Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Ich möchte leben, leben stets und zwanzig Jahre sein,
Durchschweifen alle Räume rings auf Schwingen licht und rein
Und lieben, lachen immer;
Mit Strahlen schmück' ich trunken mir die Jugend zauberisch,
Bin wie des Vogels Flügel leicht und wie ein Grashalm frisch,
Klar wie des Meeres Schimmer! …
Ich weise dich zurück, o Tod. – Ich liebe Fluth und Licht,
Und die gesunde Erde auch, die reiche Frucht verspricht
Bei heißen Sonnenküssen;
Die Schmiede der Titanen, wo die Kolben riesengroß,
Geschwungen von der Menschen Kraft, beim Lärmen grenzenlos
Sich rastlos regen müssen.
Mit meiner Lippe, die voll Lust die reinen Lüfte trinkt,
Mit diesem kräft'gen Blut, das heiß mir durch die Adern dringt,
Den Küssen und dem Sehnen,
Dem frohen Lachen, das enthüllt der Zähne weiße Pracht,
Der innern Kraft, die mich belebt und mich empfänglich macht
Zu hohen Zukunftsplänen,
Für Alles, was geboren wird, was hoffnungsvoll sich regt,
Was zwischen Erd' und Himmelszelt ein leuchtend Banner trägt
In idealem Streben,
Was auf der Erde wie die Gluth der Feuerbrünste sprüht,
Was kämpft und siegt, erlischt und doch aufs Neue wieder glüht,
Will ich unsterblich leben!
Den Muskeln, dem gesunden Sinn, dem Werk der Menschenhand,
Den Geistern, die durchdrungen sind vom edelsten Verstand,
Der höchsten Lebensfreude,
Den Müttern, an der Brust das Kind, den Vätern arbeitsmüd',
Den Städten, Dörfern, Wald und Flur, den Bergen, Hain und Ried,
Dem goldenen Getreide,
Den Opfern im Verborgenen, den Fehlern stolz und kühn,
Der Energie des Genius und der Herzen heißem Glüh'n,
Dem Flug, dem Klang voll Wonne,
Bring' dar ich einen Lobgesang, unbändig, siegerhaft,
Schlicht wie dir Aehre auf dem Feld und wie der Mensch voll Kraft!
Und ewig wie die Sonne! …
Und leiden? … Leiden ist ja doch auch Leben, es erfaßt
Ein Schwindel, eine Wollust uns beim blinden Sturz voll Hast
Zum Abgrund tief hernieder;
Und aus der Tiefe mühsam dringt die Stimme halb erstickt,
Mit Gallenbitterkeit getränkt, tief unters Kreuz gebückt,
Aufschluchzend: nimmer wieder … –
Dann plötzlich aus dem Dunkel rings ein schwacher Schimmer bricht,
Und neues Leben uns durchdringt, voll Hoffnung, Muth und Licht.
Von Glaub' und Lieb' auf Erden.
Man klammert an ein Tau sich fest und durch die Adern quillt
Ein frisches, neu verjüngtes Blut in Strom und Fluthen wild,
Als sollt' man König werden!
Für jeden, der im Kampfe bangt, klafft der Taygetos,
Des Lethe gelbe Welle schwemmt hinweg der Schwachen Troß,
Ein kaltes Grab sie scheinet.
Verflucht sei, wer da bebt und feig zurückblickt allemal,
Wer wie ein düst'rer Schatten steht im wogend lichten Strahl,
Der Mensch und Himmel einet!
Ich steig' empor. – Auf steilem Weg folgt mir die große Schaar
Von denen, welche stark und frei, vertrauensvoll und klar
Um hohe Zukunft werben,
Und in des Himmels Strahlenhöh' vom gold'nen Glanz umglüht,
Schwenk' ich die Oriflamme kühn und sing' das Siegeslied
All' derer, die nicht sterben! …