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Die alte Kirche.

Kirche von S. Francesro in Lodi.


Du alte Kirche, düstergrau und mächtig,
Voll Schatten und geheimer Poesie,
Wo ich als Kind oft betete andächtig,
Du alte Kirche, dich vergeß ich nie.

Madonnen des Trecento lächelnd sahen
Von gelben Mauern mild und sanft herab,
Mitunter sah man einen Priester nahen,
Langsam, wie ein Gespenst aus düster'm Grab.

Nach welken Rosen roch es dort so eigen,
Mit Veilchendüften war die Luft getränkt
Und auf den alten Dingen lag das Schweigen,
Das hundertjähr'ger Schlaf darauf gesenkt.

Ein mattes Lämpchen Tag und Nacht dort glühte,
Wie trübe Sehnsucht über dem Altar;
Und mir, die auf dem weißen Marmor kniete
Gar süß das Beten und das Träumen war.

* * *

Begeist'rungsstunden, als mir jungem Kinde
Von heil'gen Sagen sprach der Orgelklang,
Und wie in einer Wiege mich gelinde
Einschläferte prophet'scher Ruhmessang.

Begeist'rungsstunden, als wie Wellenschäumen
Die ersten Verse glühend mich durchbebt
Und ich voll Leidenschaft, in kühnen Träumen,
Im Azur des Erhabenen geschwebt.

Verlor'ne Stunden in dem gold'nen Glanze
Des Mai's, der nie so herrlich wiederkehrt,
Dem Schwalbenchor gleich, der im lust'gen Tanze
Von Strahl zu Strahl am Himmel aufwärts fährt.

Verträumte Stunden, zauberhafte Tage,
Ach, immerdar denk' ich an euch zurück;
Und ewig quält mich eine stumme Klage
Um euch, wie um verlor'nes Liebesglück.

* * *

Nur vorwärts, vorwärts. – Ohne Ruhe schickte
Auf rauhe Bahnen mich hinaus die Zeit;
Ein Netz von harten Fäden mich umstrickte,
Doch blieb mein Blick dem Azur stets geweiht.

Vorwärts … – Doch die gequälte Seele führet
Ein süßes Sehnen zum Vergang'nen fort;
… O Weihrauch, Lilienduft, so oft gespüret
Beim kindlichen Gebet am ernsten Ort,

Arkaden, Kerzen, Klosterfried' und Wonnen,
Gespenster, die ihr euer Grab verlaßt,
O liebliche trecentische Madonnen,
Die auf den gelben Mauern ihr verblaßt,

Ich suchte gern für das, was mir begegnet
Und was ich that, bei euch Vergessenheit
Und säng' auf euerm Boden, reich gesegnet,
Ein Loblied meiner frohen Kinderzeit.


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