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17.

Der Beifall, den die Dichtung fand, war ein allgemeiner. Von allen Seiten wurde Milton umringt und mit Lobsprüchen überhäuft. Der Lord-Präsident und seine Gemahlin dankten ihm mit den schmeichelhaftesten Worten, und auch Alice näherte sich ihm, um die in ihr angeregten Gefühle auszusprechen. Sein Triumpf war ja auch der Ihrige und der Enthusiasmus, den sie empfand, belebte ihr ganzes Wesen. Die Glut der reinsten Begeisterung ließ sie ihre sonstige Zurückhaltung vergessen, sie wurde fortgerissen und verrieth unwillkürlich ihre geheimsten Gedanken und Gefühle. Um so mehr mußte sie die fast zurückstoßende Kälte des gefeierten Dichters verletzen. Fast absichtlich vermied er jede längere und alleinige Unterhaltung mit ihr, er schien ihre Gesellschaft zu fliehen und ihr so viel als möglich auszuweichen. Länger ertrug Alice dieses räthselhafte Benehmen nicht, sie wollte Aufklärung von ihm erlangen, doch waren weder der Ort noch die Zeit ihrem Vorhaben günstig. Bald wurde sie von seiner Seite fortgerissen und in den Strudel des nachfolgenden Festes mit hinein gezogen.

Der Vorstellung folgte ein glänzendes Mahl, welches mit einem fröhlichen Tanze schloß. Durch den strahlenden Saal wogten die schwebenden Paare, Alice durfte nicht fehlen als Tochter des Hauses und als die gefeierte Schönheit des Tages. Trotz ihres Widerstrebens tanzte sie mit Digby, der nicht von ihrer Seite wich und alle Künste der Verführung entfaltete. Nur um seiner Verfolgung zu entgehen, schenkte sie weit mehr als sonst heute den Huldigungen King's Gehör und zeichnete diesen vor allen Andern aus. Der beglückte Jüngling ließ sich nur zu gern täuschen und schwelgte in unaussprechlicher Seligkeit.

Milton stand an einer Säule gelehnt und schaute in das fröhliche Gewühl mit zerissenem Herzen. So oft Alice an der Seite seines Freundes vorüberschwebte, erfaßte ihn von Neuem der tiefste Schmerz und er hätte laut aufschreien mögen vor innerer Qual. Während er sich an den Erfolgen des begünstigten King erfreute, klagte er Alice der Treulosigkeit an, die er ja selber herbeigewünscht. Ein bitterer Groll erfaßte ihn gegen das ganze weibliche Geschlecht, das ihm leichtsinnig, schwankend und verderbt vorkam. Statt sich selber anzuklagen, klagte er das reinste Wesen an und übertrug die eigene Schuld auf die Geliebte seines Herzens. Länger vermochte er jedoch nicht, ihren Anblick zu ertragen, die Luft wollte ihn erdrücken, die Decke des Saals drohte auf ihn niederzustürzen, die tanzenden Paare verwandelten sich in höllische Dämonen, welche mit ihrer Lustigkeit ihn verspotteten. Kaum seinen Sinnen mächtig, stürzte er ins Freie. Draußen lag der Garten von Mondlicht umflossen. Auf der Ballustrade brannten zu Ehren des Festes rothe und grüne Lampen, flammende Pechkränze loderten hier und da zwischen den Bäumen und beleuchteten, in phantastischer Weise das frische Laub. Auch hier war es dem Dichter noch zu hell und der Lärm des Festes verfolgte ihn mit seinem Hohn. Schnell stieg er die Stufen nieder, welche ihn zu den dunklen Lauben und schattigen Plätzen führte. Bald befand er sich in der gewünschten Einsamkeit, nur aus der Ferne tönten noch die Klänge der Musik gedämpft zu ihm herüber wie der Nachhall eines verlornen Glückes.

An dem Bassin, wo das niederfallende Wasser wie eine leise Klage rauschte, wo er mit Alice die glücklichsten Stunden einst verlebt, überließ er sich seinen melancholischen Träumen. Die Stille der Natur beruhigte seinen wild erregten Geist und die Verzweiflung, welche ihn im Saale erfaßt hatte, ging in sanfte Träume über. Auf die stattgefundene Ueberreizung folgte eine matte Abspannung, der er sich gern und willig überließ. Das Säuseln des Windes, das Murmeln der Wellen, die verschwimmenden Töne der Musik wiegten ihn in Schlaf. Bald schlummerte er auf der Bank von Stein und vergaß, wenn auch nur auf kurze Zeit, den Schmerz.

