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»Flock.«

Ein Hunde-Portrait.

Flock's Lasterhaftigkeit läßt eigentlich keine Beschreibung zu. Es giebt kein entmenschteres Geschöpf, als einen Hund, welcher schlimme Charakteranlagen hat. Schon in frühester Jugend zeigte Flock eine bedenkliche Neigung zum Jähzorn. Er konnte außer sich gerathen vor Grimm, wenn ihn ein unschuldiger Knabe mit Winterstiefeln auf den Schwanz trat, und es fehlte nicht viel, daß er derlei Knaben eine Strecke Weges verfolgt hätte, um sich an ihrer Angst und Reue zu werden. Geradezu heftig aber wurde er, wenn man ihn drosch und dies, nach seiner Meinung, unverdient, sowie zu schmerzhaft geschah. In diesem Falle suchte er, wie alle Verbrecher, zuerst sein Heil in der Flucht. Er verbarg sich in den entferntesten Winkeln und gab, wenn ihn die Peitsche auch dorthin verfolgte, aus Trotz anfänglich keinen Laut von sich. Fielen die Hiebe dichter, so begann er in heuchlerischer Weise zu wimmern, um das öffentliche Mitleid rege zu machen, rücksichtlich die Fürsprache der Hausgenossen zu erwirken. Ließ sich sein Herr je dadurch bethören, so kroch Flock nach einiger Zeit vorsichtig hervor, schüttelte die Schläge ab und gab seine Verstocktheit dadurch zu erkennen, daß er mehr als je seine ganze Theilnahme eßbaren Gegenständen zuwendete. Machte aber sein Herr Miene, ihn todtzuprügeln, dann setzte Flock diesem Vorhaben, anstatt mit dem berühmten dankbaren Blicke in aller Ergebung zu sterben, beträchtliche Schwierigkeiten entgegen, indem er als verdammenswerther Rebell nach der Hand seines Herrn schnappte.

Auf diese Weise rettete er mehrmals sein Hundeleben, kam aber verdientermaßen in den Ruf eines höchst lasterhaften, bösartigen Hausthieres. Auch war er stets wasserscheu, in dem Sinne nämlich, daß er die Wohlthat eines Bades nicht zu schätzen wußte. Wenn der hiezu bestimmte Kübel in der Küche sichtbar wurde, entfernte sich Flock alsogleich unter einem Vorwande, schlich sich an fast unzugängliche Orte und verfolgte von dort aus mit schadenfrohen Blicken die Badevorbereitungen, da er sich vollkommen sicher wähnte. Dieser Wahn dauerte indessen nicht lange, denn man veranstaltete bald förmliche Treibjagden nach dem Badegaste, in deren Folge er erwischt und mit einer Verschärfung an Soda und anderen Chemikalien zwangsweise gebadet wurde.

Das entscheidendste Moment aber bei Beurtheilung dieses Hundecharakters ist seine andauernde Mißachtung der Gebräuche, welche auf die Reinlichkeit einer menschlichen Wohnung abzielen. Mit einem Zynismus, dessen nur eine verderbte Hundeseele fähig ist, setzte sich Flock über alle diesbezüglichen Gebote hinweg und verübte eine Reihe von Unthaten, welche ohne Beispiel dastehen. Die Stätte, die ein guter Hund betritt, sie ist gefeit für alle Zeiten – hier jedoch war stets das Gegentheil der Fall. Die Unsicherheit nahm täglich zu, und schließlich hörte man eines Tages einen markerschütternden Ruf aus dem sonst so stillen Schlafgemach dringen. Er rührte von dem Stubenmädchen her, dem sich beim Eintritte ein grauenvoller Anblick dargeboten hatte. Der Thäter entzog sich der irdischen Gerechtigkeit durch rasche Flucht über die Stiege und ward nicht mehr gesehen ...

Die angestellten Nachforschungen hatten keinen Erfolg. Kürzlich aber spielte sich eine Gerichtsverhandlung ab, welche vielleicht geeignet ist, auf die Spur Flocks zu führen. Ein Hundehändler wurde verurtheilt, dem Schauspieler Herrn Schöndank zehn Gulden zurückzuerstatten, welche ihm dieser als Kaufpreis für einen Hund bezahlt hatte. Besagter Hund war von dem Händler als ein Thier geschildert worden, dessen Reinlichkeit nichts zu wünschen übrig lasse. In Wirklichkeit aber strafte der Hund diese Behauptung in derart überschwänglichem Maße Lügen, daß die Zeugen übereinstimmend versicherten, die ältesten Leute wüßten sich eines so unverschämten Schweinehundes nicht zu erinnern.

Wenn das nicht Flock war, dann giebt es keine untrüglichen Kennzeichen mehr. Möge sich das Ungeheuer vorsehen und fernerhin mit Sanftmuth und Reinlichkeit den Weg der Tugend betreten!

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