sie noch einen Fußtritt den unschuldigen Büchern gab. Mit raschen, heftigen Schritten eilte sie dann nach der Thür, welche in die Studirstube ihres Mannes führte. Zweimal klopfte sie, ohne eine Antwort zu erhalten, endlich riß ihr vollends die Geduld und sie stürmte ungerufen in das stille Asyl des Dichters herein. Er schien sie nicht zu bemerken und schrieb ungestört an einer neuen gelehrten Arbeit, bis sie mit hochgeröthetem Gesicht vor ihm stand und zornig seinen Arm ergriff.

– Was giebt's? fragte er verdrießlich, sich bei der Arbeit gestört zu sehen.

– Was es giebt? eiferte die junge Frau. Daß ich es nicht mehr vor Bangigkeit drinnen aushalten konnte. Denkst du, daß ich darum dein Weib geworden bin, um mein junges Leben bei dir zu vertrauern. Den ganzen langen Tag bin ich auf mich selber angewiesen und langweile mich, während du in deinen Büchern vergraben liegst oder mit deinen Schulbuben lateinische Vokabeln repetirst. Ich kann das nicht länger dulden.

– Sei nur ruhig, entgegnete Milton, indem er ihre Vorwürfe geduldig anhörte. Bald bin ich mit meiner Arbeit zu Ende und dann wollen wir den Abend gemeinschaftlich zubringen. Ich erwarte meinen Freund Overton zum Abendbrod.

– Der kann auch bleiben, wo er ist. Ein schöner Gesellschafter, der traurige Puritaner, den ich noch niemals lachen. gehört habe. Bei Gott! lieber will ich den ganzen Abend mit einem Stockfisch verleben, als mit diesem Duckmäuser.

– Du thätest besser, von den Freunden deines Mannes geziemendere Ausdrücke zu gebrauchen, mahnte der Gatte. Herr Overton ist ein durch Geist und Charakter gleich ausgezeichneter Mann.

– Freilich und die Gesellschaft ist dir lieber als die deiner Frau. Da werdet ihr wieder zusammensitzen, von dem verwünschten Parlament schwatzen und auf die armen Bischöfe schimpfen, die tausend Mal mehr werth sind als dein Overton, mag er auch noch so heilig thun, als ob er kein Wässerchen trüben könnte.

– Mary! bat der Dichter. Verschone mich mit derartigen Redensarten, du sprichst von Dingen, von denen du vermöge deiner Erziehung keine Ahnung hast. Lass' das unerquickliche Gespräch und begib dich in deine Küche, um das Nachtmahl anzuordnen.

– Natürlich, dazu bin ich immer gut. Kochen, backen, waschen und nähen soll die arme Frau und dann kann sie sehen, wo sie bleibt. Ich werde von dir wie eine Sklavin behandelt.

– Deine Vorwürfe sind gänzlich ungerechtfertigt, da ich bei jeder Gelegenheit und auch heute dir gegenüber eine Nachgiebigkeit zeige, welche fast an Schwäche gränzt.

– Und ich bleibe doch dabei, daß ich nur eine Sklavin, eine Magd in deinem Hause bin. Muß ich nicht den ganzen Tag arbeiten und wenn der Abend kommt, wo jeder Mann bei seiner Frau sitzt oder mit ihr einen Spaziergang macht, einen Besuch abstattet und in Gesellschaft geht, hockst du über deinen Bücher oder discutirst mit deinen Freunden. Vor ihnen thust du den Mund auf, mit ihnen unterhältst du dich, aber für dein armes Weib hast du kein Wort. Ich bin dir zu ungebildet, ich verstehe ja nichts von deiner Gelehrsamkeit, ich bin nur ein unwissendes, unglückliches Weib, um das du dich nicht bekümmerst.