War es Zufall oder Sympathie? Alice hatte kaum den letzten Tanz beendet, als sie plötzlich dem Schwarm ihrer Anbeter entschlüpfte und aus dem heißen Saal nach dem Garten eilte. Eine unwillkürliche Gewalt zog sie dem Dichter nach, dessen Abwesenheit sie kaum bemerkt haben konnte. Gleich einem weißen Schatten schwebte sie durch die stillen Gänge, an den Mond beschienenen Göttergestalten von Marmor vorüber. Sie hörte nur noch das Klopfen ihres bewegten Herzens, das die leichte Hülle des Gewandes mit seinen stürmischen Schlägen zu sprengen drohte. Was sie hierhergeführt, wagte sie sich selber nicht zu gestehen. Sie hoffte und fürchtete zugleich eine Begegnung mit dem geliebten Mann. Hätte sie ihn sicher in dem Garten zu finden geglaubt, so wäre sie gewiß nicht hierhergekommen, ihr jungfräulicher Stolz hätte sich gegen jeden derartigen Gedanken empört; sie überließ sich nur dem Zufall der Ahnung, ohne sich ihrer Absichten klar zu werden. – So irrte sie ohne Ziel und doch ein solches suchend, sich selbst täuschend und in tiefer Täuschung befangen durch den duftenden Garten. Wie ein flüchtiges Reh zuckte sie bei jedem Geräusch zusammen, das Fallen eines Blattes, das Rauschen eines schlaftrunkenen Vogels, der leiseste Ton ließ ihr Blut erstarren. Oft zögerte ihr Fuß, aber ein innerer Drang, von dem sie sich nicht Rechenschaft zu geben wußte, lockte sie mit magnetischer Kraft immer weiter und weiter. Es war ihr, als müßte sie Milton hier treffen und das Geheimniß ihm abfordern, das ihn von ihrer Seite gewaltsam riß. Er sollte ihr Rede stehen und das unerklärliche Schweigen brechen. Doch auch dieser Vorsatz tauchte in ihrer Seele nur wie ein fernes Nebelbild empor, um bald wieder zu zerfließen. Ein ihr fremder Wille bezwang den ihrigen und lähmte ihre Kraft, sie schwankte wie eine Nachtwandlerin im Halbschlaf, fast träumend fort, bis sie zu ihrem Lieblingsplätzchen gelangte. Hier fand sie den schlafenden Milton im Mondschein, sein bleiches Antlitz glänzte ihr verklärt entgegen. Sie wußte nicht, ob sie bleiben, ob sie fliehen sollte, mit angehaltenem Athem betrachtete sie den Schlummernden, von seinem plötzlichen Anblick unwillkürlich gefesselt. So glich sie der keuschen Göttin, wie sie zum ersten Male den schlafenden Endymion im verschwiegenen Walde traf. Ein jungfräulicher Schauer erfaßte sie, doch ihr Fuß wurzelte im Boden fest. Sie hätte sich zu ihm niederbeugen und einen Kuß auf die edle Stirn leise hauchen mögen. Vielleicht wäre der glückliche Dichter erwacht und dieser neuen Versuchung erlegen, dann hätte ihm gewiß der Muth gefehlt, noch ferner der Freundschaft eine solche Liebe zu opfern.

Ein nahendes Geräusch schreckte Alice aus ihrer Betrachtung auf, sie durfte nicht hier getroffen werden, schnell verschwand sie unter den Bäumen, nur noch einen zärtlichen Blick auf den Schlummernden werfend. Mit pochendem Herzen eilte sie durch den Thorweg des Gartens nach dem erleuchteten Saale zurück. Hinter sich glaubte sie hallende Männertritte zu vernehmen. Es kam immer näher, es verfolgte sie, es drängte sich heran und ehe sie noch die Ballustrade erreichte, fühlte sie sich von zwei kräftigen Armen umschlungen. Ein leiser Schrei der Ueberraschung entrang sich ihrer Brust, dann suchte sie sich aus der umstrickenden Umarmung loszureißen.

