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12.

Nachdem die Freunde gegangen waren, verweilte noch Digby einige Tage auf dem Schlosse. Die Anwesenheit des geistreichen und interessanten Mannes war für sämmtliche Bewohner mehr oder minder willkommen, besonders fand die Gräfin das größte Wohlgefallen an seiner Unterhaltung. Die Aufmerksamkeit, welche er Alice erwies, erfüllte ihr mütterliches Herz statt mit Besorgniß nur mit Stolz. Im Stillen schien sie seinen immer deutlicher hervortretenden Plan auf die Hand ihrer Tochter zu unterstützen. Die meisten Frauen zeigen bei solchen Gelegenheiten eine auffallende Nachsicht. Weder der keineswegs tadellose Ruf des Bewerbers, noch sein vorgerückteres Alter schadeten ihm in den Augen der Mutter, die er durch die Feinheit seines Benehmens und durch die Vortheile seiner Stellung für sich zu gewinnen wußte. Auch die übrigen Mitglieder der Familie zeigten sich ihm geneigt, besonders wurde der leicht bewegliche Thomas von dem Wesen des erfahrenen Weltmannes und geschmeidigen Höflings angezogen. Mit Wohlgefallen lauschte der Jüngling den lockenden Schilderungen desselben von dem glänzenden Leben in London und am Hofe Karl des Ersten. Nur Alice theilte nicht die allgemeine Vorliebe und wenn sie sich auch nicht dem Zauber seiner Unterhaltung gänzlich zu entziehn vermochte, so fühlte sie doch in seiner Nähe eine Beklemmung und Unruhe, welche sie sich nicht zu erklären vermochte.

Digby ließ sich jedoch keineswegs von ihrem zurückhaltenden Wesen abschrecken und setzte seine Bewerbungen um ihre Gunst in so zarter und feiner Weise fort, daß sie, ohne unhöflich zu sein, sich ihm nicht entziehen konnte. So schlang der räthselhafte Gast unmerklich sein Netz um das ganze Haus, die Maschen eines weit reichenden Gewebes von Plänen, Absichten und Zwecken der verschiedensten Art. Auch hier beobachtete er jenes geheimnißvolle Wesen, welches ihm zur zweiten Natur geworden war. Zuweilen schloß er sich Stunden lang in dem von ihm bewohnten Zimmer ein, um eine weitläufige Korrespondenz nach den verschiedensten Weltgegenden zu führen. Seine Briefe schrieb er in einer unverständlichen Zifferschrift, die kein Uneingeweihter zu enträthseln vermochte. Ein verschwiegener Diener besorgte sie und war meist zu diesem Zweck Unterwegs. Ab und zu kamen auch wohl Fremde, welche nach dem Gaste frugen, und mit denen er dann bei verschlossener Thüre bald längere, bald kürzere Zeit verhandelte.

Eines Tages ließen sich bei ihm zwei Herren melden. Beide waren, wie es schien, Ausländer, und so eben erst von einer größeren Reise angelangt. Der breite Hut des einen verbarg besonders eine scharf gezeichnete italienische Physiognomie, ein Gemisch von priesterlicher Salbung und weltlicher Schlauheit. So bald sich Digby allein mit seinem Besuche sah, drückte er unverholen sein Erstaunen aus.

– Ehrwürdiger Vater! sagte er, die Hand des Fremden küssend. Ich hätte eher den Einsturz des Himmels erwartet, als Eure Anwesenheit in England. Wißt Ihr auch, was Ihr wagt?

– Allerdings. Ich bin hinlänglich von dem barbarischen Gesetze unterrichtet, welches jedem fremden katholischen Priester den Eintritt in dies Land bei schweren Strafen an Gut und Leben verbietet.

– Und Ihr habt Euch doch nicht abhalten lassen?

– Daran könnt Ihr die Wichtigkeit der mir aufgetragenen Mission erkennen. Ich zähle dabei auf Euch, da ich um Euren Eifer für die gute Sache weiß. Deshalb habe ich auch auf unserer Reise nach London nicht den Umweg über Ludlow-Castle gescheut, um mich Eures Beistandes zu versichern. Ich bringe Euch ein Schreiben von unserm heiligen General, dem ehrwürdigen Vater Jakob Lainez, so wie die besten Grüße und Empfehlungen von den Superioren und Rektoren unseres Ordens mit. Zugleich erlaube ich mir, Euch hier in der Person des würdigen Bruders, Signor Con, meinen Assistenten und Stellvertreter vorzustellen, da ich nur kurze Zeit in England zu verweilen gedenke und bald wieder nach Rom zurückkehren muß.

