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Karl Maria aber warf die Kastanienkette achtlos zu seinen Bleisoldaten. Was kümmerte ihn jetzt die blonde Kunigunde Williguth! Er durfte ja ein Geiger werden und bei Joseph Italiener heimlich Unterricht nehmen. Aber schon die erste Lektion brachte eine bittere Enttäuschung. Geige und Bogen mußten im Kasten bleiben. Joseph saß vor dem Klavier, sprach ein langes und breites von ganzen, halben und viertel Noten und Intervallen und schlug allerlei Töne an, die der Knabe jedesmal erraten mußte. Es schien ihm alles so langweilig wie das Buchstabieren in der Schule. Die Noten schwirrten durch sein Gehirn wie schwarze häßliche Fliegen, er haßte die fünf Linien wie seine Schiefertafel und wollte von dem dummen geringelten Violinschlüssel schon gar nichts wissen.

Wenn er trotzig bockte, griff der kluge Joseph zur Geige und spielte ganz leichte Stücke, die Karl Maria mit runden Augen anhörte und sogleich kunstgerecht nachzuahmen sich bemühte.

Auch in der Schule ward er seine Musik nicht los. Immer variierte er die Stimmen der Mitschüler in allerlei Tonarten und fand für jeden einen musikalischen Spitznamen. Da gab es Bubenstimmen, die er in Moll, andere, die er in Dur einreihte. Statt mit seinen geliebten Bleisoldaten spielte er jetzt mit dem Quintenzirkel. Und er unterschied früher ein Larghetto von einem Andantino als ein Hauptwort von einem Zeitwort, Aber auch da half der gute Joseph, und oft ward aus der Musikstunde eine richtige Schulstunde. So wandelte Karl Maria durch bittere und süße Stunden in sein geliebtes Geigenland hinein.

 


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