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Der Stein des Anstoßes

Ein Rennbericht.

– »Na, wie geht's, alter Dacher,« Rabe. sagte Herr Nikolaus Fenninger eines Morgens zu seinem langjährigen Bekannten Martin Roth, den er zufällig auf der Straße traf. »Trag'st die alten Baner no' net bald ins Bäckenhäus'l, Versorgungshaus. was?«

Der Angeredete maß den Sprecher mit einem geringschätzigen Blicke. Könnt'st Gott danken, wann'st no' so beinander wärst wia i, G'frettbruder!« sagte er. »Ah freili,« spottete der Andere, »du bist aber auch a vif's Bürschel mit dein' weißen Schnittling, Haare. mit die g'starren Füß' und mit'n Nasentröpferl. Was sagst d' denn net gar, daß D' n' den Hallodri spielst auf deine alten Täg'?«

Herr Roth erwiderte darauf etwas renommistisch, er getraue sich 's noch immer mit jedermann aufzunehmen, und da sein Freund nicht minder mit der ungeheueren Kraft prahlte, die seinem nur scheinbar vom Alter gebeugten Leibe innewohne, so wären die beiden würdigen Greise bald handgemein geworden, um wie vor fünfzig Jahren zu erproben, welcher von ihnen der Stärkere sei. Zum Glück kam Herrn Fenninger vorher noch ein anderer Einfall in Betreff des nach beiderseitiger Ueberzeugung unvermeidlich gewordenen Wettkampfes. Er schlug vor, sie sollten Beide bis zum Praterstern und zurück gehen, da werde sich ja zeigen, wer mehr auszuhalten vermöge.

»Mußt von gute Eltern sein, wannst mit mir geh'n willst,« meinte Herr Roth und knöpfte sich den Rock zu, um gleich anzufangen. »Ah, Sakrawolt,« brummte er jetzt, »den Stan muß i weggeb'n, der thät mi' scheniren.«

– »Was für ein' Stan?« fragte der Andere.

– »Ah nix, wart a bissel, i bin glei' wieder da,« erwiderte Herr Roth, ging über die Straße und gab einem dort postirten Dienstmanne einen Gegenstand, den er unter der Weste hervorgeholt hatte. Darauf kehrte er zurück und die beiden alten Herren starteten ab.

Ueber die einzelnen Phasen dieses Wettrennens sind wir leider nicht unterrichtet. Genug, die Greise kehrten nach etwa anderthalb Stunden in einem jammervollen Zustande zurück. Herr Fenninger war um einige Schritte voraus, fiel aber, in der Einfahrt seines Hauses angelangt, mit dem Kopfe voraus wie todt in eine dort befindliche Mehltruhe und mußte in seine Wohnung getragen werden. Herr Roth blieb schwer keuchend bei dem Dienstmanne stehen und stieß mit vieler Mühe die Worte heraus: »Geb'ns m'r mein Stan.«

Der Dienstmann zeigte auf einige Ziegeltrümmer in der Nähe und sagte: »Was woll'ns denn mit den Stan, i hab'n wegg'schmiß'n, weil S' so lang net kommen sein!« Ueber diese Antwort gerieth der greise Wettläufer in eine unbeschreibliche Aufregung. Er nannte den Dienstmann einen gewissenlosen Lumpen und drohte, ihn arretiren zu lassen. Das steckte der Dienstmann natürlich nicht ruhig ein, sondern klagte aus Ehrenbeleidigung und Herr Roth sollte nun wegen dieser Klage vor dem Bezirksgerichte erscheinen.

An seiner Statt kam Frau Roth, eine sehr ansehnliche Dame, um das Ausbleiben ihres Gatten zu entschuldigen. »Mein Mann,« sagte sie, »liegt z'Haus auf der Dack'n Hinfällig sein. seit der Rennerei mit'n Fenninger. Hab'n's schon zwa so alte Narr'nthaddeln g'segn? Rennen die mit einander wie a paar Schulbub'n ... und der meinige hat's schon gar nöthi' g'habt ... seit'n 66ger Jahr bild't er si' ein, er hat die Cholera und hat seitdem alleweil denselben Dachziegel am Bauch trag'n, wo er 'gangen und g'stand'n is. Dessentweg'n war er ja so gifti, daß ihmern der Dienstmann wegg'worfen hat, er glaubt a anderer thuets net ... Sö glaub'n gar net, Herr Rath, was unserans für a Kreuz hat mit so an Mann ... er will halt no' allweil 'n Biz spiel'n der alte Schabachter ... Was wolln's denn: neuli fahrt er auf der Schiffhutschen im Prater, wird damisch und schlaft ein, und is bis um zehne auf d'Nacht allweil mitg'hutscht word'n, so daß er dann an Guld'n hat zahl'n müaß'n ... Na i sag ihnen's! ...«

Die gute Frau konnte ihre Thränen nicht länger zurückhalten. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, wurde die Verhandlung bis zur Genesung ihres Gemahls von den Folgen des Wettrenn-Accidents aufgeschoben. Er genas aber leider nicht mehr. – –

 

Ende

* * *


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