– Macht kein Geräusch, flüsterte ihr eine bekannte Stimme zu. Ich bin Euch nachgefolgt.

– Sir Kenelm! rief das erschrockene Mädchen. Was wollt Ihr hier.

– Euch sehen und sprechen. Ihr müßt mich anhören, denn Ihr seid jetzt in meiner Gewalt. Vergebens sucht Ihr mir zu entfliehen, ich halte Euch fest. Wohl weiß ich, daß Ihr mich in diesem Augenblicke haßt und verabscheut, immer noch besser, als Eure Gleichgültigkeit. Ich liebe Euch, und darum werdet Ihr mich wieder lieben.

– Nimmermehr! stöhnte Alice, und wenn Ihr mich nicht loslaßt, so werde ich um Hülfe rufen.

– Ihr seid zu klug, entgegnete Digby mit kaltem Hohn, um ein unnützes Aufsehen zu erregen. Wenn man wirklich Eure Stimme auch hörte, was ich wegen der Entfernung bezweifeln möchte, und Euch zu Hülfe kommen sollte, so ist Euer Ruf verloren. Nehmt daher lieber Vernunft an und ergeht Euch in Euer Geschick.

Mit wilder Leidenschaft preßte er Alice an seine Brust und suchte ihre Wangen und den Nacken mit seinen glühenden Küssen zu bedecken.

– Zurück! hauchte ihm Alice fast erliegend entgegen.

– Macht nur keinen Versuch, Euch meinen Armen zu entwinden. Ich fürchte weder Euren Zorn, noch Euer Schreien. Denkt Ihr, daß ich nicht von Allem unterrichtet bin, daß ich nicht im Voraus meine Maßregeln getroffen habe? Warum sträubt Ihr Euch gegen mich und spielt die Keusche? Ich weiß, was Euch hierher geführt, daß Euer Geliebter sich noch in diesem Augenblick hier im Garten verborgen aufhält. Ihr befindet Euch in meiner Gewalt, denn Eure Ehre, Euer Ruf liegen in meinen Händen.

– Ihr lügt, rief Alice entrüstet.

– Nicht ich, sondern Ihr, mein schönes Fräulein, tretet der Wahrheit zu nahe. Wenn Ihr wirklich so unschuldig seid, warum ruft Ihr, warum schreit Ihr nicht? Doch ich halte Euch für zu vernünftig, um das Aeußerste zu thun. Zürnt mir nicht und seid nicht ungehalten. Ihr sollt mich bald näher kennen lernen und ich bin überzeugt, daß Ihr mir dann alle Gerechtigkeit wiederfahren laßt. Vor allen Dingen gelobe ich Euch bei meinem Ritterwort die tiefste Verschwiegenheit, kein Mensch soll diesen Vorgang erfahren. Ich werde Eure kleine Schwäche vergessen und der Kinderei, wofür ich das Ganze halte, kein besonderes Gewicht beilegen. Ich liebe Euch darum nicht minder und kümmere mich auch nicht um diese unschädliche Verirrung eines jugendlichen Herzens. Ihr seht, daß ich billig bin und keineswegs der Wehrwolf, für den Ihr mich haltet.

– So sagt, was fordert Ihr von mir? fragte Alice nachgiebiger, durch seine Worte ermuthigt, und um ihn nicht zum Aeußersten zu treiben.

– Eure Hand, Euer Herz. Ihr wißt, daß ich mich um Beide schon seit längerer Zeit bewerbe. Bisher habt Ihr mich zurückgewiesen und jeder andere Mann hätte sich vielleicht durch diese Sprödigkeit abschrecken lassen. Bei mir war die Wirkung eine umgekehrte, denn Schwierigkeiten reizen mich und Hindernisse entstammen nur meinen Muth. Ich mag weder einen Feind noch ein Weib, die sich leicht besiegen lassen. Ich bin eben einmal anders wie die gewöhnlichen Menschen und wandle nicht gern auf dem breit getretenen Pfad der Alltäglichkeit. Mein erstes Weib hab' ich ihren Anverwandten abgetrotzt und mein zweites will ich mir gegen Ihren eigenen Willen gewinnen.

