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Das Sperrgeld

Eine Wiener Skizze.

Als Gegenstand der Verhandlung war eine öffentliche Anklage wegen körperlicher Beschädigung durch Raufhändel namhaft gemacht worden. Die dazu gehörigen Persönlichkeiten traten an den »Gerichtsschranken« und stellten sich dem Richter vor. Der Eine, ein auffallend stämmiger Herr, nannte sich Josef Czech und war, wie schon sein Name besagte, Hausmeister. Der Andere, ein kleiner, zierlicher, kraushaariger Mann, gab sich als Signor Domenico Borri aus Triest zu erkennen. Der Augenschein sprach unter so bewandten Umständen sehr dafür, daß Signor Borri bei einem Rencontre mit Herrn Czech einigen Schaden genommen habe; allein die Sache hatte offenbar keinen natürlichen Verlauf gehabt, denn Signor Borri wurde als Angeklagter behandelt und Herr Czech nahm eine Miene an, als ob er der schwerstgeprüfte unter den Hausmeistern auf dieser Welt wäre und unläugbaren Anspruch auf das Mitleid aller Menschenfreunde besäße. Nach einem Blick in die Akten konnte der Richter in der That nicht umhin, Herrn Borri zu befragen, wie es denn gekommen sei, daß derselbe den Hausmeister so heftig geprügelt habe. Es wolle demnach scheinen, als ob die beiden Herren in gegenseitiger Feindschaft befangen seien, doch Herr Borri erwiderte:

– »Feindschaft? Ick aben keine Feindschaft nicht gegen 'errn Czech – er sprach dieses Wort so sanft aus, wie cielo, – aber 'ausmeister sein grobe Mensch!«

Herr Czech blickte um sich, gleichsam fragend, ob es denn eine so verstockte und ungerechte Creatur gäbe, welche zu dem Glauben hinneige, daß ein Hausmeister überhaupt je grob werden könne. Es befriedigte ihn sichtlich, daß niemand da war, welcher es gewagt hätte, sich dergestalt an einer in Wien so allgemein beliebten Körperschaft zu versündigen, und er beantwortete nun den Ausfall des Italieners nach Ollendorf'scher Methode, indem er sagte:

– »Er sagt, i bin grob? I bin net grob, aber er is schmutzi.«

– »Was wollen Sie damit sagen?« fragte der Richter.

– »Na, der Herr da will immer nur fünf Kreuzer Spirrgeld geb'n.«

– »Das sein nicht smutzig,« entgegnete eifrig der Italiener, »das sein nur reckt und billig; ick komm' immer schon um 'alb elf nach 'ause.«

– »Sö kriegeten aber kein' Leibschaden davon,« meinte darauf der Hausmeister in einem Tone der Belehrung, als gebe er seinem Gegner einen uneigennützigen Rathschlag, der demselben bei seinem Fortkommen ungemein behilflich sein werde, »wann's a a Sechserl zahleten, wia andere anständige Leut'. Wann i red'n därf, so möcht' i hiazt derzählen, wia dö G'schicht' hergangen is. – Gegen halber elfe auf d'Nacht wird g'läut' an mein Hausthor und i denk' mir glei: Ahan! das ist der Italiener. Richti war er's mit seiner Braut. Na, denk' i mir, heunt kummt's net eina, wann's net a Schestak (Zehnkreuzerstück) blecht's! ...«

Es war somit ganz die Scenerie, welche ein Wiener parodistisches Volkslied in den Stabreimen ausdrückt:

Spute dich, spende, spend' ohne Spott
Schimmerndes Schestak
Parsifallot!

– »I halt' also – erzählte Herr Czech lebhaft weiter – mei Hand außi und er druckt mir wieder nur fünf Kreuzer eini. Reiben's no' fünf Kreuzer ummer! Geben Sie noch fünf Kreuzer her. sag' i, 's san zwa Personen. Sö spirrn ja nur einmal auf, räsonnirt er dagegen. Du red'st mir lang guat, hab' i mir denkt, hab's Thor wieder zuag'haut, 'n Schlüssel umdraht und – draußd war er! ( Herr Czech macht hier im Nachgenusse seines damaligen Triumphes eine kleine Vergnügungspause.) Ueber a Weil' läut's wieder. Ahan, sag' i zu meiner Alt'n, hiazt san's schon marb (mürbe) dö Zwa draußd, und geh' wieder aufspirrn, halt a wieder mei Hand aussi um's Geld. Kaum hab' i's aussig'streckt, so schmiert mir der Herr mit sein Stock ane awer über die Klebeln (Finger), daß i alle Engel im Himmel hab' singen g'hört. I hab's glei z'ruckzog'n und a'g'schleckt, (abgeleckt) aber er hat ohne Gnad und Barmherzigkeit auf mi' zuadroschen, wo er g'rad hintroffen hat. So viel Schläg auf an Platz hab' i mei Lebtag net beinander g'segn, 's war'n g'rad so viel, als i hab' tragen können.

– »Nun also,« fiel der Italiener etwas boshaft ein, »wenn nur nicht mehr waren als Sie 'aben tragen können. Aber nessun maggior dolor! Sie sollen's nie mehr in Ihre Leben größere Smerzen 'aben, es war nicht so harg!«

– »Warum ließen Sie sich so schlagen, Sie sind ja ein Riese gegen den Angeklagten?« fragte der Richter verwundert.

– »Schon recht,« antwortete der Hausmeister ärgerlich. »Er hat's ja pickfein ang'stellt. Nämli, wia i 's Thor aufg'macht hab, schiabt er ein' Pfosten dazwischen. Den hab' i woll'n weggatauchen, buck mi, und inwährenden das schware Thor mi einzwickt, hat er mir ane nach der andern in aller Bequemlichkeit andruckt.«

So kräftig waren aber die Hiebe dennoch nicht gewesen, um Merkmale zu hinterlassen oder das Befinden Herrn Czech's wesentlich zu stören. Der staatsanwaltliche Functionär zog daher die Anklage zurück und es blieb nur mehr die Privat-Ehrenbeleidigungsklage, betreffs welcher der Richter einen Ausgleich anstrebte. Der Italiener erklärte sich sofort bereit, Abbitte zu leisten.

– »Das ist recht schön,« sagte Herr Czech zurückhaltend, »aber wia is künfti mit'n Spirrgeld?«

Nach Empfang bindender Versprechungen hinsichtlich dieses Punktes zog Herr Czech die Klage zurück und der Fall löste sich somit in jener wohlgefälligen Weise auf, welche heutzutage den Abschluß so vieler bemerkenswerther Verhandlungen bildet: mit einer kleinen Erhöhung der Abgaben.

* * *


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