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Der letzte Herzog.


Umhüllt von den Schleiern
Der schneeigen Wiege
Liegt schlafend das Kind,
Und Träume umspielen
Die rosige Stirne,
Die zarte, ihm lind.

Kein Auge bewacht es;
Zum Ball ist die Mutter,
Der Vater beim Spiel.
Es lauscht seinem Athem,
Dem schwachen und leisen,
Kein zärtlich Gefühl.

Unsichtbar die Lüfte
Wie Rauschen von Schwingen
Es leise durchbebt,
Wie Geister und Schatten
Am Kissen vorüber
Es flüstert und schwebt.

– Der einst du im Schlosse
Als Sproß zarter Liebe
Gekommen zur Welt,
Sprich, Sohn eines Herzogs,
Blondlockiges Kindchen,
Welch Loos dir wohl fällt? …

Kein Stürmen und Toben
Im matten Geblüte
Dir wallet und zischt;
Du letzter Blutstropfen
Aus stolzem Geschlechte,
Das sterbend erlischt.

Was wirst du einst haben? …
Verschwendrische Feste,
Gastmähler voll Prunk;
Schaumperlende Kelche,
Die Gluth durch die Adern
Dir strömen beim Trunk.

Geräuschvolle Orgien;
Mit niedrigen Küssen
Die Nächte verpraßt;
Viel müßige Stunden,
Auf feurigen Rossen
Manch Ritt voller Hast.

Für dich nicht die Kämpfe,
Die strengen, des Wissens,
Voll Eifer und Gluth;
Für dich nicht das Beben,
Die ernsthaften Träume
Des Glaubens voll Muth.

Für dich nicht die Werke
Des kräftigen Armes,
Nein, einsam und matt,
Entkräftet und unnütz,
Fürs Nichts nur geboren,
Vom Nichts müd' und satt,

Wird einstmals dein Athem,
Der letzte des Lebens,
Das fruchtlos verbraucht
Und eitel verstrichen,
In niedriger, feiler
Umarmung verhaucht.


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