– Bei der heiligen Jungfrau, rief dieser, nachdem er den Brief aufmerksam gelesen hatte. Der Plan ist kühn und macht dem Erfinder alle Ehre. Ich zweifle nicht an dem Gelingen. Was in meinen schwachen Kräften steht, will ich gern dazu beitragen. Ihr wißt, daß die Kirche keinen treueren Diener hat, als mich. O! wie hasse ich diese Reformation, welche meinem Vater das Leben gekostet und mich zum Bettler gemacht hat. An dem Tage will ich gern sterben, wo ganz England den falschen Glauben abschwört und sich wieder in den Schoos der allein selig machenden Kirche begibt.

– Dazu mögen alle Heiligen ihren Segen geben, aber ich fürchte, daß noch lange Zeit darüber vergehen wird.

– Die Verhältnisse stehen hier weitbesser als Ihr glaubt, ehrwürdiger Bruder. Alle Umstände sind uns günstig. Seit Buckingham's Tod ist der Einfluß der Königin fortwährend im Steigen und ihr Eifer für die katholische Sache ist hinlänglich bekannt. Sie bedarf eher des Zügels als des Sporns, da sie noch allzusehr der weltlichen Klugheit entbehrt und sich von ihrem lebhaften Geiste und ihrer Ungeduld zu unklugen Schritten hinreißen läßt. Viele Großen des Reiches halten entweder fest an dem alten Glauben oder haben sich bald öffentlich, bald heimlich ihm wieder zugewendet. Selbst in der nächsten Umgebung des Königs sind uns neuerdings einige wichtige Bekehrungen geglückt. Lord Cottington und der Geheimsecretair Windbank sind zu uns übergetreten und ihr Beispiel findet täglich neue Nachfolger. Selbst unter der Geistlichkeit der bischöflichen Kirche haben wir eine Menge von Anhängern, welche sich im Stillen zu Rom halten. Gelingt es uns, noch den allmächtigen Laud auf unsere Seite herüberzuziehen, so kann uns der Sieg nicht fehlen.

– Und Ihr haltet ihn für unsere Pläne reif genug?

– Seine Hinneigung zur katholischen Kirche kann nicht bezweifelt werden. Wo er kann, führt er die alten Gebräuche wieder ein. Seine Liturgie stimmt mit unserer Messe wunderbar überein. Kostbare Gewänder, Altäre und Heiligenbilder hat er wieder zu Ehren gebracht, kurz es mangelt ihm nichts, um ein so guter Katholik wie Ihr und ich zu sein, als die Anerkennung der päpstlichen Autorität. Bisher hat sein angemessener Stolz ihn daran verhindert, jetzt, wo Ihr ihm den Kardinalshut aus den Händen des heiligen Vaters bringt, wird auch dieser letzte Skrupel schwinden.

– Ihr wißt, daß meine eigene Sicherheit mir nicht gestattet auf direktem Wege mit Laud zu unterhandeln, eben so wenig wird der Primas der bischöflichen Kirche Englands mich bei sich empfangen wollen. Es bedarf daher für unsere Unterhandlung einer unverdächtigen Mittelsperson und zu dieser Rolle hat Euch unser heiliger Ordensgeneral ausersehen.

– Seine Wünsche werden mir stets Befehle sein. Ich werde noch heut mit Euch Ludlow-Castle verlassen und mich nach London begeben, um Eure Anträge dem Bischof kund zu thun. Vor dem Interesse des Ordens müssen alle persönliche Rücksichten schwinden.

– Ihr scheint das Schloß nur ungern zu verlassen, sagte der schlaue Jesuit. Es thut mir leid, daß ich Eure Pläne stören muß, denn zum bloßen Vergnügen scheint Ihr hier nicht zu verweilen.

