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Ich klopfe: auf thut sich die weite Stadt.
– Wo stammst du her? … – Aus Wiesen und aus Feldern. –
– Wer führte dich? … – Ein Sturm war's, der es that,
Und meines Schicksals Stern.
Die Frische und den Sang aus meinen Wäldern
Bring' ich dir mit von fern.
In grünem Moos und Dorn hab' ich gelebt,
Umrankt von Epheu auch, dem festen, zähen,
Und von der Tannen düst'rer Nacht umschwebt.
Und frisch umgab der Wind
Mit rauhen Stürmen und mit sanftem Wehen
Des Wald's Zigeunerkind.
Die Freiheit war, die unbeschränkte mein! …
Ach, könntest du die Seligkeit begreifen.
So, namenlos, mit wirrem Haar, allein,
Durch Wälder und Gefild
Ganz ohne strenge Fesseln hinzuschweifen,
Das Auge lichterfüllt!
O kenntest du das Glück, der Freude Schein
Durch einen Kuß der Erde zu entsprossen;
Das zarte Gras, das Rebenlaub zu sein,
Der Aehre gold'ne Pracht,
Die Blume, die den Samen hält umschlossen,
Der Gott, der fruchtbar macht! …
Aus tiefstem Boden dringt zu mir heraus,
Aus frühlingsfroher Keime leisem Flüstern,
Der Blüthenstäubchen Liebesglück, dem Braus
Des Sturms, der mächtig schwillt,
Aus raschem Laufe mit geblähten Nüstern
Der Rosse, kühn und wild,
Ein frischer Lebenshauch und eine Fluth
Von Kraft und Sieg, die hoch die Brust mir schwellen
Gleichwie der Strom, der Dämme bricht voll Wuth,
Dann auf dem Feld daher
Gebraust kommt mit den hohen wilden Wellen,
Ein überschäumend Meer.
… Zu dir nun komm' ich, alte Stadt voll Prunk,
Ließ Hack' und Spaten in der Heimath liegen. –
Willst du mich haben? … ich bin stark und jung;
Von Reisgefild und Sumpf
Komm' in den wüsten Lärm ich der Fabriken,
In Arbeitshäuser dumpf.
In enge Gassen werf' ich einen Strahl
Von Sonnenlicht und laß gesunder blühen
Der Kinder Angesichter, blaß und schmal.
Vom Heu bring ich den Duft,
Ein Zwitschern froher Schwalben auch, die ziehen
In heit'rer Mittagsluft.
Der Menge, die mich athmend rings umgiebt,
In Jacke, Handschuh'n, Unterrock und Flicken,
Die mich betäubt und stoßend vorwärts schiebt
Und kaum mich scheint zu seh'n,
Halb Sorge und halb Keckheit in den Blicken,
Ein Kommen stets und Geh'n –
Ruf ich prophetisch zu den Brudergruß,
Den Sang von Recht und Hoffnung, der zusammen
Die Herzen fügt und ewig währen muß
Wie Meer und Wüstensand,
Der Furchen Keime und das lichte Flammen
Am blauen Himmelsrand.