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Groß, braun, zerlumpt, kein Hemde hatt' er an,
Lastträger, Schmied, Soldat,
Aus seinem kräft'gen Bau man schließen kann;
So machte er die Thür erbleichend auf,
Ein arbeitsloser Mann.
Er sprach: Ich bin gesund, gebt Arbeit mir,
Ich scheue keine Müh'n,
Mein Arm ist eisern. – Fremd bin ich noch hier,
Und bittend seit zwei Monden schon umsonst
Klopf' ich an jede Thür.
Wer ihm die Antwort gab, weiß ich nicht mehr,
Es war ein kurzes Nein.
In düsterm Schreck verzog das Antlitz er,
Und rauhen Tones drang ihm aus der Brust
Ein Seufzer, lang und schwer.
Er sprach: An eure lieben Todten denkt,
Laßt mich nicht von euch geh'n.
Ach, das Verstoßen den so furchtbar kränkt,
Der Hunger hat. – Habt Mitleid doch mit mir,
An eure Todten denkt! … –
Und weiter sprach er: Wenn an Gott ihr glaubt,
Laßt mich nicht von euch geh'n.
Wer hat das Recht auf Arbeit mir geraubt?
Ein Fluch ist's, wenn man den verläßt, der fällt,
Indeß an Gott man glaubt! … –
Wer ihm die Antwort gab, weiß ich nicht mehr,
Ein schüchtern, schwaches Nein.
Es schien, als schwankt' im Augenblicke er
Und ging dann stumm, gesenkten Haupt's davon,
Sich schleppend müd' und schwer.
Verzaubert folgt ihm eine ganze Weile
Mein Blick und sah ihn zieh'n
Auf stein'ger Straße, müd' und ohne Eile.
Die Junisonne sandte auf sein Haupt
Die brennend heißen Pfeile.
Er schwand – doch wie im Traume noch betrachtet'
Ich den Verzweiflungslauf.
Unnütz die Kraft, der starke Arm verachtet;
Stets vorwärts, vorwärts, schmutzig und zerlumpt,
Verstoßen und verschmachtet.
Durch Städt' und Dörfer sah ich ihn so gehen,
Den stolzen Bettelmann,
Umsonst ließ Wundenmal und Dornen sehen
Er seines Elends! … bis er niedersank,
Den Tod sich zu erflehen! …
Und mit gesenktem Haupte, bleich vor Schmerzen,
Verzeihung, – murmelt' ich;
Was von Jahrhunderten nicht auszumerzen
An Irrthümern, die Reu und Scham der Welt
Lag schwer auf meinem Herzen.