– Ihr mögt Recht haben, aber indem ich mir selber diene, vergesse ich selbst bei meinen eigenen Angelegenheiten nie die höheren Zwecke des Ordens. Graf Bridgewater, der Lord-Präsident von Wales, ist einer der reichsten und vornehmsten Edelleute dieses Königreichs. Es ist mir gelungen, sein Vertrauen zu gewinnen, den Zweifel in sein schwaches Herz zu streuen. In einigen Tagen wäre vielleicht die Saat schon aufgegangen und wir hätten einen neuen Zuwachs für unsere Kirche gewonnen. Ich fürchte jetzt, daß durch meine Abwesenheit Alles wieder verloren geht.

– Wer Großes gewinnen will, muß Kleineres aufzugeben wissen. Wenn Laud, der Primas der bischöflichen Kirche, unser wird, dann folgen die Uebrigen ihm nach wie dem Hirten die ganze Heerde. Eure Mühe wird darum doch nicht verloren sein und Euch im Himmel wie auf Erden angerechnet werden.

– Vor Euch darf und will ich kein Geheimniß haben. Der Graf hat eine Tochter.

– Ich verstehe. Ihr wollt dem betrübten Wittwerstand entsagen und da es der Lady gewiß nicht an einer reichen Mitgift fehlt, Euren einigermaßen zerrütteten Verhältnissen wieder aufhelfen. Das kann der Orden Euch nicht verdenken, ja er billigt Euer Thun, da es ihm daran liegen muß, daß der Einfluß und das irdische Ansehen seiner Freunde wächst. Doch zunächst muß er auf strenge Pflichterfüllung sehen. Habt Ihr Eure Aufgabe gelös't, Laud für uns gewonnen, so findet Ihr noch immer Zeit, Euch mit den Angelegenheiten Eures Herzens zu beschäftigen, der Lady aufzuwarten und sie als Eure Gattin heimzuführen.

– Wenn mir aber ein Anderer zuvorkommen sollte?

– Ihr habt also Nebenbuhler und Mitbewerber um ihre Gunst?

– Bisher nur einen Einzigen, so viel ich weiß. Ein junger Dichter, der hier in der Nähe wohnt, scheint einigen Eindruck aus das junge Herz der Lady gemacht zu haben. Er ist nicht ohne Talent und ich habe schon daran gedacht, daß er in unseren Händen noch ein brauchbares Werkzeug werden dürfte, obgleich er sich offen zu den Puritanern hält.

– Sein Name.

– Milton, John Milton!

– Ich will ihn mir merken und der Orden wird ihn im Auge behalten.

Aus einer verborgenen Tasche zog der Jesuit eine Schreibtafel hervor, in die er ebenfalls in geheimen Charakteren eine kurze Bemerkung einschrieb.

– Uebrigens, fuhr er im ruhigen Tone fort, habt Ihr, wie mir scheint, von einem derartigen Nebenbuhler wenig oder gar nichts zu fürchten. Poeten sind nur selten gefährlich, das werdet Ihr aus eigner Erfahrung wissen, da Ihr selbst in jungen Jahren den Musen gehuldigt habt. Sie schwärmen ins Blaue hinein. Erst wenn die Dämpfe und Nebel der Einbildungskraft sich verzogen haben, sehen sie die Dinge und Menschen wie sie wirklich sind. Dann ist es aber für sie zu spät, der rechte Zeitpunkt vorüber und sie stehen darum mit leeren Händen da. Ich muß mich wundern, daß ein Mann wie Ihr solch einen Phantasten fürchtet. Greift nur verwegen zu, und die Lady kann Euch nicht entgehen. Doch lassen wir diese Allotria auf gelegenere Zeiten. Wir haben noch von wichtigeren Dingen zu reden. Ihr habt da der Puritaner erwähnt. Wie steht es mit ihnen und mit den Sekten überhaupt?

– Diese gewinnen mit jedem Tage eine größere Ausbreitung und wuchern wie Unkraut auf dem Sumpfboden der Reformation.