– Und Ihr glaubt, daß es Euch gelingen wird?

– Ich zweifle nicht mehr daran, denn Ihr werdet und müßt meinen Gründen Gehör geben. Ich rechne dabei auf Eure mir hinlänglich bekannte Klugheit, auf Euren Geist, der die Verhältnisse vollkommen zu würdigen versteht. Eine Eures Standes unwürdige Neigung hat sich zwar Eures Herzens bemächtigt, doch bei einigem Nachdenken werdet Ihr selbst bald Eure Thorheit einsehen. Wollt Ihr Eure Hand einem jungen, unreifen Manne reichen, der nichts ist, nichts hat, einem Dichter, dessen Talent höchstens dazu ausreicht, irgend einen Geburtstag, oder ähnliches Fest zu feiern und der lediglich nur darum in vornehmen Gesellschaften gelitten wird?

– Ihr irrt Euch, entgegnete Alice ausweichend.

– Glaubt mir, ich kenne die Welt und das Leben. Nie wird eine derartige Verbindung die Zustimmung Eurer Eltern erhalten. Wollt Ihr Euch gegen ihren Willen auflehnen und die Folgen eines derartigen Schrittes tragen? Verstoßen von Eurer Familie werdet Ihr dann das Weib eines Mannes sein, der trotz seines Talentes, denn ein solches will ich ihm nicht gänzlich absprechen, nur kümmerlich sein Brod findet. Ihr seid an Glanz und Luxus gewöhnt, und müßt dann mit tausend Entbehrungen täglich kämpfen. Statt der stolzen Räume eines Palastes, werden Euch die ärmlichen Wände einer Hütte entgegenstarren. Euer Fuß hat bisher nur weiche Teppiche betreten, der harte Fließboden wird ihn schmerzlich berühren. Wollt Ihr wie die andern Bürgerfrauen auf den Markt mit dem Fleischer und den Fischweibern um einen Heller feilschen? Geht, geht! Dazu seid Ihr nicht geschaffen. Euer Rang, Eure Bildung und Eure Schönheit weisen Euch eine andere Stellung an. Eine solche Perle darf nicht im Schmutze des alltäglichen Lebens untergehen, sie ist berufen, ein königliches Diadem zu schmücken. Ich will Euch meine Hand bieten, um Euch an den rechten Platz zu bringen. Werdet meine Gattin und Ihr sollt am Hofe glänzen, unter die ersten Frauen Londons gezählt werden und die Euch gebührende Huldigung empfangen. Dort erwartet Euch ein neues Leben, eine Welt voll Glanz und Pracht, der Umgang mit den feinsten und edelsten Männern und Frauen des Königreichs, der Reiz und Duft einer höheren und reineren Atmosphäre, welche nie von den Düften der gemeinen Sorge und von dem Schatten des Elends getrübt wird. Warum antwortet Ihr mir nicht? Wollt Ihr mein Anerbieten annehmen?

– Nimmermehr, entgegnete Alice mit Entschiedenheit.

– So werd' ich Euch zu Eurem Glücke zwingen müssen. Bedenkt, daß Euch keine andere Wahl bleibt zwischen der Schande und meiner Hand. Eure Abwesenheit ist gewiß schon bemerkt worden, man wird Euch vermissen und sucht Euch vielleicht schon in diesem Augenblick an allen Orten. Wenn man Euch hier findet, sei es mit mir, oder einem andern Manne, so seid Ihr für immer der Verleumdung Preis gegeben. Ein Wort von mir und Eure Ehre ist dahin.

– Ich verachte Eure Drohungen eben so sehr wie Eure Schmeicheleien.