Bei diesen Worten brach Mary in einen Thränenstrom aus, ihr Weinen ging in ein lautes Schluchzen über, das sich gar nicht beruhigen zu wollen schien. Obgleich diese Scene nicht der erste derartige Auftritt war, ließ sich Milton doch von Neuem rühren, er schob seine Arbeit zur Seite und suchte die klagende Gattin durch mildes Zureden und seine Küsse zu besänftigen. Alsbald ging Mary bald von einem Extrem zum andern über. Ihrer Verzweiflung folgte die ausgelassendste Heiterkeit und während noch die Thränen auf ihren rosigen Wangen glänzten, lachte schon ihr frischer Mund, strahlten ihre Augen von heiterem Muthwillen. Sie war die ächte Tochter Even's launenhaft wie der Aprilhimmel, schwankend wie die treulose See. Unter Scherzen und Gelächter eilte sie in die Küche, um das Abendbrod zu rüsten.

Zur gewohnten Stunde erschien der erwartete Gast, den die Hausfrau heut freundlicher als sonst empfing. Bald saßen Milton und Overton im eifrigen Gespräche über die verzweifelte Lage des Vaterlandes.

– Der Krieg scheint mir unvermeidlich, sagte der Letztere. Das Parlament wirbt für den bevorstehenden Kampf bereits Truppen und fordert auch Freiwillige auf. Auch ich habe mich gemeldet und die Stelle eines Offiziers erhalten.

– Und ich gedenke das Gleiche zu thun, entgegnete Milton.

– Ihr? fragte Overton verwundert. Das wäre geradezu eine Thorheit zu nennen.

– Und warum sollte ich nicht eben so gut wie Ihr dem Vaterlande mein Blut und Leben weih'n, jetzt, da es in Gefahr ist?

– Weil Ihr mit Eurem Kopfe ihm mehr nützen könnt, als wir mit unseren Händen. Jeder in seiner Weise. Auch der Gelehrte ist ein Soldat, seine Waffe ist die Feder, sie ist oft schärfer wie das Schwert, spitzer wie die Lanze. Es gehört oft mehr Muth dazu, seine Meinung auszusprechen und zu vertheidigen, als im Schlachtgetümmel sein Leben auf das Spiel zu setzen. Der Geist hat mehr Siege erkämpft und aufzuweisen als die rohe Gewalt. Bleibt Ihr daher ruhig bei Euren Büchern und überlaßt es uns Soldaten, diesen Strauß auszufechten.

– Ihr glaubt also nicht an die Möglichkeit einer Aussöhnung zwischen dem Könige und dem Parlament?

– Wäre der Streit nur zwischen diesen Beiden, so wäre der Friede wohl möglich, aber der Kampf ist ein größerer, weit bedeutender. Es ist der ewige Krieg zwischen der Freiheit und der Tyrannei, zwischen der Despotie und der Republik, zwischen dem Gewissenszwang und der religiösen Duldung. Da kann keine Vermittlung mehr stattfinden. Nicht Menschen kämpfen gegen Menschen mehr, sondern die Wahrheit gegen die Lüge, die Freiheit gegen die Bedrückung, die Willkür gegen das Gesetz. Sterbliche Feinde können sich versöhnen, aber die unsterblichen Prinzipien, die ewigen Gegensätze lassen keine Versöhnung zu, ihr Krieg dauert fort bis zum Tage des Gerichts.

– Ja, rief Milton begeistert aus, so habe ich mir oft den Kampf der gefallenen Engel mit den himmlischen Heerschaaren, des Lichtes mit der Finsterniß gedacht. Ich sehe meine Träume verkörpert und meine Phantasiegebilde zur Wahrheit werden. Nicht Karl und das Parlament, sondern die großen und gewaltigen Gegensätze der Welt und der Zeit ringen mit einander und der Sieg wird und muß dem Lichte bleiben.

Mary's Eintritt, welche mit dem Abendbrode kam, gab dem Gespräche eine andere Wendung, und Milton vermied aus Schonung für seine Frau jedes fernere Gespräch über politische Angelegenheiten. Leider wurde aber der eben wieder hergestellte häusliche Friede schon nach wenigen Tagen durch die Ankunft von Mary's Eltern unterbrochen. Sir Richard Powell, der würdiges Schwiegervater Milton's und seine Gattin statteten ihren längst versprochenen Besuch in London ab. Er hatte auf seiner Reise York besucht und den König gesehen. Sein loyales Herz strömte von Anhänglichkeit und Treue für Karl und seine Sache über. Der ehrliche Gutsherr und Friedensrichter von Foresthill machte aus seiner Gesinnung kein Hehl.