– Um so besser, entgegnete der Jesuit mit einem seltsamen Lächeln. Wir können uns keinen treueren Bundesgenossen wünschen als das Sektenwesen, wenn man es nur zu nutzen weiß. Je mehr religiöse Parteien in England entstehen, desto leichter wird uns der Sieg gemacht. Sie bekämpfen und verfolgen sich für uns, ihre Zwistigkeiten liefern sie uns sicher in die Hand. Ihr kennt das Gleichniß von dem Pfeilbündel. So lange ein Band die Getrennten vereint, könnt Ihr sie nicht zerbrechen, einzeln wird ein Kind mit ihnen fertig werden. Wir wollen ruhig zusehen, wie sich die Abtrünnigen selbst untereinander aufreiben. Gebt acht! das dauert nicht mehr allzulange.

– Die Katholiken sollen demnach neutral bleiben?

– Nicht so ganz. Es dürfte bald der Zeitpunkt kommen, wo auch wir ein entscheidendes Wort mitsprechen werden. Vorläufig aber würde ich ein ruhiges und beobachtendes Verhalten anrathen. Wir dürfen es weder mit der bischöflichen Kirche, noch auch mit den Puritanern verderben. Wer weiß heute, welche Partei den Sieg morgen davonträgt. Außerdem werdet Ihr nicht vergessen, daß die Katholiken in England in manchen Punkten ganz gleiche Interessen mit den Sekten verfolgen.

– Mit unseren schlimmsten Feinden? fragte Digby verwundert.

– Allerdings. Werden die Puritaner und ähnliche Separatisten nicht gerade wie wir verfolgt, leiden wir nicht gemeinschaftlich unter denselben Strafgesetzen? – Indem die Sektirer Religionsfreiheit und Duldung verlangen, kämpfen sie auch mit für uns. Nicht unsere Freunde, sondern unsere Feinde müssen uns nutzen. Daher wird es wohlgethan sein, so lange mit ihnen Hand in Hand zu gehen, als dies unser eigener Vortheil erheischt. Haben wir durch sie und mit ihnen den Sieg erlangt, dann ist es noch immer Zeit, sie wieder fallen zu lassen. Merkt Euch diese Politik, von der Ihr vielleicht schon in kurzer Zeit Gebrauch machen müßt.

– Ihr werdet mich zu allen Zeiten bereit finden, wo es gilt, die Befehle des Ordens und das Gebot der heiligen Kirche zu befolgen.

– Wohlan! so laßt uns keinen Augenblick versäumen. In einer Stunde müssen wir das Schloß verlassen und zunächst an unser wichtigstes Geschäft gehen. Nimmt Laud den Kardinalshut an, so ist England morgen unser.

Digby gehorchte sogleich dem Jesuiten, in dem er einen seiner Oberen verehrte. Er selbst war ein geheimes Mitglied des Ordens und er hatte sogar die Erlaubniß erhalten, sich nach wie vor äußerlich zu der bischöflichen Kirche Englands zu bekennen, so lang dies die Verhältnisse von ihm fordern sollten. Dagegen hatte er sich zum strengsten Gehorsam verpflichtet. Von Jugend auf mit Haß gegen die Reformation erfüllt, die seinem Vater das Leben, ihm selbst einen großen Theil seiner Güter kostete, kannte er kein anderes und höheres Ziel, als die Wiederherstellung des Katholicismus. In diesem Streben wurde er durch seine bigotte, streng katholisch gesinnte Mutter unterstützt und angefeuert. Er hatte bereits während seines Aufenthaltes in Frankreich seinen längst gehegten Vorsatz ausgeführt und war in den Schooß der allein selig machenden Kirche zurückgekehrt. Seit dieser Zeit widmete er ausschließlich seine ganze Thätigkeit den Zwecken des Ordens, der in ihm alsbald eines seiner brauchbarsten Werkzeuge erkannte.

