Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neue Liebe.


Wenn du mich liebst, auf meiner Stirne schau,
Wie innen sich Gedanken blitzend regen.
Zur Höh' gelangte ich auf steilen Wegen,
Und über mir ist noch der Himmel grau,

Die Dornen des Gestrüpps sind mir bekannt,
Der Wüsten unfruchtbare Traurigkeiten;
Ich spiegle nicht des Himmels lichte Weiten,
Nein, Trauer trag' in Blick ich und Gewand.

Bergleute aus der Erde düsterm Schacht,
Fleischlose Opfer, tapfre Kämpferschaaren,
Mit kühner Lippe und dem Blick dem klaren,
Draus Sehnsucht nach dem heil'gen Kampfe lacht;

Wie du mir heute sagst: Ich liebe dich,
So flehten sie einst: Hab' mit uns Erbarmen!
Die Märtyrer, die Helden, all' die Armen:
– Sei unser, Mädchen, wir verlangen dich.

Du fühlst in deinem Innern und durchlebst
Das Bangen all, das Schluchzen und die Schmerzen;
Dir ganze Qual, die uns zerreißt die Herzen,
Bricht in dir aus, dieweil du mit uns lebst.

Weil, tief erschüttert, aus der Seele dir
Der Sang hervorströmt, du seist wir! … O gehe
Auf der Gerechtigkeit schroff stein'gen Höhe
Als Schildwacht einsam weiter, für und für.

Ja, stolp're, falle, doch steh wieder fest
Auf todten oder sterbenden Gebeinen,
Unendlich heiße Thränen mögst du weinen,
Die dir das Mitleid und die Angst erpreßt.

Wenn einst, die Adern heiß, die Glieder müd',
Dein Leben du den Brüdern hingegeben,
Und alle Wunden mit des Donners Beben
Bewegt besungen dein prophetisch Lied,

Mit uns, für uns, beim letzten Sturmesdräu'n
Fall', Muse neuer Liebe, dann! … Die Menge
Sprach so zu mir. – Schau' an mich und bedenke! …
Bis an das Grab ist diese Straße mein.

* * *

Doch liebst du deshalb mich vielleicht? … Dann komm,
Komm, folge mir im Namen aller Schmerzen,
Für dich blüht eine Blume mir am Herzen,
Die Nachts voll Wollust wildem Hag entglomm.

Komm, folge mir! … Wir gründen unser Haus,
Wo die besiegte Menschheit stöhnt, verbittert,
Wo die verlass'ne Kindheit weint und zittert
Und das verderbte Elend herrscht voll Graus.

Der Unglücklichen nackte Lagerstatt
Sei unser Brautbett, uns're Kinder sollen
Die Waisen, Namenlosen sein, die Thränenvollen,
Sie, denen Schmerz geknickt die Flügel hat.

Es wahrt für dich mein jungfräulicher Mund
Zärtliche Küsse, die nur Jene wissen,
Die Küsse, die aus Thränenfluth entsprießen,
Wie Anemonen, bleich, im Wiesengrund.

Die Küsse, vom Geheimniß trüb umschwebt,
Das Sterbende umgiebt, die ausgerungen;
Die Küsse, vom Gedankenkampf durchdrungen,
Der fruchtbar jeden Augenblick durchbebt.

Den stummen Schwindel, der am Abgrund bangt,
Der Opfer edlen Todeskampf sie sehen,
Die Sehnsucht nach den Tiefen und den Höhen,
Die Süßigkeit des Herzens, das nie wankt.

Komm, folge mir! … Für Alles segn' ich dich,
Was mir zu Liebe du vollbringst im Leben,
Auch für dein Blut, nicht für mich hingegeben,
Du Bruder edlen Strebens, segn' ich dich.

Komm, folge mir! … Erliegen manches mal
Wir auch, bevor wir unser Ziel erlangen,
Was thut's? … Vom Glanz der Ewigkeit umfangen
Steh'n wieder auf wir, bei der Sonne Strahl.

Erhaben unsere Umarmung lacht
Auf der erneuten Erde Freudesprühen,
Und unter uns wird lilienschön erblühen
Die Zukunft, die wir nicht umsonst erdacht.


 << zurück weiter >>