– Wie lange wird es dauern, fragte der loyale Gentleman, und der König hat wieder Oberwasser und kommt nach London zurück. Ich bin in York gewesen und habe ihn mit meinen eigenen Augen gesehen, er war so freundlich und herablassend, daß ich gleich für ihn mein Schwert gezogen hätte, wenn ich nicht schon zu alt wäre. So wie ich, denkt das ganze Land mit Ausnahme der verwünschten Hauptstadt, aber auch die wird bald zu Kreuz kriechen, wenn erst Ernst gemacht wird. Bis jetzt ist der König noch viel zu nachsichtig und gnädig. Wäre ich wie er, ich wüßte was ich thäte. Ich riefe alle treuen Freunde zusammen und marschirte geradezu auf das verfluchte Nest. Dort langte ich mir die paar Rebellen und Schreier, die ließ ich aufknüpfen und dann hätte die ganze Geschichte ein Ende.

Milton begnügte sich, die beschränkten Ansichten des wackeren Squire ruhig entgegenzunehmen, doch als derselbe seinen Schwiegersohn förmlich zur Rede stellte und besonders wegen seiner Schrift gegen die bischöfliche Autorität heftig tadelte, brach er auch sein Stillschweigen und trat dem Schwiegervater mit männlicher Würde entgegen. Es kam zu einem heftigen Wortwechsel, welcher mit der schleunigen Abreise Sir Richard's endete. Mary's Mutter jedoch ließ sich auf Zureden der Tochter bestimmen, noch einige Tage in dem Hause Milton's zu verweilen. Frau Powell benutzte redlich diese Zeit, um als ächte Schwiegermutter so viel Unkraut als möglich in dem jungen Hauswesen auszusäen, sie bestärkte Mary in ihrem Widerstand und in allen möglichen Launen. Nie versäumte sie eine Gelegenheit, um Milton in den Augen seiner Gattin herabzusetzen, ihn wegen seines zurückgezogenen Lebens zu tadeln und wegen seiner politischen Meinungen zu verspotten. Mary gehörte unglücklicher Weise zu den leicht bestimmbaren Charakteren und wurde von ihrer Mutter daher vollständig beherrscht und geleitet. Die Lehren derselben fielen auf einen fruchtbaren Boden und wucherten im Stillen. Zum Abschied lud Frau Powell ihre Tochter dringend ein, die Sommermonate in Foresthill zuzubringen.

– Dort wirst du, sagte die würdige Matrone, dich erholen und zerstreuen können. Wenn es dir in London und bei deinem Manne nicht gefällt, findest du noch immer eine Zuflucht im Vaterhause. Da giebt es zwar keine Bücher und keine gelehrten Gespräche, aber ein derbes Stück Rindfleisch mit schäumender Ale und eine lustige Compagnie von Freunden und Verwandten, die sich freuen werden, dich wieder einmal zu sehen.

Mit diesem Seitenhiebe auf Milton nahm die Schwiegermutter ihren Abschied, bald folgte Mary ihrem Rathe und bat Milton um die Erlaubniß, einige Wochen in ihrem elterlichen Hause verleben zu dürfen. Gerne gewährte er ihre Bitte und gestattete ihr bis Michaelis zu bleiben, obgleich durch ihre Abwesenheit sein eigenes Hauswesen leiden mußte. Er selber hoffte von dieser Entfernung einen günstigen Einfluß für sich und seine Frau. Wenige Tage nach ihrer Abreise wurde er durch die Ankunft seines Vaters überrascht. Der alte Mann hatte sich mit seinem jüngeren Sohne Christian, einem Rechtsgelehrten und königlich Gesinnten in Reading niedergelassen, hielt es aber beim Ausbruche der Feindseligkeiten zwischen Karl und dem Parlamente für gerathener, seine Zuflucht in London und in dem Hause Milton's zu nehmen. Er fand bei seinem Sohne die zärtlichste und ehrerbietigste Aufnahme. Durch diesen Zuwachs sah sich Milton veranlaßt, die Rückkehr seiner abwesenden Gattin zu beschleunigen. Mary aber schien keineswegs geneigt, seinem Wunsche bald zu entsprechen, sie gefiel sich überaus gut unter dem Dache ihres Vaters, wo es ihr nicht an Zerstreuungen fehlte. Ihre Brüder und nächsten Anverwandten hatten die Partei des Königs ergriffen, für den sich damals wieder neue und bessere Aussichten eröffneten.