Rom, das nichts vergißt, nichts aufgibt, konnte den Abfall des englischen Volkes nicht verschmerzen. Unter der Regierung der Königin Elisabeth hatte der päpstliche Stuhl die katholischen Mächte gegen die ketzerische Fürstin aufgeboten, um mit den Waffen in der Hand den alten Glauben wieder herzustellen. Aus Roms Geheiß hatte Philipp von Spanien die stolze Armada ausgerüstet, welche an den Kreidefelsen Englands scheiterte. Rom war die Seele aller Unruhen und Verschwörungen gegen Elisabeth, die unglückliche Maria Stuart nur ein willkommenes Werkzeug in seiner Hand. Besonders zeigte sich der erst kürzlich ins Leben getretene Jesuitenorden in dieser Beziehung überaus thätig und rührig. Nach Elisabeths Tod zettelte dieser unter der Regierung Jakob des Ersten die berühmte Pulververschwörung an. Es handelte sich um nichts Geringeres, als den König und sein ganzes Parlament zu gleicher Zeit in die Luft zu sprengen. Ein Zufall führte die Entdeckung dieses schrecklichen Verbrechens herbei und hinderte die Ausführung. Noch heute wird dieser Tag in London und ganz England festlich begangen und der Verräther Guy Fawkes im feierlichen Aufzuge bildlich verbrannt. All diese feindlichen Pläne trugen nur dazu bei, in der englischen Nation den Haß gegen das Papstthum zu steigern und einen eben so wenig gerechtfertigten Fanatismus gegen die katholische Religion hervorzurufen. Von den Kanzeln herab wurde eine wilde erbitterte Polemik gegen den Papst und seine Anhänger von der protestantischen Geistlichkeit geführt, dabei im Geiste jener Zeit die niedrigsten Schimpfworte und ekelhaftesten Benennungen nicht gespart. Rom war der große Sündenpfuhl, das babylonische Weib, der Papst wurde mit dem Antichrist, dem Drachen, dem Thiere mit sieben Köpfen aus der Apokalypse verglichen. So erweiterte sich die Kluft mit jedem Tage mehr und der Haß des Volkes selbst war fortwährend im Steigen.

Trotz diesen ungünstigen Aussichten gab die katholische Kirche ihre Hoffnung darum nicht auf. Was der Gewalt mißglückt, suchte sie auf einem friedlichen Wege zu erlangen. Die Verhältnisse hatten sich allerdings zu ihrem Vortheile geändert. Zwar lebte in dem Herzen der Nation und des Parlaments der alte Haß noch und der Widerwille gegen Rom, der sich durch die grausamsten Gesetze und blutgierige Strafen kund gab. Kein Katholik hatte Ansprüche auf ein bürgerliches Amt, oder eine Beförderung. Die Priester der römischen Kirche wurden nach wie vor verfolgt, ins Gefängniß gesperrt, und selbst hingerichtet, jede Bekehrung auf das Strengste untersagt. Dennoch war eine günstige Umwandlung eingetreten. König Karl der Erste hatte eine katholische Prinzessin, Henriette von Frankreich, zur Ehe genommen und ihr nicht allein die freieste Religionsübung, sondern außerdem ihren Glaubensgenossen jede mögliche Erleichterung, die in seiner Macht lag, zugesichert. Im Gefolge der Königin erschien nicht blos ein französischer Hofstaat, auch Priester und selbst Mönche hatten sich ihr angeschlossen. Zum ersten Male seit langer Zeit sah der Londoner Bürger bärtige Kapuziner in den Straßen der Hauptstadt ruhig wandeln. In den Gemächern von St. James wurde feierlich die Messe gelesen und selbst der Grundstein zu einer katholischen Kapelle in der Nähe des Palastes gelegt. Das Volk begnügte sich, sein Mißfallen mit einem leisen Murren zu erkennen zu geben. Auf den Schutz und den steigenden Einfluß der jungen Königin gestützt, erhob die katholische Partei in England von Neuem ihr Haupt, anfänglich nur scheu und schüchtern, später um so offener und stolzer. Oeffentliche und geheime Bekehrungen gehörten nicht mehr zu den Seltenheiten und die strenge Sternkammer zeigte sich in dieser Beziehung mit einem Male mild und nachsichtig.

