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Der Erbe.

Nach dem Gemälde von T. Pattini.


Rings Finsterniß draußen;
Den Hüttenraum drinnen,
So frostig und kahl,
Beleuchtet nur spärlich
Der Docht eines Lichtes
Mit flackerndem Strahl.

Starr liegt auf dem Boden
Ein Todter gebettet
Zur ewigen Ruh.
Er weiß nichts und fühlt nichts,
Das Bahrtuch deckt düster
Den Schlummernden zu.

Der Leichnam, der blasse,
Ein Arbeiter war es
Voll rüstiger Kraft.
Vom rastlosen Pfluge,
Vom fruchtbaren Acker
Ward fort er gerafft.

Hinweg von den Feldern,
Den goldigen Reben,
Dem Heu voller Duft;
Den grünenden Sträuchen,
Von Blüthen umwoben
In sonniger Luft.

Es kauert im Winkel,
Von Kummer gebrochen,
Ein Weib, starr und stumm;
Und weiterhin spielet
Ein rosiges Kindchen
Am Boden herum.

Nichts weiß es von Kummer,
Nichts weiß es von Schrecken,
Nichts weiß es von Tod;
Spielt harmlos und lachend,
Sein Köpfchen, das blonde
Ist blühend und roth.

Starr blickt's aus dem Dunkel
Mit seltsamem Auge
Gespannt nach ihm hin,
Und Töne und Schauer,
Gedanken und Träume
Die Leere durchzieh'n.

– Der einst du im Stalle
Als Sproß roher Liebe
Gekommen zur Welt,
Sprich, Sohn aus dem Volke,
Blondlockiges Kindchen,
Welch Loos dir wohl fällt.

Harrt deiner die Hacke,
Im Sonnenglanz funkelnd,
Der Pflug hart und schwer,
Der Mittagsgluth Sengen,
Das Wüthen des Regens,
Des Sturm's wildes Heer?

Das schleichende Fieber,
Das tückisch und lauernd
Den Reisfeldern droht;
Unzählige Mühen,
Ein düsteres Obdach
Und kärgliches Brot?

Was wirst du? … Ein schwacher,
Hinfälliger Körper,
Nothdürftig gespeist;
Unwissend erhalten,
In Stumpfsinn verfallen
Der denkende Geist?

Was wirst du? … Strebt kühn dir
Im Kampf um die Freiheit
Die Seele empor?
Sie sproßt aus dem Herzen
Des niederen Volkes
Urwüchsig hervor.

Du spielst unbefangen,
Doch fühlt in der Luft man
Schon Sturmeshauch weh'n.
Auf eiligem Flügel
Die Zeit dir entflattert,
Die nimmer bleibt steh'n.

Vielleicht bist als Streiter
Bei Kämpfen der Menschheit
Du einstmals bereit.
Vielleicht einst ein Opfer,
Vielleicht ein Empörer
Der kommenden Zeit.


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