Auf Karl's Aufforderung strömte der Adel aus der Umgebung von York und aus den benachbarten Grafschaften herbei, um sich um seine Person zu schaaren. Allmälig bildete sich ein vollständiges Hof- und Heerlager um ihn, seine Minister Falkland, Hyde und Colpeper waren von London eingetroffen, ihnen folgten vierzig Mitglieder des Oberhauses und auch viele seiner Anhänger unter den Gemeinen schlossen sich ihnen an. Von allen Seiten kamen Gutsbesitzer, verabschiedete Offiziere und Cavaliere mit ihren Fähnlein angezogen, zwar fehlte diesen Soldaten nichts weniger als Alles, nämlich Waffen, Kleidung, Munition und besonders die nöthige Disciplin, aber dafür brachten sie vielen guten Muth und warmen Eifer mit. In den Straßen von York herrschte ein buntes und lautes Leben und Treiben. Höflinge und Soldaten drängten sich an allen Orten, die Wirthshäuser waren voll von Gästen und lustigen Zechern, welche auf das Wohl des Königs tranken. Die Kavaliere ließen ihre langen Stoßdegen auf dem Pflaster niederrasseln und die Höflinge erhoben von Neuem ihr Haupt mit Stolz. In den Schenken wurden Spottlieder gegen das Parlament, die Schotten und Puritaner gesungen, gelärmt und geprahlt. Der alte Uebermuth der Cavaliere schien zurückgekehrt zu sein und machte sich in allerlei muthwilligen Aeußerungen und Scherzen Luft. Obgleich die Königin noch in Holland verweilte, wo sie durch den Verkauf ihrer Juwelen das nöthige Geld zur Besorgung der Truppen und zur Herbeischaffung von Munition aufzutreiben bemüht war, hatten sich doch die meisten ihrer früheren Höflinge und Anhänger in York eingefunden. Der schöne Percy, der liederliche Wilmot, Ashburnham und O'Neale hatten ihren Versteck verlassen, Jermyn war aus Frankreich zurückgekommen und auch Thomas bei der ersten Nachricht von den beginnenden Feindseligkeiten aus Wales herbeigeeilt. Alle diese jungen Leute freuten sich auf den bevorstehenden Feldzug, den sie wie eine lustige Abwechslung in ihrem Leben betrachteten. Selbst an Frauen fehlte es nicht an dem neuen Hoflager und die Cavaliere versprachen Wunder von Tapferkeit unter den Augen ihrer Schönen zu thun. Die Damen waren durchaus nicht müßig, außer den gewöhnlichen Hof- und Liebesintriguen knüpften sie Verbindungen mit den einflußreichsten Personen in London an, um diese für die königliche Sache zu gewinnen.

Bei der ersten Nachricht von Thomas Rückkehr hatte sich Lucy Henderson nach York begeben. Mit einem Freudenschrei stürzte sie in die Arme des Geliebten, der nicht wenig überrascht von ihrer Ankunft war. Sie bemerkte nicht seine Verlegenheit, nicht die Kälte, womit er sie empfing, da noch immer das Bild der abwesenden Königin sein Herz erfüllte. Nach dem ersten Freudenrausch von ihrer Seite suchte er sie so bald als möglich wieder zu entfernen, er stellte ihr vor, daß sie unmöglich in York, in der Nähe des Hofes und in Mitten des Lagers bleiben könnte. Sie aber ließ nicht ab, ihn durch Bitten und Thränen zu beschwören.

