Arno Holz
Dafnis
Arno Holz

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Er verföllt wihder in seine
alte Draurigkeit.

Qwodlibet.

               

Verschlossen schweigt die Dhür /
die fünstre Nacht bricht führ;
ein blasser Mohnd giesst seinen Schein /
ich bün so gantz mit mir allein!

Auff die leere Kammer-Wände
starr ich stumm / starr ich stier.
Weiß ich / wo ich morgen lände?
Welt / du stobst in Aschen-Brände!
Alles war erborgte Zihr.
Seine abgefleischten Hände
sträkkt der Dot nach mir!

Einst / wie war ich rinck und ranck /
jäde Adder in mir sprangk
nichts nicht / waß mir nicht gelang /
keine / die sich mir entzwang /
wenn mein Sang
sprüh-blinck klang /
wie mein Hieber / den ich schwangk /
alles daß verhallte /
seyt ich auff der Ofen-Banck
langsam hinveralte!
Seyt ich hihr im Felsen-Rizze
wie ein müder Dauber sizze! – –

»Wie geht es Euch / Herr Bruder?
Er ist wie ich ein Luder!
Mort de ma vie!
Once et demi!

Waß macht sein Engels-Kind?
Ist es Ihm wohl-gesinnt?
Botz Bluhmen-Hertz / wan nicht /
Er huhst ihr ins Gesicht!

Sätzt sich eine mir zur Wehr /
Mäntscher giebts wie Sand am Meer!
Die sich mit nicht gleich bequwembt /
solche fünd ich außverschehmbt!

Gern zwar greiff ich meiner Kloris
wos ihr wohl thut / wan sies jükkt /
aber auch die dikke Doris
hab ich offt ans Hertz gedrükkt!

Mirtillgen kan so schön betrügen /
sie ist so rund / sie ist so fro /
zu munter ist sie beym Vergnügen
auff dem bekanten Haber-Stroh!

Heute ists Crispingen /
morgen schon Milchingen!
Dunn die kleyne Ilsebill /
goldbestikkt das Samt-Mantill!

Dorgen / Lorgen / Malgen /
Sylvien und Rosalgen /
Lottgen / Lihßgen / Julgen
knyp ich in ihr Kulgen!

Sälbst Perindgen für mich fleucht /
es ist kaum zu glauben /
wann der grimme Habicht zeucht /
tukken sich die Tauben!«

Aller sühßen Brüste
sang ich wie Catull /
so vihl Küsse küßte
nicht einmal Tibull!

Ach / ich außgedorrter Han!
Größer mir in meinem Wahn
war ich alß der große Chan!
Wilder alß kein wildes Thier /
mein eignes Hertz erschrikkt für mir!
Und ümmer wihder föllts mir eyn:
Wie kunt ich einst blohß frölich seyn!

Der Bilder bundter Schwarm zerrinnt /
ich werde wihder wie ein Kind /
ich spihle Pferdgen / schlage Ball /
mich freut der hüpffende Krystall /
ich dreibe schlingernd Reiffen!
Eene / meene / mincke / muh!
Daß bün ich / und daß büst du!
Haschen! Juhchen! Greiffen!

Ich kandte keine Threne /
reich war ich ohne Geldt;
du falsche Welt-Sirene /
wie hastu mich geprellt!

Lihb war sie mir und hold!
Nichts bün ich ihr mehr wehrt /
seyt meiner Hahre Gold
in Silber sich verkehrt!

Der Jugend Glantz zerbricht /
er schwindet / wie ein Hauch /
so flinck verlischt kein Licht /
so schnell verflihgt kein Rauch!

Homer / dein Götter-Mund
tat Solches auch schon kund:
Waß ist der Mäntsch? Ein Staub /
ein zittrend Aßpen-Laub!

Ein Glaß / ein Graß / ein Hauch / ein Traum /
ein Schatten-Schemen und ein Schaum!
Bald / bald bün ich hinüber!
Ich weiß mir leider zu gewiß:
Daß kam von jänem Apffel-Biß /
mein Kelch geht nicht fürüber!

Unter Seuffzen / unter Sorgen /
ja / ach ja / ich lebe noch /
doch vihlleicht schon heut / statt morgen /
schnappt nach mir das Schwefel-Loch!

Das bohrt / das bocht / das brennt /
bald ist es nun zu End!
Bald scharrt man mich hinein /
würd es for ewig sein?

Einst auß seynem Glorien-Scheine
wekkt wer mich in einem Nu /
meine aufferstandnen Beine
stolpren ihm dan jauchtzend zu!

Die himmlischen Kohorten
stultz schwäncken ihr Panier!
Auß Pärlen sind die Porten /
die Auen auß Saffihr!
Der Engels Flügel blizzen /
nie niemahls wird es Nacht!
Die Brunnen Silber sprizzen /
Aurora ümmer lacht!

Dan so werd ich für ihm treten /
dem die würbelnden Planeten
glüzzernd sich alß Stirn-Band drehn!
Der mit Plizz und Donner grollte /
weyl ich wie ein Kind ihm schmollte /
lihß er mir die Ruhte sehn!

Ich lag der Welt in ihrer Lauge /
er weiß / waß ich als Delpel dauge /
er nimbt mein Hertz in seine Hand
und kehrt es gäntzlich ümbeinand!

Dem schwartzen Sattan zum Verdruß
erquikkt er mich mit seynem Kuß /
der einst den gantzen Sternen-Pracht
auß weiter nichts denn nichts gemacht!

Und doch und doch! Was man auch spricht!
Der eine gläubts / der andre nicht!
Nichts / nichts nicht kan man wissen!
Auff ihrem Scheddel drägt kein Hahr /
die meinen Vatter einst gebahr /
mein Hertz ist gantz zurissen!

Vernunft / du alte Schlange /
dein Rachen graust zu grohß!
Vor dir nur ist mir bange /
so laß mich endlich lohß!

Ümbsonst ist all mein Flöthen /
bald wird der Dot mich döten!
Bald karrt man mich hinauß
zu Vatter Plutos Hauß!

Gomorrhens Missedhaten
sind übel mir gerathen;
man weiß jo / wies einst ritsch geschah
dem so frechen Sodoma!

Er leßt sich nichts entschlippen /
er wird mich kippen / wippen;
hindter abgefleischter Stirn
gährt alß Schlangen-Nest mein Hirn!

Mich mir sälber abzufodern /
leßt er mich durchauß vermodern /
jäner Printz der schwartzen Nacht /
dem der Skythe Gäste schlacht!

Auff Knyen / krumb / bald blind / fast taub /
so lihg ich schluchtzend hihr im Staub /
die Pulse zittren mir und klopffen /
weh / wie auß mir die Trähnen tropffen!

Nichts-nütz dünckt ihm mein Geplerr /
dem Großen Seraphinen-Herr!
Verdunckelt ist seyn Gnaden-Licht /
er höhrt mich nicht / er höhrt mich nicht!


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