Die bischöfliche Kirche, welcher der König getreulich angehörte, stand keineswegs dem Katholicismus so fern, wie die übrigen reformirten Sekten. Sie hatte viele alte Gebräuche derselben beibehalten und wich im Aeußeren nur sehr wenig davon ab. Laud, der Primas des Reiches, zeigte sogar eine auffallende Hinneigung zu Rom und seinen Satzungen. Je mehr das Volk dem puritanischen Wesen anhing, um so entschiedener nahm die Regierung und der Hof eine entgegengesetzte Richtung an und folgte einer mehr ultramontanen Strömung. Diese für ihn so günstige Gesinnung wurde von dem Orden der Jesuiten auf das beste benutzt. Seine Emissaire, zu denen auch Sir Kenelm Digby gehörte, entwickelten eine ungemeine Thätigkeit. Nach allen Seiten hin wirkten sie im Geheimen fort, wichtige Bekehrungen waren ihnen geglückt und wenn ihr Vorhaben gelang, den ehrgeizigen Land selbst durch das Anerbieten der Kardinalswürde zum Abfall zu bewegen, so stand ihnen fast kein Hinderniß mehr im Wege, ganz England selbst in den Schoos des Katholicismus wieder zurückzuführen.

Dieser großen Aufgabe widmete Digby schon seit Jahren seine ganze Thätigkeit. Jetzt war ihm der Auftrag zu Theil geworden, mit dem Primas in Unterhandlung zu treten und diesen durch die Aussicht auf einen so hohen Lohn zu gewinnen. Sir Kenelm schreckte vor diesem Unternehmen nicht zurück. Er rechnete auf den Stolz und ungebändigten Ehrgeiz des bischöflichen Prälaten.

Ehe er jedoch zu diesem Zwecke Ludlow-Castle verließ, verabschiedete er sich höflich bei den sämmtlichen Bewohnern desselben. Der Graf drückte besonders seine Verwunderung und sein Bedauern über diese plötzliche Abreise aus.

– Es thut mir doppelt leid, sagte er verbindlich, daß Ihr uns so bald verlassen wollt, da ich noch so manche wichtige Angelegenheit mit Euch zu besprechen gedachte.

– Ich hoffe recht bald wieder zurückzukehren und von Neuem Eure Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen. Jetzt rufen mich leider dringende Geschäfte nach London und an den Hof.

– Da Ihr zunächst an den Hof geht, so könnt Ihr mir einen wichtigen Dienst leisten.

– Sprecht nur und was in meinen Kräften steht, will ich gerne für Euch und Euer Haus thun.

– Zuerst bitte ich Euch, dem Könige die Versicherungen meiner unveränderten Treue und Ergebenheit zu überbringen, desgleichen an die Königin, Euere erhabene Gönnerin und Beschützerin.

– Wollt Ihr eine Gnade oder Huld von Beiden beanspruchen?

– Allerdings und doch wage ich kaum mich selbst darum zu bewerben, da ich mit Beweisen der königlichen Güte bereits so sehr überhäuft bin, daß jede neue Forderung als ein entschiedener Mißbrauch derselben scheinen müßte. Ich habe einen Sohn, den Ihr bereits kennt.

– Lord Brackley.

– Nicht diesen meine ich, sondern seinen jüngeren Bruder Thomas. Er hat eine gute Erziehung genossen, auch fehlt es ihm nicht an edlen Gaben des Geistes und des Körpers, dennoch habe ich manchen Grund, nicht ganz mit seinem Wesen zufrieden zu sein. Er läßt die schöne Kraft ungenützt und vergeudet seine Anlagen in Geist tödtendem Müßiggang. Besonders scheint in der letzten Zeit eine keineswegs günstige Veränderung mit ihm vorgegangen zu sein. Statt seinen Studien obzuliegen, schweift er Tage lang ohne Zweck und Ziel herum. Er ist zerstreut, unaufmerksam und flieht jede Gesellschaft. Um so mehr war ich erstaunt, daß er so schnell sich mit Euch befreundet hat. Ich nahm diesen Umstand als einen Wink des Schicksals.

– Und ich freue mich, daß der trotz Euren Anklagen so liebenswürdige Jüngling Zutrauen zu mir gefaßt und sich mir sogleich angeschlossen hat.

– Eben darauf baue ich meinen Plan, wobei ich auf Euere Unterstützung rechne. Schon längst hatte ich die Absicht, meinen Sohn an den Hof zu schicken. Als jüngerer Bruder muß er bei Zeiten daran denken, eine Stellung daselbst zu erlangen. Es liegt mir natürlich sehr viel daran, daß er in den Haushalt des Königs oder der Königin aufgenommen wird.

– Ich glaube, daß dies für Euch nicht schwierig sein dürfte, obgleich es nicht an jüngeren Söhnen fehlt, die sich an den Hof drängen, um da ihr Glück zu machen.

