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Erinnerungsfeier an die Cinque Giornate in Mailand.
Gedräng' und Lärm. – Die Menschenfluth,
Wie Welle sich auf Welle rastlos thürmt,
Dem Sturzbach gleich, der zügellos
Mit Riesenstößen an das Ufer stürmt.
Ein wildes Meer, ein Pulsschlag hebt
Die Herzen Aller, neues Hoffen lacht,
Und brüderlich, mit warmem Kuß
Wird alten Leides, alter Noth gedacht.
Und die Erregung, die zugleich
In Brust und Augen Aller zitternd glüht,
Im weiten, lichten Himmelsraum
Als Lachen, Singen, Träumen aufwärts zieht.
Auf Flügeln des magnet'schen Worts
Es zwischen Volk und Himmel widerklingt,
Des Worts, das durch die klare Luft
Beim Strahlenglanz der goldnen Sonne dringt.
… Doch stille nun … s'ist Zeit. – Es theilt
Die Menge in zwei dichte Flügel sich.
Ein Schauer durch die Herzen zieht,
Die Regimenter nah'n sich feierlich.
Es weh'n im frischen, klaren Wind
Die Fahnen und Standarten weiß empor,
Bei Trommel und Trompetenschall
Und bei der Hymnen feierlichem Chor.
– O Freiheitshelden, o, vom Blut
Des Vaterlands noch warme Heldenthat! … –
Ein Zug von Särgen langsam sich
Auf den Lafetten der Kanonen naht.
Mit den Reliquien, die an's Licht
Nach langer Jahre Nacht man hier gebracht,
Im Herzen des bewegten Volks
Erinn'rung an vergangne Zeit erwacht;
Die grause Göttin zieht vorbei,
Die Barrikadengöttin, roth wie Blut,
Die unbewaffnet, zügellos,
Durch Platz und Gassen einst getobt voll Wuth.
Die bei der Feuersbrünste Schein
Zum Wahnsinn fast durch Blut und Rauch gebracht,
Auf einmal ein erniedrigt Volk
Zu einem Volk von Riesen hat gemacht.
Am fünften Tag erscholl ein Schrei,
Ein Zauberschrei von Sieg und hohem Glück:
– Hier fängt Italien an! … So klang's,
Und wie ein Ruhmesecho dröhnt's zurück!
… Still, still. – Die Todten träumen sanft,
Die in den Särgen sacht vorüberzieh'n.
Ein süßes Lächeln irrt umher
Und wiegt und küßt die todten Körper drin.
– Für sie schmückt heut das Vaterland
Das edle Haupt mit buntem Blumenkranz,
Für sie lacht heut der Welt es zu
Als üpp'ger Garten voller Duft und Glanz.
Für sie und für die Thränen heiß
Aus ihrem Auge, für die warme Fluth,
Die stromweis ihrer Brust entquoll,
Für ihre Liebe! … Träumt ihr Todten gut! –
* * *
Das Vaterland ist groß. – Es wird
Von Furien mit schwarzen Klau'n bedroht
Die Ebene der Lombardei –
Pellagra, Anämie und Hungersnoth.
Aus der Maremmen böser Luft
Und aus dem unbebauten röm'schen Feld,
Dem Elend in Calabrien,
Dringt ein verzweifelt Weinen in die Welt.
Zu Hunderten die Sklaven gehn
In Schwefelgruben, schauerlich, hinab,
Und finden dort in gift'ger Luft
Das Brot, den Kerker und das Grab.
Voll Hoffnung in die Ferne zieh'n,
Sich reißend von der Mutter trauten Brust,
Zu neuem Dienst und Lorbeer hin
Die kühnen, kräft'gen Krieger voller Lust,
Um dort im glüh'nden Wüstensand
Zu sterben oder selber Tod zu sä'n,
Damit im unfruchtbaren Land
Das Zukunftsbanner mög' errichtet stehn.
Italiens unglückselig Volk
Verschmachtet überall in Noth und Qual;
»Brot, Brot«, so tönt das Schluchzen rings
Von Frau'n und Kindern; doch wie tausendmal
Der Meeresschaum an Klippen bricht
Und immer wieder sinkt in's Meer hinab,
So tönt umsonst das flehende Gebet
Der Ueberwundnen – wird ihr eignes Grab.
In Höh' und Tiefe sinkt dahin
Der Glaube, des Gewissens tiefer Born
Versiegt – in schwachen Geistern schweigt
Die heil'ge Liebe und der heil'ge Zorn.
Jedoch als stolzer Eichbaum steht
Das freie Vaterland! … – Erwachet nicht,
Ihr Todten! – Träumt in alle Ewigkeit
Den Traum von herrlichem Triumph und Licht,
Der euch im heißen, wilden Kampf,
Bei dem im Staub des Wegs ihr blutend lagt,
Zu einem hellen Freudensang
Das Röcheln einst des Todeskampfs gemacht.