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Der Grubenbrand.


In tausend Meter Tiefe ist gelegen
      Im Erdengrund der Schacht.
Durch Streck' und Stollen wie Gespenster regen,
Gebannt in ihres Kerkers düst're Nacht,
      Die Grubenleute sich.

Fünfhundert sind's, mit Hämmern und mit Stricken,
      Mit Lampen und mit Hau'n;
Trotz harter Arbeit ungebeugt die Rücken,
Fünfhundert, schön und kräftig anzuschau'n,
      Wie eine Kriegerschaar.

Noch keiner hat die dreißig überschritten;
      Die Kinder und die Frauen
Erwarten sie in blüh'nder Felder Mitten,
Fern von der Schluchten Fährlichkeit und Grau'n,
      Im gold'nen Sonnenlicht.

Den Weg mit Riesenkraft sich bahnend, dringen
      Sie in den Felsen ein;
Des Volkes Kräfte frei entfesselt ringen
Hier mit dem kalten, majestät'schen Stein
      Voll wilder Wuth.

Sie brechen, reißen, sprengen, hau'n und klopfen
      Voll wüster Grausamkeit,
Aussaugend Alles bis zum letzten Tropfen,
Indeß die Schluchten schon die rechte Zeit
      Zur Rache sich erspäh'n.

Die Stunde schlägt: bei einer Lampe Springen
      Dröhnt es wie Donnerhall,
Der bösen Wetter glüh'nde Ströme dringen
Hervor mit fürchterlichem Blitz und Knall;
      Verloren Alles ist.

In krachenden Gewölben, unter Trümmern,
      Blutroth und rauchbedeckt,
Bei der erdrückten Opfer Schrei'n und Wimmern,
Wie eine Schlange ringelnd hoch sich reckt,
      Empor die Flamme steigt. –

* * *

Steigt und zerstört, und in der Gluth, die grausam frißt und zehrt
Erscheint die tiefe Höhle bald ein einz'ger Flammenheerd.
Ein Berg von Todten, Sterbenden; die Balken stürzen ein,
Und durch die dunkeln Schachte klingt's wie wilder Thiere Schrei'n.
Ein Flammenmeer; vom Erdsturz dröhnt der Nachhall schauerlich,
Es öffnet dieser Menschenschaar das Grau'n der Hölle sich.
Doch unterliegen wollen sie, die Lebenden, noch nicht,
Mit rasendem Naturtrieb hängt ihr Leib am Lebenslicht.
Sie stürzen durch die Schachte hin, verzweifelt, nackt und bloß,
Gleich irrenden Dämonen in des Abgrunds glüh'ndem Schoß.
Zerfetzt die Blusen, starr das Aug' aus seiner Höhlung quillt,
Sie zerr'n sich an den Mauern hin, voll Blut, vor Schrecken wild;
Nach Luft, nach Luft verlangend nur! … Nach heiter'm Sonnenglüh'n,
Nach frischem, freiem Windeshauch, nach duft'ger Wiesen Grün,
Dem ewig reinen Azurblau, das endlos uns umschließt
Nach Allem, was noch athmen kann, was Leben, Leben ist! …
O dieses Sklavenleben, das sie hier in Nacht verlebt,
In düstern Höhlen, wo stets Qualm und Staub die Luft durchwebt.
Dies menschunwürd'ge Leben, fern von Blüth' und Sonnenstrahl,
Dies Leben in der Dunkelheit, voll Schrecken, Noth und Qual,
Sie sehnen sich jetzt heiß danach. Es klammert sich die Hand.
Mit der Verzweiflung Wahnsinn an die starre Felsenwand.
Es sucht nach Luft ein jeder Mund und athmet Rauch nur ein,
Ein Chaos ist von Blut und Staub die Erde jetzt allein.
Zerschmetternd Alles stürzt und bricht, ringsum nur Schutt und Tod,
Die Tollheit der Materie herrscht, von wilder Gluth umloh't.
Die Flamme sinkt herab und steigt und prasselt, blitzt und schwärmt,
Und auf dem großen Leichenfeld sie höhnend, knisternd lärmt.
Aus Haß und Mord besteht sie nur, und der Verwüstung Nacht
Schreit sie voll ungestillter Wuth der Sieg'rin zu: »Vollbracht«.

* * *

… Vorbei ist Alles. – Morgen, hundertweise,
Bringt man an's Sonnenlicht, verstümmelt, starr,
Bei wüstem Angst- und Wehgeschrei im Kreise,
      Die Reste der gefall'nen Schaar.

Den rauchenden, zerschmetterten Gebeinen
Naht schluchzend, zitternd sich ein Riesenhauf',
Und tausend Lippen drücken unter Weinen
      Das Mal des Schmerzes ihnen auf.

Dann wirft man durcheinander sie auf Karren.
Und während Trauerfahnen weh'n herab,
Begleitet man die großen Leichenschaaren
      Zur Ruh' in ein vereintes Grab.

Nun wird Vergessen um die Gräber weben,
Doch glüh'nder Rosen-, Hyacinthen-Flor
Blüht, wie durch Gotteskuß geweckt zum Leben,
      Aus der Verblich'nen Staub hervor.

Man erntet Halm' und Aehren auf den Feldern,
In die man edler Menschen Kraft gesä't,
Und in den Myrten- und Cypressenwäldern,
      Dem Hauch, der aus den Wiesen weht,

Im unschuldsvollen, heiter'n Flügelschwingen,
Das durch die Lüfte flattert weit und breit,
Fühlt man als warme Lebenswelle dringen
      Die Freude, die die Erde beut.

… Jedoch der Todten Söhne, arme Leute! …
In Elend aufgewachsen und in Noth,
Bergmänner werden ebenfalls sie heute
      Für einen Soldo und ein Brot.

Und Einen nach dem Andern sieht man steigen
Hernieder in der tiefen Höhlen Nacht.
Dort straucheln sie vielleicht beim ernsten Schweigen
      Der Arbeit einst im düstern Schacht

Auf Ueberresten ihrer Väter, Brüder;
Ein inn'rer Kampf durchbebt sie, tiefes Grau'n.
Die Stirnen beugen sich, es fallen nieder
      Mit dumpfem Dröhnen Pick' und Hau'n.

… O träge, schmachvoll unterdrückte Rasse,
Was nützt es dir denn, schön und stark zu sein.
Kannst du dich nur zum Sklaven machen lassen,
      Wär's besser, dich dem Tod zu weih'n! …

Das Feuer lebe, dessen Gluth verzehret
Die Lumpen und des Hungers Elend hier,
Das Feuer lebe, das in's Nichts verkehret
      Das kummervolle Inn're dir.

Das eine Stunde doch für dich entzündet
Das Mitleid dessen, der nichts weiß von Leid,
Das aller Müh' und Schmerzen dich entbindet,
      Dir süßen Schlaf und Frieden beut.

Das Feuer lebe, das dem in der Sonne
Des Glück's sich Weidenden zuruft: »Erwach!«
Verlaß der Liebesträume holde Wonne,
      Verlaß das festliche Gemach.

Entblöß' das Haupt, am Boden brich zusammen
Mit bleichem Antlitz und gebeugten Knie'n,
Denn bei der Arbeit unter Schutt und Flammen
      Sank in den Tod dein Bruder hin! …


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