Alice suchte von Neuem zu entfliehen, doch Digby hielt sie mit seinen athletischen Armen fest, so daß sie kein Glied ihres Körpers zu rühren vermochte. Er stützte sich auf die physische Kraft, welche ihm schon manchen Sieg über schwache Frauen in ähnlicher Lage verschafft hatte. Zugleich rechnete er auf die Verlegenheit Alicen's, auf ihre Angst, ihre Schüchternheit und die Unerfahrenheit des jungen Mädchens. Durch Ueberraschung glaubte er sein Ziel zu erlangen und der Trotz, den er wider Erwarten fand, nährte nur noch mehr die Glut der Leidenschaft. Er gehörte zu jenen kühnen, rücksichtslosen Männern, welche vor keiner Gewaltthat zurückschrecken. – Im Ringen mit ihr fiel der Schleier, welcher Alice verhüllte, und ihre blendenden Schultern und der waltende Busen war so seinen gierigen Blicken Preis gegeben. Dieser Anblick entflammte seine sinnliche Natur. Instinkt und Berechnung trieben ihn zum Aeußersten, er fühlte, daß er bereits zu weit gegangen, daß er triumphiren oder für immer seine Pläne aufgeben mußte, abgesehen von den Folgen, welcher dieser aller Sitte und Gastfreundschaft Hohn sprechende Angriff auf die Tochter eines edlen Hauses für ihn haben konnte.

Alice hielt sich für verloren, ihre Sinne begannen zu schwinden, vor ihren Augen wurde es dunkel und sie fühlte sich einer Ohnmacht nahe. In diesem verhängnißvollen Augenblicke stieß sie einen lauten Schrei aus. Er wurde sogleich gehört, plötzlich tauchte aus dem Gebüsch ein Mann empor. Beim Scheine des Mondes erkannte sie den edlen Carbury. Mit einem raschen Sprunge war er an ihrer Seite und sein Schwert entblößt.

– Mädchenräuber! rief er Digby zu. Vertheidigt Euch und zeigt, ob Ihr eben so tapfer gegen Männer wie gegen wehrlose Frauen seid.

Ehe jedoch Sir Kenelm ihm antworten und seine Aufforderung annehmen konnte, warf sich Alice zwischen beide Männer.

– Wenn Ihr mein Freund seid, flüsterte sie, so steckt Eure Waffe ein. Meinetwegen darf kein Blut vergossen werden. Ich danke Euch Sir Carbury für Euren guten Willen, gebt mir Euren Arm und führt mich in den Saal zurück.

– Und dieser Mann soll Euch ungestraft gekränkt haben? fragte der Ritter unwillig.

– Ich will ihn seinem Gewissen überlassen, entgegnete sie mit Würde.

Einen stolzen und vernichtenden Blick warf sie noch auf Digby, der ihr nicht zu folgen wagte. Mit den Zähnen knirschend stand er noch einen Augenblick in wilden Gedanken.

– Geh' nur, eitle Thörin! murmelte er ihr nach. Ich werde mich zu rächen wissen. Du sollst deinem Geschicke nicht entfliehen, doch bin ich nicht selbst der größte Thor? Statt ruhig zu bleiben, habe ich mich hinreißen lassen von blinder Leidenschaft. Am besten wird es sein, wenn ich mich heimlich entferne, länger darf ich nicht auf dem Schlosse verweilen. Ohnehin habe ich hier nichts mehr zu suchen, mein Spiel ist ein verlorenes und ich muß es aufgeben. Bah! Was ist es auch weiter? Die Sache wird vielleicht Skandal machen, vielleicht auch nicht, denn wenn das Mädchen klug ist und das scheint sie mir zu sein, so wird sie schweigen und dem Wallisischen Tölpel ebenfalls das Reden verbieten. – Ich habe kein Glück mehr in England, auch Laud hat mein Anerbieten nicht angenommen und wenn die Geschichte mit dem Kardinalshut ruchbar wird, so kann ich in des Teufels Küche kommen und den Rest meiner Güter noch obendrein verlieren. Ich glaube, daß ich wohl daran thue, eine kleine Reise zu unternehmen. Ich spüre plötzlich wieder meine alte Sehnsucht, Italien zu sehen. Also fort nach Rom und zwar ohne allen Abschied, der ohnehin nicht allzu zärtlich ausfallen dürfte.

Sogleich eilte Digby auf sein Zimmer und weckte seinen schlummernden Bedienten. Mit dessen Hülfe raffte er feine Habseligkeiten zusammen und entfernte sich heimlich wie ein Dieb von Ludlow-Castle. Am nächsten Abend schon bestieg er ein Schiff, das ihn nach Italien bringen sollte, wo er einige Zeit zu leben gedachte, um den Folgen seiner gescheiterten Intriguen zu entgehen.


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