– Ich will ja gern, sagte sie, ihn fest umklammernd, mich vor aller Welt verborgen halten, da ich weiß, daß meine Anwesenheit dir vielleicht manche Unannehmlichkeit bereiten kann. Du hast, seitdem Billy Green dich verlassen, keinen Diener, lass mich dein Diener sein.

– Das geht nicht an.

– O, dafür lass' mich sorgen. Ich habe bereits daran gedacht, und mir einen Knabenanzug besorgt, den ich sogleich anlegen will.

Sie nahm aus dem kleinen Bündel, das sie mitgebracht, ein zierliches Wamms und einen Hut. In wenig Augenblicken hatte sie sich umgekleidet und erschien in der Tracht eines Pagen. Der eng anschließende Anzug hob ihre schlanke Gestalt auf das Vortheilhafteste hervor, und Thomas konnte sich nicht enthalten, sie in dieser veränderten Gestalt zu bewundern.

Und nun, fügte sie lächelnd hinzu, wirst du mich nicht mehr fortschicken. Kein Mensch soll mich erkennen, und du wirst an mir einen treueren Diener, als in Billy haben.

– Ich fürchte nur, daß du die Beschwerden nicht ertragen wirst. Wir werden schon in wenig Tagen aufbrechen und den Feind angreifen.

– Meinetwegen sei ganz unbesorgt. Ich kann alle Beschwerden aushalten, wenn ich sie mit dir theilen darf. Von nun an gehe ich nicht mehr von deiner Seite. Ich werde mit dir ziehen und sei es bis an's Ende der Welt; ich will dich pflegen, alle Gefahren mit dir tragen, im Kampfe dir beistehen, und wenn du verwundet werden solltest, nicht von deinem Lager weichen. Alles, Alles will ich ja gern thun, nur verstoße nicht deine arme Lucy, die für Dich Alles geopfert hat, und außer dir Niemand auf der Welt besitzt.

Gerührt von ihrer aufopfernden Liebe und von so großer hingebender Treue vermochte auch Thomas nicht länger zu widerstehen und behielt Lucy in seiner Nähe. Niemand erkannte sie in dieser neuen Verkleidung, und sie galt allgemein für den Pagen ihres Herrn. Unterdeß wurden die Ereignisse immer ernsthafter und drohender. Der König hatte seine Vorbereitungen zum Kriege so weit beendet, daß er seine Standarte am neun und zwanzigsten August aufpflanzen ließ. Es war ein stürmischer Abend, die Sonne ging in blutigen Wolken unter. Karl erschien in Begleitung seiner getreuesten Anhänger auf dem Schloßhügel von York, eine große Menschenmenge hatte sich außerdem eingefunden, um dem Schauspiele zuzusehen. Der Marschall Verney trug die Fahne, welche das königliche Wappen und eine Hand zeigte, die auf die Krone mit der Unterschrift deutete: »Gebe dem Kaiser, was des Kaisers ist«. Der Grund war so steinigt, daß man nur mit Mühe ein Loch in die Erde graben konnte, um die Stange zu befestigen. Alle Anwesenden waren von dem folgenreichen Schritte tief ergriffen, und auch der König sah noch düsterer, als gewöhnlich aus. Selbst die vorlauten Cavaliere wagten keinen Scherz; es überschlich sie, wie eine Ahnung, der kommenden Leiden. Das tiefe Schweigen wurde nur durch das Schmettern der Trompeten und das dumpfe Rasseln der Trommeln unterbrochen. Ein Herold verlas mit lauter Stimme die Kriegserklärung gegen das rebellische Parlament. Am Schlusse der Verlesung nahmen Alle ihre Hüte ab und riefen: »Gott segne den König!«

In derselben Nacht erhob sich der Sturm mit erneueter Gewalt und warf die nur schlecht in den steinigten Boden eingerammelten Fahne zu Boden.

Dieser Umstand wurde von den abergläubigen Anhängern Karls als ein Zeichen von übler Vorbedeutung angesehen.


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