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Ausstand.


Beim Sonnenglanze, der erhellt und wärmt
      Den düstern Bau voll Gluth,
In der Fabrik nichts athmet, raucht noch lärmt,
S' ist hoher Mittag, doch die Werkstatt ruht.

Verlass'ner Arbeit Todestraurigkeit
      Herrscht lastend rings umher;
Nicht Lärm noch Menschenlaut der Tag uns beut,
Nur Stille der Verzweiflung, dumpf und schwer.

Welch' Banner sieht verheißungsvoll man weh'n
      Im Sonnenschein? … Nur zu,
Willkomm'ner Streik in Lumpen. – Wag's! … – Es steh'n
Die Räume der Fabrik in graus'ger Ruh,

Ruinengleich; das Webgestühl ist dicht
      Vom Staube überspannt.
Ein kühnes Wort rings von den Mauern spricht:
– Gerechtern Lohn, sonst rührt sich keine Hand. –

Wagt es und hofft! … In tiefen Schlummer sank
      Ein jedes Triebwerk jetzt;
Doch fletscht es noch die Zähne scharf und blank,
Die tödtlich wohl manch' Leben schon verletzt.

Die Riemen, die einst unaufhörlich sich
      Rastlos im Kreis bewegt,
Steh'n da wie eine Schildwacht feierlich,
Die auf der Lauer kaum den Athem regt.

Die Walzen, Spulen, Schrauben, Alles schweigt,
      Die Schmiede glüht nicht mehr.
Kein Wasser in den Kesseln. – Glänzend steigt
Der Sonne Blitzen flammend d'rüber her.

Doch durch die dunk'len Gäng' und Hallen hin
      Geh'n düst're Schatten, grau und stumm.
Gespenstische Gestalten drohend zieh'n
Im öden Grau'n des leeren Bau's herum,

Sieh, wir sich plötzlich jedes Ding belebt,
      Zur Menschenform erwacht,
Und riesig, majestätisch ringsum schwebt;
Wie hier und da ein Flämmchen sich entfacht.

Wie rächende Prophetinnen so steh'n
      Jetzt die Maschinen da;
Die Brust des Triebrad's hört man dröhnend geh'n,
Und jeder Sparren wird zum Schwert beinah;

Und alles ruft: O lichtes Morgenroth,
      Nun bist du nicht mehr weit,
Dein Licht dem, den die Geißel noch bedroht,
Die Macht des menschlichen Geschöpf's verleiht,

Gerechtigkeit, nicht Mitleid in die Welt
      Bringst du, und Aller Blick
Auf neue, heil'ge Ideale fällt;
Und Kindern, Greisen lacht ein heit'res Glück! …

O brich herein, du Strom von Liebesgluth!
      Ein Volk, das auferstand,
Soll finden in der segensreichen Fluth
Kühlung und Trost für weher Lippen Brand! …

Im Osten schon der goldne Traum erglänzt
      Der Zukunft, und der Mai
Der Freien und der Arbeit unbegrenzt,
Kommt schimmernd, wie ein Himmelsstrahl herbei,

Ein Mai voll Vögel, Sonn' und Blüthenwind,
      Voll Küsse und Gesang;
Wo nicht mehr Sieger und Besiegte sind,
Und keine Herren und kein Sklavenzwang.


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