Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Durch dichten Nebel und durch Dunkelheit
Trägt sie beim rauhen Wind,
An kranker Brust, voll Todesbangigkeit,
Ihr halb erstarrtes Kind.
Gehüllt in den verblichnen alten Shawl,
Von Hunger bleich und matt,
Treibt ins Asyl sie heiße Sehnsuchtsqual
Nach einer Lagerstatt.
Für die Barmherzigkeit der einen Nacht
Beugt sie sich zitternd dort,
Steht wie am Pranger, nennt den Namen sacht
Und ihren Heimathsort.
Was Schweres brachte die Vergangenheit,
Krankheit und raschen Tod,
Gezwung'nen Auszugs grause Kläglichkeit,
Die ganze bittre Noth;
Und erst, nachdem sie schamhaft bloßgestellt,
Was quälend, nagend, wie
Krebsschaden ihr am Leibe frißt, erhält
Ein Lager – endlich – sie. –
* * *
Der Schlummer des Vergessens sie befiel,
Dicht bei ihr schläft das Kind,
Und Alle, die ins mitleid'ge Asyl
Vom Sturm verschlagen sind,
Deckt keusch mit ihren weißen Flügeln nun
Die kurze Friedenszeit;
Zerriss'ne Herzen, müde Glieder ruh'n,
Es schweigt ein jedes Leid.
… Sie träumt. – Ausbreitet auf dem Kissen sich
Das dunkle, wirre Haar,
Gleich einer düstern Decke, schauerlich
Auf einer Todtenbahr'.
Sie denkt im Traum, daß jetzt und immerdar
Dies warme Bett sie hat.
… O Ruh, o Wonne! … jetzt und immerdar
Dies warme Bett sie hat! …
Und lächelnd hold ein Bild vor ihr erwacht
Vom Stübchen, wo sie näht
Und dabei singt, indeß ihr Kindchen lacht,
Von Wärm' und Licht umweht.
Die Scheiben licht vom letzten Strahle sind
Des Tages, der versinkt,
Ins stille Heim ein kühler Abendwind
Die Straßenstimmen bringt …
* * *
… Ein Klingeln schallt. Die Morgenröthe dringt
Im düstern Schlafsaal ein.
Die Arme auf vom fremden Bette springt
Beim matten Dämmerschein;
Mit Lumpen sie die Blöße wieder deckt
Und kehrt mit ihrem Kind
Ins Elend, das mit altem Grau'n sie schreckt,
Zurück, in Frost und Wind;
Zur Jagd nach Brot! … Begierig, lauernd sieht
Sie auf die Stadt voll Rauch,
Die durch die keuchenden Fabriken Athem zieht
Und pfeift im Morgenhauch.
In einen Lobgesang der Kraft und Müh'n
Der laute Lärm ausbricht …
… Begierig lauernd sieht sie feindlich hin,
Denn – Arbeit hat sie nicht.