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Die Registratur der Liebe

Zum Kapitel des Heiratsschwindels.

Auf der Zeugenbank hatten sechs ältere Damen mit verweinten Augen Platz genommen. Man brauchte sie bloß flüchtig anzusehen, um sofort zu wissen, welcher Art der Fall sei, der zur Verhandlung gelangte. Es waren sechs bejahrte Dienstboten, an welchen einer der raffiniertesten Heiratsschwindler Namens Bartholomäus Kleiner Beute gemacht hatte. Die Mehrzahl seiner Opfer aber hatte es vorgezogen, zum Schaden nicht noch den Spott zu ernten und war deshalb dem Gerichte fern geblieben. Kleiner hielt ein förmliches Heiratsvermittlungsbureau, doch, wohl gemerkt, nur für seine Person. Bei seiner Verhaftung fand man über tausend an ihn gerichtete Heiratsanträge. Die Zahl der von ihm gleichzeitig unterhaltenen Liebesverhältnisse war so bedeutend, daß er sich eine Art Registratur angelegt hatte, in welcher in alphabetischer Ordnung die Namen der Geliebten und die wichtigsten Phasen des Verhältnisses oder auch Bemerkungen über den Charakter der einzelnen Antragstellerinnen verzeichnet waren, um jedem Irrtume vorzubeugen. Er wollte offenbar auf keiner Vergeßlichkeit ertappt werden, indem allenfalls er die A um den ersten Kuß bat, während er sie vorher vielleicht schon oft geküßt hatte, oder die B »angebetete Toni« nannte, während sie Sally oder anders hieß. Hier einige Probeblätter aus dieser Registratur der Liebe:

Anna Sch. in Penzing. 28. November. Hat mich eingeladen, sie zu besuchen. – 30. Besuch empfangen, zutraulich, gemütlich. – 1. Jänner zum Essen bei ihr geladen. – 3. Vortrefflich bei ihr gespeist – sie unendlich glücklich. – 5. Ihr um Geld geschrieben.

Emilie R. drängt zur Heirat – viel zu ungeduldig und hitzig – Verweis und Belehrung erteilt.

Frau A. in Linz, 58 Jahre alt. Die wünscht einen Mann kennen zu lernen, an dem sie sich hinaufranken kann, schreibt sie unfrankiert. Welche Frechheit, unfrankiert sich an mir hinaufranken zu wollen! – 6. Jänner. Jetzt schreibt sie frankiert, daß ihre Liebe eine unendliche, unteilbare und unwandelbare sein wird ... jetzt ihren Liebeseifer gelobt, meine Photographie geschickt, sie nach Wien bestellt.

Anna L. hier. Zärtlich, aber strenge.

Louise N. Entgegenkommend.

Marie I. Unversöhnlich.

( Mehrere Dutzend Namen). Unbemittelt, daher unbeantwortet.

Fanni M. Hat Geld. – Brief sehr fein beantwortet.

Er konnte aber auch schöne, weltschmerzliche Briefe schreiben, wie z. B. folgenden: »Ich gestehe, daß ich Ihrer Annonce Mißtrauen entgegenbringe, weil ich im Punkte der Liebe sehr schlechte Erfahrungen gemacht habe. Verzeihen Sie daher, wenn ich Ihnen mit wenig Vertrauen entgegenkomme. Als Mann von Charakter mache ich mir meine Gesetze selbst. Ich suche ein einfaches Wesen, das glücklich machen kann. Ich bin Schriftsteller, komme soeben aus England und besitze 30,000 Gulden Vermögen.«

Präs. Warum schreiben Sie: aus England? Hätten Sie lieber geschrieben: »Ich bin gesund, intelligent und komme soeben aus der Strafanstalt Garsten.«

Angekl. Gestatten gnädigst zu bemerken, daß man so was nicht schreiben kann.

Präs. Und warum nennen Sie sich Schriftsteller? –

Angekl. Bitte, ich habe ein Werk, betitelt »Besen und Mistgrube« verfaßt, dazu brauchte ich als Material die Antworten auf meine Heirats-Annoncen und die Anträge der Frauenzimmer, die sich selbst annonciert haben.

Präs. Das wäre offenbar ein sehr umfangreiches Werk geworden.

Der Staatsanwalt konstatierte, daß das vorerwähnte Buch mit dem einladenden Titel »Besen und Mistgrube« wegen Majestätsbeleidigung und Störung der öffentlichen Ruhe konfisciert worden sei. Er wies in seinem Antrage auf die Höhe und Empfindlichkeit des Schadens der sechs Zeuginnen (2005 Gulden), sowie auf die besonders gefährliche Eigenschaft des 58jährigen verehelichten Angeklagten hin, seine Opfer nicht nur an ihrem Vermögen, sondern auch an ihrer Ehre zu schädigen.

Der Registrator der Liebe wurde hierauf mit sieben Jahren schweren Kerkers nebst Polizei-Aufsicht bedacht.

*

Das geschah – vor fünf Jahren. Seitdem hat sich der Heiratsschwindel weiter ausgebildet und heute reicht eine Registratur nicht mehr aus. Hugo Schenk, der Blaubart der Köchinnen, legte anstatt einer solchen bekanntlich einen – Friedhof an.

* * *


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