– Um so mehr bedarf er der Protektion. Ihr seid mit der Königin befreundet und deshalb wende ich mich an Euch, damit Ihr ein gutes Wort für ihn einlegt und Euch für ihn verwendet.

– Was mein geringer Einfluß vermag, soll von meiner Seite gern geschehen, doch bedarf es meiner Empfehlung nicht. Der Sohn des Lord-Präsidenten von Wales ist einer günstigen Aufnahme gewiß.

– Darum allein handelt es sich nicht. Der unerfahrene Jüngling bedarf noch außerdem der Aufsicht und Bevormundung. Mit Freuden habe ich bemerkt, daß mein Sohn sich zu Euch hingezogen fühlt. Wenn Ihr aus Freundschaft für ihn und mich dies schwierige Amt übernehmen, seine ersten Schritte auf dem schlüpferigen Boden, den er betritt, leiten wollt, so würdet Ihr mich zu ewigem Dank verpflichten.

– Euer Vertrauen ehrt mich dermaßen, daß ich trotz meiner Schwäche und Unwürdigkeit demselben entsprechen will, so weit ich das im Stande bin. Ich werde sogleich bei meiner Ankunft am Hofe mit dem Könige und meiner hohen Gönnerin Rücksprache nehmen. Wie ich fest überzeugt bin, wird Euer Sohn von ihnen gnädig aufgenommen und eine passende Stellung ihm sogleich angewiesen werden. Von meiner Seite soll es ihm nicht an gutem Rath fehlen, obgleich es mir gehen kann wie gewissen Predigern, deren Worte zwar trefflich, deren Thaten aber keineswegs empfehlenswerth sein dürften. Indeß habe ich den Vortheil, die Verlockungen der großen Welt aus eigener Erfahrung zu kennen, ich kann daher den Jüngling vor den Sirenen warnen und vor der Charybdis behüten, deren Gefahren ich selbst an mir erprobt habe.

So mögt Ihr ihm denn ein weiser Mentor auf diesem Lebenswege sein. Einstweilen will ich ihn auf seinen neuen Beruf vorbereiten und wenn Ihr, wie Ihr uns versprochen habt, in wenig Wochen zurückkehrt, so könnt Ihr Euren Zögling mitnehmen, den ich keinem Menschen lieber anvertrauen möchte, als Euch.

Digby übernahm sehr gern diese Verpflichtung, welche ihn der Familie des Grafen nur näher bringen mußte. Er hielt somit gleichsam ein Pfand in seinen Händen, das seine Pläne bedeutend fördern konnte. Aus diesem Grunde gab er dem Grafen das feierliche Versprechen für den Sohn zu sorgen und denselben wie seinen Augapfel zu behüten. Auch die Gräfin wiederholte ihre frühere Einladung für ihn und Alice zeigte sich beim Abschiede wieder zurückhaltend als sonst.

– Vergeßt nur nicht den Komus, setzte sie schalkhaft hinzu, und laßt ja nicht zu lange auf Euch warten.

– Sorgt nicht, mein edles Fräulein, ich werde mich schon zur rechten Zeit einstellen und meine Rolle will ich trotz des besten Schauspielers spielen.

– Daran habe ich auch nie gezweifelt, entgegnete sie im neckenden Tone.

Die Begleitung der Brüder, welche ihn zu Pferde bis über die Gränzen von Ludlow-Castle bringen wollten, lehnte Digby besonders wegen seiner jesuitischen Gefährten höflich ab. Als er gegangen war, stimmte die ganze Familie in das Lob des gewandten und geistreichen Mannes überein und Alle freuten sich auf seine baldige Wiederkehr. Nur Alice schwieg gedankenvoll. Sie allein empfand einen ihr selbst unerklärlichen Widerwillen gegen den Gepriesenen. Die Unschuld besitzt zu ihrem eigenem Schutz ein Ahnungsvermögen, das bei Weitem den Scharfsinn und die Erfahrung der Weltkinder übertrifft. Auch war ihr Herz bereits vor den Schlingen des Höflings durch eine andere und würdigere Neigung bewahrt.

Sie liebte den Dichter.


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