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Pax.


Ich sah im Traum, gleich stolzen Adlerschwingen,
      So riesig und so schön,
Bei heller Sonne glüh'nden Strahlenblitzen
      Wohl tausend Banner weh'n.

Nie lächelte den Feldern und den Lüften
      Ein licht'res Morgenroth;
Im Rausch der Stunde waren Meer und Himmel
      Von Flammengluth umloht.

Aus Wald und Fluren stieg empor ein Beben
      Von keimend neuer Kraft,
Ein starker Windhauch, wie der Traum der Seele,
      Den Zweigen Flügel schafft.

Ich sah empor die Strahlenbanner steigen,
      Siegestrophäen gleich,
Und die Geschichte eines Volks zu singen
      Schien jede, ruhmesreich.

Durchbohrt von Kugeln waren sie, zerrissen,
      Verstümmelt mancher Schaft,
Als hätten tausend Dolche sie durchstochen
      Im Kampf voll Leidenschaft;

Und schwarze, rothe Flecken, Rauch und Pulver
      Verhüll'n der Farben Gluth;
Das Pulver ist's der Flinten und Kartätschen,
      Der Helden junges Blut.

Bei Vielen, die am östlich ros'gen Himmel
      Gigantisch aufwärts wehn,
Schallt beim erhab'nen Flug zerriss'ner Ketten
      Entsetzliches Gedröhn.

Plötzlich (im Traum) magnetisch angetrieben
      Von warmem Liebeshauch,
Vergessend alle heldenhaften Kämpfe
      Und die Besiegten auch,

Umarmen sich und falten sich zusammen
      Die Banner all' vereint;
Von Hoffnung, Kraft, Erinnerung und Thränen
      Ein Seelenband es scheint;

Hoch in den azurblauen Himmelsräumen,
      Wie Flammenglut empor,
Weht nur noch eine einz'ge Oriflamme
      Gleich einem Engelsflor:

Und zu ihr auf, von alten Trümmerhaufen,
      Von Eb'nen blutbethaut,
Vom Schrecken der Jahrhunderte, die starben,
      Die Menschheit lächelnd schaut.


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